Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 07.12.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 7. Dezember 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Entziehung elektrischer Energie (Fall 1 der Anklageschrift) und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 2 der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat außerdem den Verfall eines Geldbetrages von 6000 EUR angeordnet. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie erstrebt in beiden Fällen eine Verurteilung wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und eine höhere Strafe. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts überließ der Angeklagte dem Niederländer „J.” für eine Miete von 500 EUR monatlich eine von ihm selbst zu diesem Preis angemietete große Lagerhalle, die er früher als Lagerfläche und Unterstellplatz für Baumaschinen genutzt hatte, um dort Cannabisprodukte zu erzeugen, die J. gewinnbringend an Rauschgifthändler verkaufen wollte. Ende Januar 2004 begann J. mit Umbau- und Installationsarbeiten, wobei der Angeklagte half. Da für die Cannabis-Plantage sehr viel Strom benötigt würde, ließ J. mit Wissen und Hilfe des Angeklagten zwischen dem außen an der Halle angebrachten Hausanschlußkasten und dem im Inneren montierten Stromzähler eine Leitung abgreifen, so daß der gesamte Stromverbrauch für die Cannabis-Plantage nicht vom Zähler gemessen wurde. Mitte Februar war die Halle in fünf Räume unterteilt und mit Beleuchtungs-, Heiz-, Belüftungs- und Bewässerungssystemen ausgestattet worden. J. brachte ca. 110 Cannabispflanzen in Töpfen in die Halle. Der Angeklagte kümmerte sich nach Anweisung von J., der nur etwa jeden zweiten Tag erschien, täglich um die Versorgung der Pflanzen. Ende Mai 2004 waren diese Pflanzen ausgereift und wurden von J. abgeerntet. Das aus ihnen gewonnene Blüten- und Pflanzenmaterial, rund 8 kg Cannabis, verkaufte J. zum Preis von 1000 EUR pro Kilogramm an einen Dealer in den Niederlanden (Fall 2 der Anklage). Der Angeklagte erhielt neben der Mietzahlung 1000 EUR für seine Mitarbeit.
In der Folgezeit brachte J. eine Vielzahl weiterer Cannabispflanzen in die Halle, um deren Aufzucht sich der Angeklagte wie zuvor kümmerte. Um einer Entdeckung der Cannabis-Plantage vorzubeugen, kamen der Angeklagte und J. überein, daß der Angeklagte die Lagerhalle vom Eigentümer im Wege des Mietkaufs erwerben sollte. Hierfür sagte J. dem Angeklagten monatliche Zahlungen in Höhe von 5000 EUR zu. Die erste Zahlung von 5000 EUR erhielt der Angeklagte Anfang Juli 2004. Am 14. Juli 2004 durchsuchte die Polizei die Halle aufgrund eines Hinweises einer Vertrauensperson und der Angeklagte wurde festgenommen. In der Halle befanden sich 1068 noch nicht erntereife Pflanzen in verschiedenen Wachstumsstadien mit einem Nettogewicht von 90,699 kg und einem Wirkstoffgehalt von 570 g THC. Bei vollständiger Ausreifung aller Pflanzen hätten etwa 90 kg verkaufsfähiges Marihuana mittlerer Qualität gewonnen werden können (Fall 1 der Anklage).
Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hat den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 1 der Anklage nicht geprüft. Ein solches kommt jedoch in Betracht bei unerlaubtem Anbau von Cannabis-Pflanzen in Form der Aufzucht bis in das Stadium, in dem sie eine nicht geringe Menge THC enthalten, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4 m.w.N.).
2. Das Landgericht hat im Fall 2 der Anklage die Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht rechtsfehlerfrei begründet.
a) Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Maßgeblich für die Abgrenzung ist, welcher Art der Tatbeitrag ist und mit welcher Willensrichtung er geleistet wird. Dabei können wesentliche Anhaltspunkte sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft, so daß die Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängt, oder ob nur eine ganz untergeordnete Tätigkeit vorliegt (vgl. BGHSt 34, 124, 125; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 9, 25, 39, 54, 56). An einer Prüfung nach diesen Abgrenzungskriterien fehlt es im angefochtenen Urteil. Sie war hier unverzichtbar, weil angesichts des gewichtigen Tatbeitrags des Angeklagten – Vermietung der Halle, Hilfe beim Umbau, tägliche Versorgung der Pflanzen – und des jedenfalls ab Juli 2004 erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses an der Tat die Annahme von Mittäterschaft nahe lag.
b) Zweifelhaft erscheint ferner die Würdigung des Tatrichters, es sei ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, ein Niederländer namens „J.” sei der eigentliche Betreiber der Anlage gewesen, daß in der Halle eine schriftliche Anleitung zur Aufzucht der Cannabis-Pflanzen in niederländischer Sprache gefunden worden ist. Eine solche Anleitung könnte sich auch der Angeklagte, der acht Jahre lang in den Niederlanden gelebt hat, dort besorgt haben.
3. Im übrigen hat das Landgericht im Fall 2 der Anklage übersehen, daß die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den täterschaftlichen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, welcher den vollen Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG eröffnet, nicht verdrängt (std. Rspr., u. a. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1; BGH, Urteil vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03; Senatsbeschluß vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 451/04). Schließlich liegt auch in diesem Fall tateinheitlich die Entziehung elektrischer Energie vor.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, Rothfuß, RiBGH Appl ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Roggenbuck, Rissing-van Saan
Fundstellen
Haufe-Index 2556547 |
NStZ 2006, 578 |