Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenunterhalt
Leitsatz (amtlich)
a) Eine einstweilige Anordnung zur Unterhaltsregelung wird durch ein Unterhaltsurteil erst außer Kraft gesetzt, wenn dieses rechtskräftig wird.
b) Zur Frage eines Schadensersatzanspruches des Unterhaltsschuldners, wenn dieser aufgrund einer einstweiligen Anordnung Unterhalt gezahlt hat, den er nach einem späteren Urteil nicht geschuldet hat.
Normenkette
ZPO §§ 620, 620f, 641g, 717 Abs. 2, § 945; BGB §§ 812, 818 Abs. 3-4, §§ 819-820; ZPO § 620 Nr. 6, § 620f Abs. 1 S. 1, § 717 Abs. 2 S. 1; BGB § 819 Abs. 1, § 820 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 3. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 1. August 1997 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Hamburg vom 9. Januar 1996 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt seine geschiedene Ehefrau, die Beklagte, auf Rückzahlung überzahlten Trennungsunterhalts in Anspruch.
In Abänderung einer während des Scheidungsverfahrens bereits früher ergangenen einstweiligen Anordnung wurde der Kläger durch Beschluß vom 23. März 1987 unter anderem zur Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhaltes an die Beklagte in Höhe von 879,86 DM verpflichtet. Die Beklagte erwirkte daraufhin am 22. Juni 1987 einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluß.
In dem während des Scheidungsprozesses geführten Verfahren wegen Trennungs- und Kindesunterhalts wurde der Kläger durch vorläufig vollstreckbares Urteil des Familiengerichts vom 17. Juli 1990 unter anderem zur Zahlung von geringerem Trennungsunterhalt verurteilt, als in der einstweiligen Anordnung festgelegt worden war.
Mit Urteil vom 7. April 1993 änderte das Oberlandesgericht das Urteil des Familiengerichts ab, setzte den Trennungsunterhalt weiter herab und versagte ihn ab März 1991 ganz.
Der Kläger hatte bereits aufgrund der früheren einstweiligen Anordnung Unterhalt gezahlt. Zwischen den Parteien ist außer Streit, daß er insgesamt den im Urteil des Familiengerichts vom 17. Juli 1990 ausgeurteilten Unterhalt zahlte, zuletzt von Juni 1990 bis einschließlich März 1993 monatlich 633,03 DM.
Während des Berufungsverfahrens über den Trennungsunterhalt hatte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 6. September 1990 von der Beklagten zunächst die Rückzahlung der von Januar 1987 bis Juni 1990 überzahlten Beträge unter Hinweis darauf gefordert, daß seiner Ansicht nach noch weitere Überzahlungen erfolgt seien.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung des zuviel gezahlten Unterhalts für den Zeitraum von Januar 1987 bis einschließlich März 1993 in Höhe von insgesamt 24.296,09 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat Entreicherung eingewandt. Das Familiengericht hat seiner Klage in Höhe von 15.458,35 DM für den Zeitraum von März 1991 bis einschließlich März 1993 (25 Monate × 633,03 DM = 15.825,75 DM abzüglich einer zur Aufrechnung gestellten Kostenforderung von 367,40 DM) stattgegeben. Im übrigen hat es sie abgewiesen, da der Kläger bis Oktober 1990 in Kenntnis seiner Nichtschuld bezahlt habe und die Beklagte sich im übrigen auf Entreicherung berufen könne.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sie sich mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
Die Parteien streiten in der Revision nur noch um die Überzahlung im Zeitraum von März 1991 bis einschließlich März 1993, in dem der Beklagten laut Urteil des Oberlandesgerichts vom 7. April 1993 kein Trennungsunterhalt mehr zustand.
1. Das Oberlandesgericht hat einen auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Rückzahlungsanspruch des Klägers verneint. Es hat dazu ausgeführt, daß zwar ein Rechtsgrund für die Unterhaltsleistungen nicht mehr bestanden habe und dem Kläger auch nicht der Einwand aus § 814 BGB entgegengehalten werden könne, er habe in Kenntnis seiner Nichtschuld geleistet. Die Beklagte könne sich aber auf Entreicherung berufen, da sie die Überzahlungen für ihren laufenden Lebensunterhalt verbraucht und weder andere Ausgaben erspart noch bleibende Vermögenswerte gebildet habe. Die Voraussetzungen einer verschärften Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB lägen nicht vor, da der Kläger den Rückforderungsanspruch erst im vorliegenden Verfahren rechtshängig gemacht habe, der Beklagten auch angesichts des entgegenstehenden erstinstanzlichen Urteils nicht vorgehalten werden könne, sie habe den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt, und die Leistung auch nicht auf einem Rechtsgeschäft im Sinne des § 820 BGB beruht habe.
Das Oberlandesgericht hat dem Kläger aber einen Schadensersatzanspruch in Höhe der überzahlten Beträge in analoger Anwendung der §§ 641 g, 717 Abs. 2 und 945 ZPO zuerkannt. Diese Regelungen ziehen eine verschuldensunabhängige Haftung im Falle der Vollstreckung aus noch nicht endgültigen, später aufgehobenen Titeln nach sich. Das Oberlandesgericht ist aufgrund der Angaben der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen, daß die Beklagte, die aufgrund der einstweiligen Anordnung vom 23. März 1987 bereits den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erwirkt hatte, die Zwangsvollstreckung aus dieser einstweiligen Anordnung auch nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils des Familiengerichts vom 17. Juli 1990 weiterhin betrieben habe. Denn dieses Urteil habe mangels Rechtskraft noch keine anderweitige, die einstweilige Anordnung verdrängende Regelung im Sinne des § 620 f ZPO dargestellt. Die einstweilige Anordnung habe der Beklagten zudem eine Vollstreckung ermöglicht, die der Kläger, der zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung geleistet habe, nicht durch Sicherheitsleistung gemäß §§ 711, 720 ZPO habe abwenden können, wie es beim vorläufig vollstreckbaren Urteil der Fall gewesen wäre.
Zwar seien die §§ 641 g, 717 Abs. 2, 945 ZPO nicht unmittelbar anwendbar, weil keiner der dort beschriebenen Fälle hier vorliege. Jedoch könne aus dem Umstand, daß die §§ 620 ff. ZPO keine entsprechende Schadensersatzregelung für den Fall einer nachträglich unzutreffenden Vollstreckung enthielten, nicht auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, die Anordnungsgläubiger des § 620 ZPO gegenüber Gläubigern einer einstweiligen Anordnung nach § 641 g ZPO (Zahlung von Kindesunterhalt im Kindschaftsverfahren) oder einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO zu privilegieren. Vielmehr sei von einer Gesetzeslücke auszugehen, die durch eine analoge Anwendung zu schließen sei, weil der Fall, daß eine einstweilige Anordnung in Ehesachen später aufgrund eines Unterhaltsurteils unwirksam werde, den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen vergleichbar sei. Den §§ 641 g und 945 ZPO lägen Vollstreckungstitel zugrunde, die in einem summarischen Eilverfahren ergangen seien. Mit §§ 717 Abs. 2, 302 Abs. 4 und 600 Abs. 2 ZPO habe der vorliegende Fall gemeinsam, daß die Vollstreckbarkeit nur vorläufig sei. In allen diesen Fällen bestehe gleichermaßen das Bedürfnis, dem Schuldner einen späteren Ausgleich zu gewähren, wenn aufgrund eines nur vorläufigen Titels ein in Wahrheit nicht oder nicht in dieser Höhe bestehender Unterhaltsanspruch vollstreckt worden sei.
Dem kann nicht in allen Punkten gefolgt werden.
2. a) Eine bereicherungsrechtliche Haftung der Beklagten hat das Oberlandesgericht allerdings aus zutreffenden Gründen verneint, da sich die Beklagte gemäß § 818 Abs. 3 BGB zu Recht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann. Diese Vorschrift dient dem Schutz des gutgläubig Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im Vertrauen auf das Fortbestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat und daher nicht über den Betrag der bestehengebliebenen Bereicherung hinaus zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll. Bei der Überzahlung von Unterhalt kommt es daher darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seinen Lebensbedarf verbraucht oder sich noch in seinem Vermögen vorhandene Werte – auch in Form anderweitiger Ersparnisse, Anschaffungen oder Tilgung eigener Schulden – verschafft hat (Senatsurteil vom 17. Juni 1992, BGHZ 118, 383, 386 = FamRZ 1992, 1152 m.w.N.). Für den Bereicherten, der den Wegfall der Bereicherung zu beweisen hat, hat die Rechtsprechung hierbei allerdings Beweiserleichterungen geschaffen, wenn aus der Überzahlung in der fraglichen Zeit keine besonderen Rücklagen oder Vermögensvorteile gebildet wurden. Insbesondere bei unteren und mittleren Einkommen spricht dann nach der Lebenserfahrung eine Vermutung dafür, daß das Erhaltene für eine Verbesserung des Lebensstandards ausgegeben wurde, ohne daß der Bereicherte einen besonderen Verwendungsnachweis erbringen müßte (Senat aaO S. 388). Das Oberlandesgericht ist auf der Grundlage der Feststellungen in seinem früheren Trennungsunterhaltsurteil vom 7. April 1993 zu dem Schluß gekommen, daß der Beklagten in der fraglichen Zeit von März 1991 bis März 1993 ein fiktives monatliches Einkommen von rund 2.281 DM zuzurechnen gewesen sei, dem allerdings kein tatsächlicher Geldzufluß in gleicher Höhe entsprochen habe. Die tatsächlich für die Ausgaben des täglichen Lebens zur Verfügung stehenden Mittel hätten ein mittleres Einkommen nicht überstiegen, so daß die Vermutung für einen vollständigen Verbrauch für den Lebensunterhalt spreche.
Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. In dem genannten Trennungsunterhaltsurteil waren der Beklagten ein Wohnwert ihres jetzigen Hauses in Höhe von monatlich 623 DM sowie fiktive Kapitalzinsen von (statt 727 DM richtig) monatlich rund 792 DM und 315 DM zugerechnet worden, die sie aus dem Verkaufserlös des ihr gehörenden Wohnhauses und ihres Anteils an der Gaststätte hätte erzielen können, ferner tatsächliche Einnahmen aus der Vermietung des Dachgeschosses in Höhe von 550 DM monatlich. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingewandt hat, daß das Oberlandesgericht die Einkünfte der Beklagten nicht hinreichend aufgeklärt habe, stehen dem die Ausführungen des Oberlandesgerichts Seite 34 ff. des genannten Urteils entgegen. Auch die Rüge des Klägers, diese Feststellungen seien mangels ordnungsgemäßer Einführung in den Prozeß nicht verwertbar, greift nicht durch, da das Urteil als Anlage K 3 zur Klageschrift vom Kläger selbst in den Prozeß eingeführt worden und Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Die Beklagte hat im übrigen substantiiert vorgetragen, die empfangenen Beträge für den laufenden Lebensunterhalt für sich und die Kinder sowie für Urlaube, insbesondere nach dem Unfalltod eines der Kinder, ausgegeben zu haben. Auch der Annahme des Klägers, die Beklagte hätte – wenn ihr die Unterhaltszahlungen in der fraglichen Zeit nicht zugeflossen wären – auf den Stamm ihres Vermögens zurückgegriffen, hätte also insofern Ersparnisse gemacht, kann nicht gefolgt werden. Immerhin hatte die Beklagte den Großteil ihres Vermögensstammes, nämlich den Erlös aus dem Verkauf ihres früheren Hauses, in einem neuen Eigenheim angelegt, welches ihr und ihren Kindern als neue Familienwohnstatt dienen sollte. Es ist daher nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß sie sich eher in ihrer Lebenshaltung eingeschränkt und Aufwendungen für Urlaube etc. vermieden hätte, als ihr Haus zu verkaufen und die Grundlage ihrer Einkünfte aufzuzehren. Schließlich läßt auch der Umstand, daß die Beklagte in Form des neuen Hauses und eines etwa tatsächlich noch vorhandenen Restkapitals Vermögen hat, noch keinen ausreichenden Rückschluß darauf zu, daß sie sich dieses Vermögen mit Hilfe der in der fraglichen Zeit empfangenen Unterhaltsleistungen verschafft hat.
b) Die Voraussetzungen einer verschärften Haftung der Beklagten nach §§ 818 Abs. 4, 819, 820 Abs. 1 BGB hat das Oberlandesgericht aus zutreffenden Gründen verneint. Weder das Anwaltsschreiben vom 6. September 1990 noch die vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage vermochten die Rechtsfolgen der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 1984 – IVb ZR 7/83 – FamRZ 1984, 767 f.; vom 19. Dezember 1984 BGHZ 93, 183 f. = FamRZ 1985, 368 f.; vom 7. Mai 1986 – IVb ZR 49/85 – FamRZ 1986, 793 f.; und vom 17. Juni 1992 BGHZ 118 aaO 390 f.). Insbesondere kommt auch eine analoge Anwendung des § 820 Abs. 1 BGB auf gerichtlich angeordnete, gesetzliche Unterhaltszahlungen, wie der Kläger in seiner Revisionserwiderung meint, nicht in Betracht. Denn der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, daß § 820 BGB auch auf Unterhaltsvereinbarungen, die den gesetzlichen Unterhaltsanspruch lediglich modifizieren, weder direkt noch entsprechend anwendbar ist (Senatsurteil vom 22. April 1998 – XII ZR 221/96 – FamRZ 1998, 951 f.). Dann kommt eine analoge Anwendung auf Unterhaltstitel über den gesetzlichen Unterhalt wie hier die einstweilige Anordnung erst recht nicht in Frage.
3. Dem Kläger steht aber auch kein Schadensersatzanspruch zu.
a) Soweit der Kläger meint, in erster Linie sei der Schadensersatzanspruch direkt aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet, kann dem nicht gefolgt werden. Der Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO setzt voraus, daß aus dem später abgeänderten vorläufig vollstreckbaren Urteil vollstreckt wurde oder der Schuldner zur Abwendung der drohenden Vollstreckung geleistet hat. Die bloße Erwirkung des Urteils reicht hierzu noch nicht aus, vielmehr muß der Gläubiger hiervon auch Gebrauch machen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1995 – IX ZR 115/94 – NJW 1996, 397 ff.). Hieran fehlt es. Der Kläger hat nicht dargetan, daß sich die Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Familiengerichts über den Trennungsunterhalt habe erteilen und ihm zustellen lassen, und daß er zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung aus diesem Titel gezahlt habe. Die Beklagte hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht unwidersprochen vorgetragen, daß sie auch nach Erlaß des Trennungsunterhaltsurteils die Zwangsvollstreckung weiterhin aus der einstweiligen Anordnung betrieben habe, weil ihr dies eine Vollstreckung ermöglicht habe, die der Kläger nicht durch Sicherheitsleistung gemäß § 711 ZPO habe abwenden können.
Dieser weiteren Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung stand das vorläufig vollstreckbare Urteil des Familiengerichts über den Trennungsunterhalt nicht entgegen. Nach § 620 f Abs. 1 Satz 1 ZPO tritt die einstweilige Anordnung bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung sowie u.a. dann außer Kraft, wenn der Scheidungsantrag rechtskräftig abgewiesen ist. Was unter „Wirksamwerden” bei Urteilen zu verstehen ist, die zur Zahlung von Unterhalt verpflichten, erläutert das Gesetz nicht. Teilweise wird vertreten, daß vorläufig vollstreckbare Urteile schlechthin wirksam sind (so OLG Hamm 6. Familiensenat FamRZ 1984, 718; 11. Familiensenat 1999, 29, 30), teilweise, daß das nur dann der Fall ist, wenn sie uneingeschränkt, d.h. ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind und die Vollstreckung auch nicht nach § 711 ZPO abgewendet werden darf (vgl. Oberlandesgerichte Hamm 2. Familiensenat FamRZ 1980, 708; Frankfurt FamRZ 1982, 410; Hamburg FamRZ 1984, 719 und 1996, 745; differenzierend Oberlandesgerichte Karlsruhe FamRZ 1982, 1221; Düsseldorf FamRZ 1996, 745, 746; Baumbach/Albers ZPO 58. Aufl. § 620 f Rdn. 4; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht 3. Aufl. § 620 f ZPO Rdn. 7; Schwab/Maurer Handbuch des Scheidungsrechts 3. Aufl. I Rdn. 1011 jeweils m.w.N. zum Meinungsstand), teilweise, daß Unterhaltsurteile erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam sind (so insbes. MünchKomm ZPO/Klauser § 620 f Rdn. 17; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 620 f Rdn. 2 a; FamK/Rolland/Roth § 620 f Rdn. 22-24; Zöller/Philippi ZPO 21. Aufl. § 620 f Rdn. 22).
Der Senat hat die Frage für Leistungsurteile bisher offengelassen und nur für Feststellungs- und klagabweisende Urteile entschieden, daß sie erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam werden und eine einstweilige Anordnung außer Kraft setzen können (Senatsurteil vom 7. November 1990 – XII ZR 129/89 – FamRZ 1991, 180 ff.). Im Interesse der einheitlichen Handhabung und der Rechtssicherheit muß der Eintritt der Rechtskraft aber auch für Leistungsurteile gefordert werden. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des § 620 f ZPO, daß einstweilige Anordnungen auch nach Rechtskraft der Scheidung fortgelten sollen, um einen regellosen Zustand für den schutzbedürftigen Unterhaltsgläubiger zu vermeiden, würde unterlaufen, wenn bereits das Bestehen eines nur vorläufigen Titels die einstweilige Anordnung außer Kraft setzen würde, und zwar gleichgültig, ob er eingeschränkt oder uneingeschränkt vorläufig vollstreckbar ist. Denn zum einen kann die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils in der Rechtsmittelinstanz bereits nach §§ 707, 719 oder 718 ZPO beseitigt werden. Zum anderen geht dem Unterhaltsgläubiger das Urteil als Vollstreckungsgrundlage verloren, wenn das Rechtsmittelgericht es aufhebt und die Sache an die Vorinstanz zurückverweist. In beiden Fällen wäre die einstweilige Anordnung als Vollstreckungstitel außer Kraft getreten und könnte von dem Unterhaltsgläubiger auch nicht mehr erwirkt werden, wenn das Scheidungsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist. Als vorläufiger Rechtsschutz bliebe dem Unterhaltsgläubiger nur die lediglich auf Notunterhalt gerichtete einstweilige Verfügung. Auch müßte er Rangnachteile befürchten, wenn ein Drittgläubiger zwischenzeitlich in das Vermögen des Unterhaltsschuldners vollstreckt. Schließlich spricht auch die Parallelregelung des § 641 e ZPO, die in Kindschaftssachen ein Außerkrafttreten einstweiliger Anordnungen nur bei anderweitigen Regelungen zuläßt, die „nicht nur vorläufig vollstreckbar” sind, dafür, daß auch im Rahmen von § 620 f ZPO das Unterhaltsurteil rechtskräftig sein muß. Daß der Gesetzgeber in § 620 f ZPO den Begriff der Wirksamkeit verwendet hat, beruht lediglich darauf, daß einstweilige Anordnungen nach § 620 ZPO nicht nur der Zivilprozeßordnung, sondern auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegende Gegenstände erfassen, bei denen bereits die Bekanntgabe an den Betroffenen zur Wirksamkeit führt (Senatsurteil vom 7. November 1990 aaO S. 182).
b) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts kann dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch analog §§ 641 g, 717 Abs. 2, 945 ZPO zuerkannt werden. Die Frage einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften in Fällen, in denen aufgrund einer einstweiligen Anordnung nach materiellem Recht zuviel Unterhalt geleistet wurde, ist umstritten. Mit dem Oberlandesgericht, das aus diesem Grund die Revision zugelassen hat, vertreten, soweit ersichtlich, auch Olzen (FamRZ 1986, 1169 f.), Ditzen (FamRZ 1988, 349) und Philippi (in Zöller aaO § 620 f Rdn. 25) die Ansicht, daß die §§ 620 ff. ZPO eine Regelungslücke enthalten, die im Analogiewege zu schließen sei (einschränkend Kohler ZZP 1986, 34, 36, 44, 49 und in FamRZ 1988, 1005, 1006 sowie M. Schwab FamRZ 1994, 1567, 1570, die einer bereicherungsrechtlichen Haftung unter großzügigerer Anwendung der haftungsverschärfenden Regeln der §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB den Vorzug geben).
Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1957 zu dem früheren, inzwischen außer Kraft getretenen § 627 b ZPO, der Vorläuferregelung der §§ 620 ff. ZPO, ausgesprochen, daß die Zivilprozeßordnung dem Unterhaltsverpflichteten gegen den Unterhaltsberechtigten, der aus einer einstweiligen Anordnung sachlich ungerechtfertigt vollstreckt hat, mangels einer den §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO entsprechenden Regelung keinen Schadensersatzanspruch gibt. Er bleibt vielmehr auf bürgerlich-rechtliche, insbesondere bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Berechtigten beschränkt (BGHZ 24, 269, 273). Daher wurde ihm entsprechend § 767 ZPO die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckungsgegenklage eingeräumt, da auch zweifelhaft war, ob der Unterhaltsverpflichtete im nachfolgenden Unterhaltsprozeß die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung entsprechend §§ 707, 769 ZPO erreichen konnte. Denn eine dem § 620 e ZPO entsprechende Regelung über die Aussetzung der Vollziehung kannte § 627 b a.F. ZPO nicht.
Zur neuen Rechtslage hat der Senat im Zusammenhang mit den bereicherungsrechtlichen Fragen entschieden, daß die §§ 620 ff. ZPO eine geschlossene Sonderregelung für den einstweiligen Rechtsschutz in Ehesachen enthalten. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber bei der späteren Einführung der §§ 620 ff. ZPO keine dem schon bestehenden § 641 g ZPO in Kindschaftssachen oder dem § 945 ZPO entsprechende Regelung über einen Schadensersatzanspruch geschaffen hat, hat er geschlossen, daß der Gesetzgeber das Risiko des Ehegatten, der eine einstweilige Anordnung erwirkt und aus ihr vollstreckt, bewußt kleinhalten und den einstweiligen Rechtsschutz erleichtern wollte. Auch sollte der Unterhaltsempfänger nicht in jedem Falle gezwungen sein, unter dem Druck etwaiger Rückforderungsansprüche den gezahlten Unterhalt für eine Rückzahlung bereitzuhalten, statt ihn bestimmungsgemäß zu verbrauchen. Diese Absicht des Gesetzgebers würde unterlaufen, und zwar sowohl dann, wenn ein Schadensersatzanspruch in analoger Anwendung der §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO bejaht würde, als auch dann, wenn man eine verschärfte Bereicherungshaftung nach § 818 Abs. 4 BGB schon aufgrund einer rückwirkenden negativen Feststellungsklage gegen die einstweilige Anordnung eintreten ließe (so insbesondere Senatsurteile vom 9. Mai 1984 aaO 769 und vom 19. Dezember 1984 BGHZ 93 aaO 189; vgl. auch Senatsurteile vom 7. Mai 1986 aaO 793 für den Fall der Abänderungsklage gegen ein Unterhaltsurteil; vom 17. Juni 1992 BGHZ 118 aaO 390; vom 22. April 1998 aaO S. 952, 953; und Senatsbeschluß vom 22. März 1989 – IVb ZA 2/89 – FamRZ 1989, 850).
Die Frage einer ungleichen Risikoverteilung zu Lasten des im nachhinein gesehen zu Unrecht in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners hat der Senat verneint. Er hat den Schutz des Unterhaltsschuldners ausreichend dadurch gewährleistet gesehen, daß dieser mit Erhebung der negativen Feststellungsklage den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung verbinden könne (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 1983 – IVb ZR 343/81 – FamRZ 1983, 355, 357), ferner dadurch, daß er alsbald nach der Unterhaltsleistung und ohne Rücksicht auf die vorherige Aufhebung des Titels eine isolierte Klage auf künftige Rückzahlung erheben oder die negative Feststellungsklage bzw. Abänderungsklage mit dieser Rückforderungsklage verbinden könne (§§ 258, 260 ZPO). Möglich ist in diesen Fällen auch die Gewährung der Überzahlung als zins- und tilgungsfreies Darlehen, verbunden mit der Verpflichtung, auf Rückzahlung zu verzichten, falls es beim zugesprochenen Unterhalt bleibt. Der Unterhaltsberechtigte ist nach Treu und Glauben verpflichtet, sich auf eine solche Gestaltung einzulassen (Senatsurteile BGHZ 93 aaO S. 189 und BGHZ 118 aaO 391, 392 sowie Senatsurteil vom 22. April 1998 aaO S. 952).
Diese Auffassung hat in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Zustimmung gefunden (OLG Oldenburg NdsRpfl. 1984, 119, 120; OLG Nürnberg JurBüro 1984, 1097, 1098; Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 58. Aufl. § 620 f Rdn. 7; Musielak/Borth ZPO § 620 b Rdn. 12; Musielak/Lackmann aaO § 717 Rdn. 7; MünchKomm ZPO/Klauser § 620 Rdn. 54; MünchKomm ZPO/Krüger § 717 Rdn. 12; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 717 Rdn. 70; Stein/Jonas/Schlosser aaO § 620 f Rdn. 17; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 620 f Rdn. 2; Zöller/Herget aaO § 717 Rdn. 5; Heiß/Heiß Unterhaltsrecht I 8.3 Rdn. 8; Hassold FamRZ 1981, 1036, 1037).
Eine Abkehr hiervon hält der Senat nicht für gerechtfertigt.
Eine systemwidrige, vom Gesetzgeber unbewußt herbeigeführte Lücke im Gesetz kann nicht angenommen werden. Zwar ist richtig, daß die Gesetzesmaterialien des ersten EheRG zu den §§ 620 ff. ZPO sich zu dieser Problematik nicht äußern (BT-Drucks. 7/650 S. 199 f. und BT-Drucks. 7/4361). Es ist jedoch davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber des ersten EheRG die Fragestellung seit der Entscheidung in BGHZ 24 aaO zum früheren § 627 b ZPO bekannt war, ebenso die im Jahre 1969 eingeführte Schadensersatzpflicht bei einstweiligen Anordnungen im Kindschaftsrecht (§ 641 g ZPO). Gleichwohl ist eine entsprechende Regelung in den §§ 620 ff. ZPO unterblieben. Das Hauptgewicht wurde vielmehr auf die Absicherung des unterhaltsberechtigten Ehegatten und die Vermeidung eines regellosen Zustandes sowohl während als auch nach dem Ehescheidungsverfahren gelegt. In Abweichung vom früheren § 627 Abs. 1 ZPO, nach dem Unterhalt nur für die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung durch einstweilige Anordnung zugesprochen werden konnte, und vom früheren § 627 b Abs. 1 und Abs. 4 ZPO, der zwar eine Unterhaltsregelung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung erlaubte, jedoch auf eine vom Gericht zu bestimmende Frist beschränkte, innerhalb deren der Unterhaltsberechtigte im Falle eines Antrags des Unterhaltsverpflichteten Klage zu erheben hatte, wurde die Geltungsdauer der einstweiligen Anordnung in § 620 f ZPO ausgedehnt und vom Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung abhängig gemacht. Im übrigen sollte sie bei Rücknahme oder Zurückweisung des Scheidungsantrags außer Kraft treten (§ 620 f Abs. 1 Satz 1 ZPO), wobei der Gesetzgeber ausdrücklich auf die entsprechende Regelung des § 641 f ZPO verwiesen hat, ohne zugleich die in § 641 g ZPO für diese Fälle vorgesehene Schadensersatzregelung zu übernehmen (BT-Drucks. 7/650 S. 202).
Auch das Gleichbehandlungsgebot (vgl. dazu Ditzen aaO S. 350) zwingt nicht zu einer Analogie zu § 641 g ZPO. Denn die Situation eines Kindes, das den vermeintlichen Vater während des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens gemäß § 641 d ZPO im Wege einstweiliger Anordnung auf Unterhalt in Anspruch nimmt, ist mit derjenigen eines Ehegatten während des Scheidungsverfahrens nicht ohne weiteres vergleichbar. Stellt sich heraus, daß der in Anspruch Genommene nicht der Vater ist, ist der Unterhaltsanspruch schon dem Grunde nach nicht gegeben. Demgegenüber beruht der Trennungs- und nacheheliche Unterhalt auf der persönlichen Beziehung der Ehegatten und ihrer beiderseitigen nachwirkenden ehelichen Solidarität, ohne daß dem ein solches „Alles oder Nichts-Prinzip” zugrunde liegt. Während für das Verhältnis zwischen Kind und vermeintlichem Vater eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung gerechtfertigt erscheint, ist das Verhältnis der Ehegatten von gegenseitiger Verantwortung geprägt, die sich auch auf die Frage der Risikoverteilung bei der Unterhaltszahlung auswirkt. Wegen dieser Fürsorgepflicht, die in besonderem Maße in der Phase der Trennung und Scheidung besteht, in der sich der sozial schwächere Ehegatte erst in seinen neuen Lebensumständen zurechtfinden muß, ist eine Analogie zu der stringenten Regelung des § 641 g ZPO nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung von Ditzen (aaO S. 350) und Olzen (aaO S. 1175), die das „Mehr an Zugriffsmöglichkeiten” des Unterhaltsgläubigers in Gestalt des summarischen Verfahrens der einstweiligen Anordnung durch ein „Mehr an Schadensersatzhaftung” gegenüber dem Unterhaltsschuldner ausgleichen wollen, ist ein gerechter Interessenausgleich zwischen den Ehegatten durch das bereits genannte Instrumentarium der Bereicherungshaftung und der Rückforderungsmöglichkeiten (siehe oben) in ausreichendem Maße verwirklicht. Zudem findet ein solches – ohnehin in Zweifel zu ziehendes – „Mehr an Zugriffsmöglichkeit” jedenfalls ein ausreichendes Regulativ in der Ausgestaltung des Verfahrens. Zwar soll die einstweilige Anordnung im Scheidungsverfahren dem durch die Trennung bedürftig gewordenen Ehegatten eine rasche und unkomplizierte Sicherstellung seines Lebensunterhalts gewährleisten. Im Unterschied zur einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO, über die auf Widerspruch hin durch Endurteil zu entscheiden ist (§§ 925, 936 ZPO), ist die einstweilige Anordnung im Rechtsmittelwege nicht überprüfbar (§ 620 e Satz 2 ZPO). Sie ist aber auf Antrag des Schuldners jederzeit abänderbar (§ 620 b Abs. 1 ZPO). Auch ist über sie auf Antrag aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu beschließen, wenn sie ohne diese ergangen ist (§ 620 b Abs. 2 ZPO). Ihre Vollziehung kann gemäß § 620 e ZPO ausgesetzt werden. Diese jederzeitige Abänderbarkeit unterscheidet sie auch von den Fällen vorläufig vollstreckbarer Urteile, denen eine entsprechende Korrekturmöglichkeit fehlt.
Zu Recht wird zudem darauf hingewiesen, daß eine analoge Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO, der die verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht immerhin an die Aufhebung einer im Rechtsmittelzug überprüften Entscheidung knüpft, bei der einstweiligen Anordnung nach § 620 ZPO, die keinem Rechtsmittel unterliegt, fehl am Platze wäre. Denn dies würde dazu führen, daß die (abgeänderte) einstweilige Anordnung für sich allein bereits einen Schadensgrund darstellen würde (OLG Oldenburg aaO S. 120). Der Unterhaltsgläubiger müßte, unabhängig davon, ob er den zugesprochenen Unterhalt in berechtigtem Vertrauen auf den zugrundeliegenden Vollstreckungstitel verbraucht hat, in jedem Fall ohne Rücksicht auf Verschulden in voller Höhe Schadensersatz leisten.
Zusammenfassend ergibt sich hiernach im vorliegenden Fall weder ein Bereicherungs- noch ein Schadensersatzanspruch des Klägers, so daß die Klage insgesamt abzuweisen war.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Wagenitz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.10.1999 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556507 |
BGHZ |
BGHZ, 65 |
NJW 2000, 740 |
FamRZ 2000, 751 |
NJW-RR 2000, 667 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 338 |
MDR 2000, 336 |
NJ 2000, 315 |
ZZP 2000, 485 |