Entscheidungsstichwort (Thema)
Preisgebundener Wohnraum, Teilnichtigkeit. Wegfall der Preisbindung
Leitsatz (redaktionell)
Ist mietvertraglich vereinbart, dass für preisgebundenen Wohnraum eine Miete, die über der Preisbindung liegt, geschuldet sein soll, wird nach Wegfall der Preisbindung Miete in dieser Höhe geschuldet, wenn im Mietvertrag eine Regelung für das Vorhandensein bzw. das Außerkrafttreten von gesetzlichen Bestimmungen getroffen wurde.
Normenkette
MÜG Art. 2 § 2; BGB §§ 134, 139
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 10.05.2006; Aktenzeichen 2 S 254/05) |
AG Halle (Saale) (Entscheidung vom 31.08.2005; Aktenzeichen 98 C 3523/04) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 10. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beklagten waren Mieter einer in H. gelegenen Wohnung des Klägers. Im Mietvertrag vom 26. Juni 1996 vereinbarten die Parteien ab dem 1. August 1996 eine monatliche Nettomiete von 15 DM/m². § 21 des Mietvertrags „Wirksamkeit der Vertragsbestimmungen”) lautet:
- „Durch etwaige Ungültigkeit einer oder mehrerer Bestimmungen dieses Vertrages wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.
- Wenn insoweit eine der Bestimmungen dieses Vertrages gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt, tritt an ihre Stelle die entsprechende gesetzliche Regelung. Bei Außerkrafttreten der gesetzlichen Regelungen wird die vertragliche Bestimmung voll wirksam…”
Aufgrund des am 11. Juni 1995 in Kraft getretenen Gesetzes zur Überleitung preisgebundenen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht vom 6. Juni 1995 (BGBl. I S. 748; Mietenüberleitungsgesetz, künftig MÜG) unterlag die Wohnungsmiete der Preisbindung. Danach durfte die zulässige Miete bis zum 30. Juni 1997 monatlich 8,06 DM/m² nicht übersteigen.
Mit der Klage hat der Kläger die ursprünglich vereinbarte Nettomiete von monatlich 15 DM/m² ab Januar 1998 geltend gemacht. In erster Instanz hat er 23.206,74 EUR Restmiete für die Zeit von Januar 1998 bis Juni 2004 – mit Ausnahme der Monate Mai bis Juli 2001, die bereits Gegenstand eines Vorprozesses waren – verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die auf Rückerstattung überzahlter Miete in Höhe von 4.916,01 EUR gerichtete Widerklage der Beklagten abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, nachdem der Kläger seine Forderung durch Teilklagerücknahme auf 18.753,84 EUR beschränkt hatte. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungs- und Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die vertragliche Vereinbarung einer Miete von 15 DM/m² sei gemäß Art. 2 § 2 MÜG teilnichtig gewesen. Nach dem Wegfall der Preisbindung sei der Kläger aber nicht gehindert, die ursprünglich vereinbarte Miete zu verlangen. Die Wirksamkeit des restlichen Vertrags werde durch die Teilnichtigkeit nicht berührt. Gemäß § 21 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags werde die vertragliche Bestimmung bei Außerkrafttreten der gesetzlichen Regelungen wirksam. Ein nichtiges Rechtsgeschäft bleibe zwar grundsätzlich unwirksam, wenn der Nichtigkeitsgrund nachträglich wegfalle. Nach dem Zweck der Preisbindung erstrecke sich die ursprüngliche Nichtigkeitsfolge aber nicht auf später mögliche Erhöhungsbeträge. Schon während der Übergangszeit wären die Parteien berechtigt gewesen, Vereinbarungen über die Miete für die Zeit nach der Preisbindung zu treffen.
Wie sich bereits aus den Ausführungen zur Klage ergebe, sei die Widerklage unbegründet. Bereits bei Bezifferung der Klageforderung habe der Kläger überdies berücksichtigt, dass die Beklagten eine Mietminderung wegen behaupteter Mängel geltend gemacht hätten.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision unbegründet ist.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung restlicher Miete, berechnet auf der Grundlage von 15 DM/m², zu.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Vereinbarung der Parteien im Mietvertrag vom 26. Juni 1996 über die Höhe der Miete teilnichtig war (§§ 134, 139 BGB), weil sie dem Anwendungsbereich von Art. 2 § 2 MÜG unterlag. Gemäß Art. 2 § 2 MÜG durfte die Miete bei Abschluss eines Mietvertrags über Wohnraum im Sinne von § 11 Abs. 2 MHG in der Zeit vom 11. Juni 1995 bis zum 30. Juni 1997 15% der preisrechtlich zulässigen Miete nicht übersteigen. Unter den Parteien besteht kein Streit, dass danach die zulässige Nettomiete monatlich 8,06 DM/m² betrug. Mit diesem Inhalt blieb der Mietvertrag bestehen (st. Rspr.; siehe etwa BGHZ 116, 77, 85 m.w.N.).
b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die teilunwirksame Vereinbarung einer Nettomiete von monatlich 15 DM/m² für die Zeit nach dem Wegfall der Preisbindung wirksam ist.
aa) Das Berufungsgericht hat dabei nicht verkannt, dass ein nichtiges Geschäft auch bei Außerkrafttreten des Verbots grundsätzlich nichtig bleibt (BGH, Urteil vom 1. Juni 1994 – XII ZR 241/92, WM 1994, 1940, unter I 3; BGH, Urteil vom 19. Februar 1997 – XII ZR 236/95, NJW-RR 1997, 641, unter 2 b; Staudinger/Sack, BGB (2003), § 134 Rdnr. 56 m.w.N.); das gilt auch für teilnichtige Geschäfte.
bb) Entgegen der Ansicht der Revision folgt jedoch schon aus § 21 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags, dass der Kläger nach Wegfall der Kappungsgrenze Miete in der vereinbarten Höhe von monatlich 15 DM/m² verlangen kann. Nach dieser Vereinbarung, deren Voraussetzungen hier vorliegen, soll eine vertragliche Bestimmung, die gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, bei deren Außerkrafttreten wirksam werden.
Dem steht der Verbotszweck des Art. 2 § 2 MÜG nicht entgegen. Der Zweck des Mietenüberleitungsgesetzes bestand darin, das Vergleichsmietensystem der §§ 2 ff. MHG (heute §§ 558 ff. BGB) schrittweise auch in den neuen Bundesländern einzuführen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1041, S. 1 f., 7 ff.; Senatsurteil vom 22. Dezember 2004 – VIII ZR 41/04, WuM 2005, 132, unter II 1 c). Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung bestand das Verbot des Art. 2 § 2 MÜG jedoch nur „beim Abschluss” des Mietvertrags; die Parteien hatten die Möglichkeit, in der Folgezeit eine andere Vereinbarung ohne die von dieser Vorschrift vorgesehenen Beschränkungen zu treffen (Staudinger/Emmerich, BGB (1997), Mietrecht 3, Anh. zu Art. 3 WKSchG II §§ 11-17 MHRG: Art. 2 § 2 MÜG Rdnr. 5). Zudem hätten sich die Parteien bereits bei Vertragsabschluss für die Zeit nach Ablauf der bestehenden Preisbindung wirksam über eine höhere Miete einigen können (siehe bereits Senatsurteil vom 3. Dezember 2003 – VIII ZR 157/03, WuM 2004, 28, unter II, zur Staffelmiete). Dem steht die von den Parteien in § 21 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags getroffene Vereinbarung für die Zeit nach Außerkrafttreten des Verbots am 30. Juni 1997 in ihren Auswirkungen gleich.
2. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht auch die gegen die Abweisung der Widerklage gerichtete Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Das gilt auch, soweit die Beklagten die Widerklage zum Teil auf eine Minderung der Miete wegen behaupteter Mietmängel gestützt haben. Die Revision berücksichtigt nicht, dass der Kläger dem in zweiter Instanz durch Teilklagerücknahme Rechnung getragen hat. Darauf hat das Berufungsgericht zutreffend abgestellt.
Unterschriften
Ball, Dr. Wolst, Dr. Frellesen, Hermanns, Dr. Hessel
Fundstellen
Haufe-Index 1853667 |
ZMR 2007, 850 |
WuM 2007, 440 |
Info M 2007, 256 |
MietRB 2008, 35 |