Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des Steuerberaters für Vorbereitung der Anmeldung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens bei Anschlußkonkursverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerberater, der die Anmeldung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens vorbereitet und seine Tätigkeit vor der Verfahrenseröffnung beendet hat, ist Vergleichsgläubiger. Sein Vergütungsanspruch gehört in einem Anschlußkonkursverfahren weder zu den Massekosten noch zu den bevorrechtigten Konkursforderungen.
2. Hat der Vergleichsverwalter dem Vergleichsberater die angemessene Vergütung ausbezahlt, so kann diese Zahlung im nachfolgenden Anschlußkonkurs in der Regel weder angefochten noch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt werden.
Normenkette
StBerG § 64; VglO § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1, § 36; KO §§ 58, 61 Nr. 1, § 29
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.03.1987; Aktenzeichen 21 U 336/85) |
LG Gießen (Urteil vom 04.11.1985; Aktenzeichen 4 O 359/85) |
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch.
Im September 1982 beauftragte die Firma J. OHG den Beklagten, das gerichtliche Vergleichsverfahren für sie vorzubereiten. Dazu war der Beklagte vom 21. September bis zum 30. November 1982 für die nunmehrige Gemeinschuldnerin tätig. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1982 beantragte diese die Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Durch Beschluß des Amtsgerichts Friedberg/Hessen vom 1. November 1982 wurde Rechtsanwalt S. zum vorläufigen Vergleichsverwalter bestellt. Am 3. Dezember 1982 stellte der Beklagte der Gemeinschuldnerin für seine Tätigkeit 20.193,10 DM in Rechnung. Das Vergleichsverfahren wurde durch Beschluß vom 14. Dezember 1982 eröffnet und Rechtsanwalt S. zum Vergleichsverwalter bestimmt. Im Beschluß war ein Veräußerungsverbot enthalten. Mit Überweisung vom 2. Februar 1983 zahlte der Vergleichsverwalter den vollen Rechnungsbetrag an den Beklagten aus. Die anderen Gläubiger erhielten nichts. Durch Beschluß vom 3. Juni 1983 (rechtskräftig seit 29. Juni 1983) wurde das Vergleichsverfahren eingestellt, das Anschlußkonkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt.
In dieser Eigenschaft fordert er vom Beklagten den überwiesenen Betrag von 20.193,10 DM nebst Zinsen für die Konkursmasse zurück. Er hält den Beklagten für einen nicht bevorrechtigten Vergleichs- bzw. Konkursgläubiger. Da die ihm gleichberechtigten Gläubiger bisher überhaupt keine Zahlung erhalten hätten, sei der Beklagte um den gesamten Forderungsbetrag ungerechtfertigt bereichert.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält den Bereicherungsanspruch des Klägers für unbegründet. Als Vergleichsberater sei der Beklagte Vergleichsgläubiger im Sinne von § 25 Abs. 1 VerglO gewesen. Durch seine Tätigkeit sei er weder bevorrechtigt im Sinne von § 26 Abs. 1 VerglO, noch könne er sich auf die Vorschrift des § 36 VerglO berufen. Er habe jedoch eine ihn bevorzugende Sondervereinbarung getroffen, die trotz der Vorschrift des § 8 Abs. 3 VerglO wirksam sei. Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 VerglO finde nämlich nur Anwendung, wenn der Vergleich zustandekomme. Daran habe es wegen des Anschlußkonkurses gefehlt.
Darüber hinaus habe der Vergleichsverwalter durch die Auszahlung des Honorars, trotz des bestehenden Veräußerungsverbotes, nicht gegen den Vergleichszweck verstoßen. Seine entsprechende Verfügung sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt wirksam. Die sachgemäße Vorbereitung des Versuchs, den Konkurs durch ein gerichtliches Vergleichsverfahren abzuwenden, liege im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger. Deshalb werde eine dafür geleistete Zahlung von der Rechtsprechung nicht als Benachteiligung der Gläubiger angesehen und könne im Konkurs nicht angefochten werden. Aus den gleichen Gründen könne eine derartige Zahlung auch nicht als rechtsgrundlos im Sinne der §§ 812ff BGB betrachtet werden. Eine ungerechtfertigte Bereicherung liege daher nicht vor.
II. 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Beklagten als Vergleichsgläubiger im Sinne von § 25 VerglO angesehen.
a) Vergleichsgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen ihn haben. Der Beklagte war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom 21. September bis zum 30. November 1982 zur Vorbereitung des Vergleichsantrags tätig. Auch für diejenigen Arbeiten, die er nach dem 1. November 1982 erbracht hat, ist er nicht als sogenannter Neugläubiger anzusehen, dessen (Teil-) Forderung nicht mehr unter einen Vergleich fallen würde; durch die Bestellung eines vorläufigen Vergleichsverwalters wird das Vergleichsverfahren nämlich nicht eröffnet.Es ist vielmehr erst in dem Zeitpunkt eröffnet, in dem der Richter den Eröffnungsbeschluß unterzeichnet (BGHZ 50, 242). Die Eröffnung des sogenannten Vorverfahrens gemäß § 11 VerglO reicht nicht aus (BGH aaO S. 245). Der Eröffnungsbeschluß datiert vom 14. Dezember 1982. Damit wird der Vergütungsanspruch für die gesamte Tätigkeit des Beklagten vom Vergleichsverfahren erfaßt.
b) Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß auf das vorliegende Vertragsverhältnis die einschränkende Vorschrift des § 36 VerglO keine Anwendung findet. Gemäß § 36 Abs. 1 VerglO ist der Gläubiger, dessen Forderung auf einem gegenseitigen Vertrag beruht, nicht Vergleichsgläubiger, wenn zur Zeit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens noch keine Vertragspartei den Vertrag vollständig erfüllt hatte. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte bei der Eröffnung des Vergleichsverfahrens am 14. Dezember 1982 den Vertrag bereits vollständig erfüllt hatte. Als Vergleichsberater mit der Aufgabe, die Vorarbeiten zur Herbeiführung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu leisten, waren die ihm übertragenen Pflichten mit der Eröffnung des Vergleichs erfüllt. Danach hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine weiteren Leistungen im Rahmen des mit ihm geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) mehr erbracht. Wird aber ein Vertrag auch nur seitens einer Partei vollständig erfüllt, so ist die Anwendung von § 36 VerglO ausgeschlossen (Böhle-Stamschräder/Kilger, VerglO 11. Aufl. § 36 Anm. 3).
c) Der Beklagte gehört nicht zur Gruppe der nichtbeteiligten Gläubiger gemäß § 26 VerglO. Ihm steht kein Konkursvorrecht zu, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt.
aa) § 61 Nr. 1 KO bevorrechtigt unter anderem die Forderungen von Personen im Konkurs, welche sich dem Gemeinschuldner für dessen Erwerbsgeschäft zur Leistung von Diensten verdungen haben. Besteht ein solches Konkursvorrecht, so ist der Gläubiger einer derartigen Forderung gemäß § 26 Abs. 1 VerglO nicht Vergleichsgläubiger. Ein Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung gemäß § 61 Nr. 1 KO steht dem Beklagten nicht zu. Voraussetzung wäre das Bestehen eines Dienstverhältnisses, durch das eine persönliche und rechtliche Abhängigkeit vom Dienstherrn begründet wird.
Beides ist bei dem Beklagten aber nicht der Fall. Er war für den Schuldner als Vergleichsberater nicht aufgrund eines Dienstvertrages, sondern eines Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 675 BGB tätig (Vogels/Nölte, VerglO 3. Aufl. 1952 § 26 Nr. V).
bb) Die Tätigkeit des Beklagten ist der eines vorläufigen Vergleichsverwalters nicht gleich, dessen Ansprüche gemäß § 26 Abs. 2 VerglO vom Vergleich nicht betroffen werden. Gemäß § 11 VerglO wird der vorläufige Verwalter vom Gericht bestellt. Er steht nicht in Vertragsbeziehungen zum Vergleichsschuldner. Für ihn gelten sinngemäß die Vorschriften für den Vergleichsverwalter; insbesondere muß es sich bei ihm um eine vom Schuldner unabhängige Person handeln (§§ 11 Abs. 2, 38 VerglO). Seine Vergütung wird durch das Vergleichsgericht festgesetzt (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VerglO). Gemäß § 43 Abs. 5 VerglO ist diese Vergütung nach der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats vom 25. Mai 1960 zu bemessen (BGBl. I S. 329). Der Gesetzgeber hat in § 26 Abs. 2 VerglO die Ansprüche des vorläufigen Verwalters ausdrücklich aus dem Kreis der Vergleichsforderungen herausgenommen. Im Falle des Anschlußkonkurses gehört seine Vergütungsforderung gemäß § 105 VerglO zu den Massekosten im Sinne des § 58 Nrn. 1 und 2 KO.
Dem Vergleichsberater dagegen obliegt die Vergleichsvorbereitung; er wird nicht durch das Gericht bestellt, sondern arbeitet aufgrund privatrechtlicher Abmachung mit dem Vergleichsschuldner. Für seine Tätigkeit hat er Anspruch auf angemessenes Honorar. Besondere Verpflichtungen gegenüber Vergleichsgläubigern obliegen ihm nicht. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, den Vergleichsberater, im Gegensatz zum vorläufigen Vergleichsverwalter, wegen seiner Honorarforderung zu privilegieren. Wird sein Vergütungsanspruch, wie regelmäßig, vor Vergleichseröffnung begründet, so wird er vom Vergleich erfaßt und ist nach Vergleichseröffnung nur noch in Höhe der jeweiligen Vergleichsquote begründet. Im Konkurs gehört der Anspruch weder zu den Massekosten, noch zu den bevorrechtigten Konkursforderungen (Böhle-Stamschräder/Kilger, VerglO 11. Aufl. § 43 Anm. 8; Bley/Mohrbutter, VerglO 4. Aufl. § 26 Rdnr. 84; Vogels/Nölte, VerglO 3. Aufl. 1952 § 26 Anm. V; Landgericht Hildesheim, MDR 1961, 697; Landgericht Detmold, JW 1934, 1596). Gegen einen dadurch drohenden Gebührenausfall kann sich der Vergleichsberater nur durch einen ausreichenden Vorschuß bei Übernahme des Mandats oder durch Besicherung seiner Honorarforderung schützen (Böhle-Stamschräder/Kilger aaO; Vogels/Nölte aaO).
2. Die Zahlung an den Beklagten war nicht rechtsgrundlos. Er hatte die geforderte Vergütung nach der Steuerberatergebührenverordnung berechnet (§ 612 Abs. 2 BGB). Daß die Vergütung unangemessen sei, ist nicht behauptet. Der Vergleichsverwalter konnte die Zahlung leisten (§ 57 Abs. 2 VerglO). Die Anwendung von § 8 VerglO scheidet aus, weil, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ein Vergleich nicht zustandegekommen ist (BGHZ 6, 232, 237). Das gilt auch dann, wenn nach gescheitertem Vergleichsverfahren das Anschlußkonkursverfahren eröffnet wird. Dann sind Ungleichbehandlungen von Gläubigern nach den Regeln des Konkursverfahrens, insbesondere durch Anfechtung, auszugleichen.
3. Das gerichtliche Vergleichsverfahren dient nicht nur dem Interesse des Schuldners oder der Allgemeinheit, den Betrieb zu erhalten, sondern vor allem auch dem Interesse der Gläubiger, die im Konkurs häufig nur in geringerem Maße befriedigt werden können. Insbesondere dieses Interesse der Gläubiger rechtfertigt es, die für einen Vergleich erforderlichen Vorarbeiten einer hierfür geeigneten Person anzuvertrauen. Wählt der Schuldner eine solche Person aus, so kann weder ihre Beauftragung, noch die Bezahlung des vereinbarten Entgelts als Benachteiligung der Gläubiger im Sinne der § 29 ff KO angesehen werden, solange das Entgelt angemessen ist (BGH, Urt. v. 11. Juni 1980 – VIII ZR 62/79, NJW 1980, 1962, 1963 l. Sp.). Da der angemessene Aufwand für einen Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger liegt, entsteht dadurch für diese selbst dann keine zur Anfechtung berechtigende Benachteiligung, wenn der Antrag später abgelehnt und das Anschlußkonkursverfahren eröffnet wird (BGHZ 28, 344, 348). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
4. a) Ohne Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob der Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens vom Beklagten nicht von vornherein als aussichtslos hätte erkannt werden müssen. Dafür hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht genügend vorgetragen, weil er nur den Umfang der Tätigkeit des Beklagten mit Nichtwissen bestritten und die Höhe der Vergütungsforderung als nicht nachprüfbar gerügt hat.
Der Beklagte hatte demgegenüber vorgetragen, der Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens habe zurückgenommen werden müssen, weil entgegen den Erwartungen der zu erzielende Erlös für die Betriebsliegenschaft zur Zahlung der Vergleichsquote nicht ausgereicht habe.
b) Allenfalls dann, wenn eine Handlung des Vergleichsverwalters offensichtlich im Widerspruch zu den Grundsätzen des Vergleichsrechts steht, kann ihre Unwirksamkeit angenommen werden (BGH, Urt. v. 2. Juni 1980 – III ZR 122/78, ZIP 1980, 744, 745). Ein solcher offenbarer Widerspruch liegt hier bei der Zahlung des Vergleichsverwalters an den Beklagten für seine die Gläubiger nicht benachteiligende Tätigkeit nicht vor. Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht auch unter diesem Gesichtspunkt eine rechtliche Grundlage für den Anspruch des Klägers verneint.
Fundstellen