Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer stillschweigenden Eigenschaftszusicherung bei dem Verkauf von Prüfgeräten.
Zur hilfsweisen Geltendmachung eines Wandelungsanspruchs bei einem auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichteten prozessualen Begehren.
Normenkette
BGB §§ 459, 463, 480, 462
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.07.1994) |
LG Darmstadt (Urteil vom 19.01.1993) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter ihrer Zurückweisung im übrigen die Urteile des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1994 und der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 19. Januar 1993 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 170.247,60 US-Dollar – nach ihrer Wahl den Gegenwert in Deutscher Mark – nebst 5% Zinsen seit dem 4. Mai 1990 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des Prüfgerätes Q. MBX 200 Mask Blank Examiner.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte mit der Annahme des oben bezeichneten Gerätes in Verzug ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/20 und die Beklagte zu 19/20.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin bestellte mit Schreiben vom 24. Februar 1988 bei der Beklagten ein ihr von dieser am 7. Juli 1987 angebotenes Prüfgerät MBX 100 für 148.640 US-Dollar zuzüglich 700 US-Dollar Frachtkosten und Mehrwertsteuer, insgesamt 170.247,60 US-Dollar. Da die Beklagte das Gerät MBX 100 nicht mehr bereitstellen konnte, lieferte sie im Einverständnis mit der Klägerin statt dessen zum selben Preis ein Gerät MBX 200, das sie am 16. August 1989 vereinbarungsgemäß unmittelbar bei der Firma T. in der Tschechischen Republik aufstellte, an die die Klägerin das Gerät über die Firma K. Außenhandelszentrum in Prag für 180.000 US-Dollar weiterverkauft hatte. Die Klägerin hat den Kaufpreis einschließlich Frachtkosten und Mehrwertsteuer an die Beklagte gezahlt und ihrerseits den Kaufpreis von der Firma T. erhalten.
Die Prüfgeräte MBX 100 und 200 dienen der Qualitätskontrolle von sogenannten Maskenblanks – polierten Glasplatten, die bei der Herstellung von mikroelektronischen Schaltkreisen Verwendung finden – auf Fehlstellen und Defekte (pinholes) in der Chrombeschichtung der Oberfläche. Hinsichtlich der technischen Leistungsanforderungen enthalten das Angebot der Beklagten unter der Überschrift „description” und die Bestellung der Klägerin übereinstimmend folgenden Wortlaut:
„MBX-100 Mask Blank Examiner. System Includes:
- Substage illumination for pinhole detection
- 0.5 UM detection limit with 95% capture probability
- 4.0 square inches per minute inspection speed – Touch screen for operator inputs
- Printer for hard copy defect reports
- 1000 HZ voice coil driven focus, fully automated
- 100 V, 15 AMP electrical service”.
Nachdem die Parteien die Ersatzlieferung des Modells MBX 200 vereinbart hatten, wies die Beklagte darauf hin, daß keine Genauigkeit von 0,75 um (Mikrometer) oder besser erreicht werde; im übrigen bestand zwischen den Parteien Einigkeit, daß das Modell MBX 200 mindestens dieselben Leistungsanforderungen erfüllen sollte wie das Modell MBX 100. Die Größe der von dem Gerät MBX 200 zu erfassenden Fehlstellen sowie dessen Erfassungswahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit sind auch in einem von der Beklagten verwendeten Werbeprospekt unter dem Stichwort „Performance Specifications” als eines von sieben schlagwortartig hervorgehobenen Merkmalen dieses Modells angegeben.
Am Tag der Installation des Gerätes MBX 200 bei der Firma T., dem 16. August 1989, wurde von Mitarbeitern der Beklagten und der Firma T. ein Endabnahmebericht unterzeichnet, in dem es u.a. heißt:
„Die Anlage läuft z.Z. in Störungsbeseitigungsmodus, da der Monitor-Schirm den Computer im normalen Modus stört. Die Wartung soll so schnell wie möglich durchgeführt werden.”
Zum Zwecke der Beseitigung der Störung wurde bei einem Wartungsdienst im November 1989 durch einen Mitarbeiter der Beklagten die Autofocus-Platte des Gerätes ausgetauscht.
Als Ergebnis einer Funktionsprüfung hielt der Mitarbeiter der Beklagten in seinem Untersuchungsbericht vom 16. November 1989 fest:
- „Auffangwahrscheinlichkeit erreicht keine 95 (weniger als 70% bei Durchschlagstellen, die größer sind als 10 um)
- Es scheint, daß von Zeit zu Zeit ein Mangel an Kommunikation durch den Tastschirm auftritt (während Fehlerprüfung)
…
T.-Kunde fordert, die Anlage in funktionsfähigen Zustand gem. Leistungsverzeichnung zu bringen”.
Am 16. März 1990 führte die Beklagte bei der Firma T. erneut Korrekturen an dem Autofocus-Board des Gerätes durch.
Mit Anwaltsschreiben vom 27. April 1990 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Gerät innerhalb einer Woche zurückzunehmen und Schadensersatz in Höhe des Verkaufspreises von 180.000 US-Dollar zu leisten. Dieses Begehren verfolgt sie mit ihrer der Beklagten am 11. September 1990 zugestellten Klage weiter.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Gerät erfasse weder Defekte ab einer Größe von 0,75 um oder gar 0,5 um noch erreiche es eine Erfassungswahrscheinlichkeit von 95% oder die vereinbarte Erfassungsgeschwindigkeit; die Firma T. verlange deshalb berechtigterweise von ihr die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Beklagte sei ihr zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie diese Eigenschaften zugesichert habe. Die Beklagte hat sowohl das Vorliegen einer Zusicherung als auch das Fehlen der Eigenschaften im Zeitpunkt der Übergabe bestritten und sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 180.000 US-Dollar nebst 5% Zinsen seit dem 4. Mai 1990 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des Prüfgerätes Q. MBX 200 Mask Blank Examiner, so wie festgestellt, daß die Beklagte mit der Annahme des Gerätes in Verzug ist. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Beklagte sei gemäß § 463 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil der verkauften Sache zur Zeit des Kaufabschlusses eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt habe. Die stillschweigende Zusicherung der vereinbarten Leistungsdaten im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere dem hier gegebenen Vertrauen des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers. Das Gerät habe bestimmungsgemäß bei einem Kunden der Klägerin Verwendung finden sollen, der erst durch die Herstellung der Betriebsbereitschaft seitens der Beklagten habe in die Lage versetzt werden sollen, damit umzugehen. Wie der vom Landgericht beauftragte Sachverständige in seinem überzeugenden Gutachten ausgeführt habe, handele es sich um zugesicherte Leistungsdaten. Auf diese werde auch in den Prospekten der Beklagten hingewiesen.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen habe das Gerät die geforderten Leistungsdaten im Zeitpunkt der Begutachtung im März 1992 nicht erreicht; eine erneute Inbetriebnahme nach einer Abkühlungsphase sei überhaupt nicht möglich gewesen. Ursache dafür seien jedenfalls nicht allein eine ungenügende Qualität des Aufstellraumes und eine Verschmutzung des Gerätes, sondern andere Ursachen, wie sie der Sachverständige aufgezeigt und die Beklagte zu vertreten habe. Aus den Umständen sei auch ein Rückschluß von den Feststellungen im März 1992 auf die Zeit des Kaufs möglich.
Bereits nach dem Endabnahmebericht vom 16. August 1989 sei das Gerät im Störungsbeseitigungsmodus gelaufen, die vertragsgemäße Leistung also noch nicht erreicht gewesen. Daran habe sich in der Folgezeit nichts geändert, wie sich aus einem Schreiben der Klägerin vom 30. Oktober 1989 („Anlage außer Betrieb”) und dem Bericht des Monteurs der Beklagten vom 16. November 1989 ergebe.
Schließlich sei der Schadensersatzanspruch der Klägerin auch nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist des § 477 BGB mangels Ablieferung der Kaufsache nicht in Lauf gesetzt worden sei. Voraussetzung für eine Ablieferung im Sinne von § 477 BGB sei hier – wie bei einer EDV-Anlage – über die Aufstellung und Montage des Gerätes hinaus wegen dessen technischer Besonderheiten und Anforderungen der Ablauf einer für die Betriebsbereitschaft erforderlichen Einarbeitungsphase. Das Gerät habe jedoch weder in einer angemessenen Erprobungsphase noch danach die vertragsgemäß vorausgesetzte Leistung erreicht.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem Punkt nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt eine Eigenschaftszusicherung durch die Beklagte nicht vor.
1. Ob die Erklärung einer Partei als Zusicherung im Sinne der §§ 459 Abs. 2, 480 Abs. 2 BGB zu werten ist, ist zwar in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Würdigung (BGHZ 128, 111, 114; Senatsurteil vom 13. Dezember 1995 – VIII ZR 328/94 = ZIP 1996, 279 unter 11 1). Mit seiner Auslegung der Vertragserklärungen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) hat das Berufungsgericht aber die Grenzen überschritten, die dem tatrichterlichen Ermessen durch die vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil vom 13. Dezember 1995 a.a.O. unter II 2) aufgestellten strengen Voraussetzungen für die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung gezogen sind.
2. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, daß aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen. Der Senat hat immer wieder hervorgehoben, daß bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung Zurückhaltung geboten ist, dies vor allem dann, wenn die Erklärung des Verkäufers, aus der eine Zusicherung hergeleitet werden soll, zugleich der Bezeichnung der Kaufsache dient. Insbesondere beim Verkauf neu hergestellter beweglicher Sachen ist die Annahme einer stillschweigenden Zusicherung grundsätzlich die Ausnahme, die der besonderen Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls bedarf (BGHZ 128, 111, 114; Urteil vom 13. Dezember 1995 a.a.O. unter II 2 a jeweils m.w.Nachw.).
a) Danach genügen die Leistungsangaben in dem Angebot der Beklagten vom 7. Juli 1987 und in der entsprechenden Bestellung der Klägerin vom 24. Februar 1988 für die Annahme einer Zusicherung nicht; diese schriftlichen Erklärungen der Parteien enthalten übereinstimmend eine bloße Beschreibung („Description: System Includes …”) des Gerätes MBX 100. Bei den hier streitigen Daten zur Erfassungsgrenze, -wahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit handelt es sich um drei von insgesamt acht Angaben zur technischen Ausstattung und Leistungsfähigkeit des Gerätes, die dem Inhalt von DIN-Normen vergleichbar sind. Sie dienen ebenso wie die Bezugnahme auf DIN-Normen (BGHZ 59, 303, 308 f; Senatsurteile vom 25. September 1968 – VIII ZR 108/66 = WM 1968, 1249 = NJW 1968, 2238 unter II 2; vom 25. Februar 1981 – VIII ZR 35/80 = WM 1981, 558 = NJW 1981, 1501 unter II 1 a m.w.Nachw.; vom 13. Dezember 1995 a.a.O. unter II 2 b aa) der Festlegung der von dem Verkäufer geschuldeten Beschaffenheit des Kaufgegenstandes, lassen aber keine Anhaltspunkte erkennen, aufgrund derer die Klägerin hätte annehmen dürfen, daß die Beklagte für das Vorhandensein dieser Leistungsdaten in gesteigertem Maße einstehen wollte.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich eine Zusicherung auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere dem besonderen Vertrauen des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 59, 158, 160 f; Urteil vom 16. Januar 1985 – VIII ZR 54/84 = WM 1985, 321 unter II 1; Urteil vom 10. Juli 1991 – VIII ZR 224/90 = WM 1991, 1722 = NJW-RR 1991, 1401 unter II 1) muß sich zwar die Wertung des Verkäuferverhaltens nach dem Empfängerhorizont auf alle Umstände, die zum Vertragsschluß geführt haben, gegebenenfalls auch auf eine Verkehrssitte, erstrecken mit der Folge, daß auch das Vertrauen, das der Käufer dem Verkäufer – etwa wegen dessen Sachkunde – entgegenbringen darf, zu berücksichtigen ist. Das Berufungsgericht hat jedoch tatsächliche Feststellungen weder zu dem Bestehen einer Verkehrssitte noch zu sonstigen Umständen getroffen, die die Annahme begründen könnten, die Klägerin habe auf eine besondere Sachkunde der Beklagten vertrauen dürfen und tatsächlich vertraut.
Daß das Gerät bei einem Kunden der Klägerin Verwendung finden sollte, der erst durch die Herstellung der Betriebsbereitschaft in die Lage versetzt werden sollte, damit bestimmungsgemäß umzugehen, ist beim Verkauf an einen Zwischenhändler eine Selbstverständlichkeit, die ein besonderes Vertrauen des Käufers in die Sachkunde des Verkäufers weder nahelegt noch rechtfertigt.
Die Feststellung des Sachverständigen, drei der insgesamt fünf an ihn gerichteten Beweisfragen bezögen sich auf die im Angebot und in den Datenblättern der Beklagten „zugesicherten” Leistungsdaten des Geräts MBX 200, läßt nicht erkennen, daß er damit das Bestehen einer Verkehrssitte oder eines Handelsbrauchs bekunden wollte, nach denen in den betroffenen Verkehrskreisen die Angaben zur Leistungsfähigkeit der Prüfgeräte regelmäßig als „zugesichert” angesehen werden. Eine rechtliche Qualifikation der Angabe der Leistungsdaten als Zusicherung ist zudem, wie die Revision zu Recht rügt, nicht Aufgabe des Sachverständigen.
Der von der Beklagten verwendete Werbeprospekt für das Gerät MBX 200 enthält ebenso wie deren Angebot vom 7. Juli 1987 eine bloße Beschreibung des Geräts, in der neben sechs weiteren Merkmalen die hier streitigen „Performance Specifications” aufgeführt werden. Ein besonderes Vertrauen in die Sachkunde der Beklagten oder die Annahme, die Beklagte wolle für das Vorliegen dieser Merkmale in jeder Hinsicht einstehen, werden dadurch ebenfalls nicht begründet.
III. Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Da weitere tatsächliche Feststellungen zu einer Eigenschaftszusicherung nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), daß der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 180.000 US-Dollar gemäß § 480 Abs. 2 BGB nicht zusteht.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich aber aus anderen Gründen teilweise als richtig dar (§ 563 ZPO). 1. Die Klägerin hat Anspruch auf Wandelung des Kaufvertrages mit der Beklagten und Rückzahlung des von ihr an die Beklagte gezahlten Kaufpreises einschließlich Frachtkosten und Mehrwertsteuer in Höhe von 170.247,60 US-Dollar gemäß den §§ 462, 459 Abs. 1, 467 Satz 1, 346 Satz 1, 467 Satz 2 BGB.
a) Eine Auslegung des dem Wortlaut nach auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichteten prozessualen Begehrens der Klägerin ergibt, daß sie hilfsweise auch den Wandelungsanspruch für den Fall geltend macht, daß das Gericht die Voraussetzungen der §§ 480 Abs. 2, 459 Abs. 2 BGB verneint. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, weil es um Prozeßerklärungen geht (BGHZ 115, 268, 290; Urteil vom 9. Mai 1990 – VIII ZR 237/89 = NJW 1990, 2683 = WM 1990, 1748 unter II).
Das Vorbringen einer Partei ist so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht. Im Zweifel ist hiernach davon auszugehen, daß die klagende Partei sich auf alle nach ihrem Tatsachenvortrag in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte stützen will, die geeignet sind, ihrem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen (BGHZ 115, 286, 290; Urteil vom 9. Mai 1990 a.a.O.). Die Klägerin hat ihren gesamten Nichterfüllungsschaden Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache („großen Schadensersatz”) verlangt, also mit dem Schadensersatz zugleich die tatsächliche Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß die Partei unter der Bedingung, daß ihr Hauptantrag auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung abgewiesen wird, es also auf den rechtlichen Fortbestand eines wirksamen Kaufvertrags für sie nicht mehr ankommt, hilfsweise zumindest die Wandelung des Kaufvertrags beansprucht (Senatsurteil vom 23. Mai 1984 – VIII ZR 32/83 = WM 1984, 1098 unter II 1 c).
b) Das verkaufte Prüfgerät war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. seiner Anlieferung und Installation durch die Beklagte bei der Firma T. am 16. August 1989, im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB mit einem Fehler behaftet, weil es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die von der Beklagten gemäß ihrem Angebot vom 7. Juli 1987 und der entsprechenden Bestellung der Klägerin vom 24. Februar 1988 geschuldete Beschaffenheit (siehe oben II 2 a) hinsichtlich der Größe der zu erfassenden Fehlstellen, der Erfassungswahrscheinlichkeit und der Erfassungsgeschwindigkeit aufwies.
Daß das Gerät die vereinbarten Leistungsmerkmale jedenfalls im Zeitpunkt seiner Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen im März 1992 nicht erreichte und schließlich sogar total ausfiel, wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Entgegen der Ansicht der Revision läßt auch der vom Berufungsgericht unter Berücksichtigung der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen, des Endabnahmeberichts vom 16. August 1989 und des Untersuchungsberichts vom 16. November 1989 vorgenommene Rückschluß von dem Zeitpunkt der Begutachtung im März 1992 auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs im August 1989 Rechtsfehler nicht erkennen und ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Revision weist zwar zu Recht darauf hin, daß der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten nur eine – möglicherweise erst nach Übergabe eingetretene – Verschmutzung und mangelhafte Justierung als Ursachen für die im März 1992 festgestellten Fehler und den Totalausfall des Gerätes genannt hat. Andere, vom Berufungsgericht als entscheidend angesehene Ursachen hat der Sachverständige jedoch bei seiner mündlichen Anhörung insofern aufgezeigt, als er erklärt hat, es sei verhältnismäßig unwahrscheinlich, daß ausschließlich die Verschmutzung des Gerätes den vollständigen Ausfall verursacht habe, nachdem das Gerät bei Beginn der Untersuchung zumindest vom Ablauf her einigermaßen vernünftig gearbeitet habe. Die Auffassung der Revision, diese Aussage beziehe sich nur auf den vollständigen Ausfall des Gerätes, sei aber für die Frage, ob und warum das Gerät die geforderten Leistungsdaten nicht erreicht habe, irrelevant, geht fehl, weil der Totalausfall des Gerätes die größtmögliche nachteilige Abweichung von den vereinbarten Leistungswerten darstellt.
Entgegen der Ansicht der Revision durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten auch berücksichtigen, daß nach dem Endabnahmebericht vom 16. August 1989 das Gerät bei Übergabe nur im Störungsbeseitigungsmodus lief. Denn selbst wenn es in diesem Zeitpunkt im Störungsbeseitigungsmodus die vereinbarten Leistungswerte erreichte, wie die Revision geltend macht, ergibt sich aus dem Bericht, daß im normalen Modus der Monitor-Schirm den Computer störte, das Gerät die geforderte Leistung also nicht fehlerfrei erbrachte.
Die Würdigung des Berufungsgerichts erscheint deshalb insgesamt zumindest nachvollziehbar und vertretbar und ist somit für das Revisionsgericht bindend.
c) Der Wandelungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten von einem Beginn des Laufs der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 477 BGB zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem Zeitpunkt der Lieferung und Installation des Prüfgerätes am 16. August 1989, ausgeht, war die Verjährungsfrist jedenfalls von diesem Tag an analog § 639 Abs. 2 2. Alternative BGB sogleich zumindest bis zum 16. März 1990 mit der Folge gehemmt, daß die Verjährung durch die der Beklagten am 11. September 1990 zugestellte Klage rechtzeitig unterbrochen worden ist (§ 209 Abs. 1 BGB).
§ 639 Abs. 2 BGB findet nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom B. Februar 1984 – VIII ZR 295/82 = WM 1984, 479 unter 2 a; vom 6. Juni 1984 – VIII ZR 83/83 = WM 1984, 1092 unter II 4 b; vom 8. Juli 1987 – VIII ZR 274/86 = WM 1987, 1200 unter II 2 a; vom 19. Februar 1992 – VIII ZR 65/91 = WM 1992, 661 unter 2 b) im Kaufrecht entsprechende Anwendung, wenn sich der Verkäufer – und sei es auch nur freiwillig – der Nachbesserung unterzieht. Nach dem Endabnahmebericht vom 16. August 1989 sollte die bei der Übergabe festgestellte Störung von der Beklagten alsbald beseitigt werden. Damit war gemäß § 639 Abs. 2 2. Alternative BGB der Lauf der Verjährungsfrist vom Tag der Übergabe an solange gehemmt, bis die Beklagte der Klägerin gegenüber den Mangel für beseitigt erklärte oder die Fortsetzung der Beseitigung verweigerte.
Zwar teilte die Klägerin der Beklagten unstreitig mit Schreiben vom 30. August 1989 mit, nach ihren Informationen solle die Anlage MBX 200 bei ihrem Kunden jetzt einwandfrei arbeiten. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, die für die Voraussetzungen der Beendigung der Hemmung darlegungs- und beweispflichtig ist (Urteil vom 8. Februar 1984 a.a.O.), wurden jedoch die Reparaturarbeiten zur Beseitigung des bei der Übergabe festgestellten Fehlers am Tast-Monitor durch Austausch der sogenannten Autofocus-Platte erst im November 1989 vorgenommen. Als Ergebnis der anläßlich dieser Arbeiten vorgenommenen Funktionsprüfung hielt der betreffende Mitarbeiter in seinem Bericht vom 16. November 1989 fest, die vereinbarten Leistungsdaten würden nicht erreicht, es scheine, daß von Zeit zu Zeit ein Mangel der Kommunikation durch den Tastschirm auftrete, und der Kunde wünsche eine Beseitigung dieses Mangels. Daß die Beklagte dennoch der Klägerin gegenüber den bei der Installation des Gerätes aufgetretenen Fehler für beseitigt erklärt oder die Fortsetzung der Mangelbeseitigung verweigert hätte, hat sie nicht vorgetragen. Vielmehr ließ sie nach ihren eigenen Angaben am 16. März 1990 erneut Korrekturen an dem sogenannten Autofocus-Board vornehmen. Danach war die Hemmung der Verjährung frühestens am 16. März 1990 beendet, so daß die Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor Mitte September 1990 abgelaufen war.
d) Die Klägerin kann deshalb gemäß § 462 BGB Wandelung des Kaufvertrags und gemäß §§ 467 Satz 1, 346 Satz 1 BGB Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises von 148.640 US-Dollar nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 169.449,60 US-Dollar verlangen. Die Frachtkosten von 700 US-Dollar nebst Mehrwertsteuer, insgesamt 798 US-Dollar, sind der Klägerin von der Beklagten als Vertragskosten gemäß § 467 Satz 2 BGB (BGHZ 87, 104, 108) zu ersetzen. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 352 Abs. 1 Satz 1 HGB.
2. Verzug der Beklagten mit der Annahme des Gerätes MBX 200 ist gemäß §§ 293, 295 Satz 1 2. Alternative BGB durch das Schreiben der Klägerin vom 27. April 1990 auch dann eingetreten, wenn, wie die Revision geltend macht, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen der Klägerin und der Firma T. noch nicht erfolgt ist. Denn die Klägerin ist zur Rückgabe des Gerätes auch in diesem Fall nicht unvermögend (§ 297 BGB), weil sie nach den – von der Revision nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts dem ernsthaften Wandelungsbegehren ihrer Kundin ausgesetzt ist, dem sie jederzeit gemäß § 465 BGB mit der Folge zustimmen kann, daß sie einen Rückgabeanspruch erwirbt.
Fundstellen
Haufe-Index 749242 |
BB 1996, 871 |
NJW 1996, 1962 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 711 |