Leitsatz (amtlich)
Erklären die Verkäufer, zur Eigentumswohnung gehöre ein Hobbyraum, ist das verkaufte Wohnungseigentum mit einem Rechtsmangel behaftet, wenn dieser Raum zwar tatsächlich benutzbar ist, daran aber weder Sondereigentum noch ein Sondernutzungsrecht besteht.
Normenkette
BGB § 434
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 01.12.1995; Aktenzeichen 13 U 6021/95) |
LG Berlin (Urteil vom 08.06.1995; Aktenzeichen 31 O 120/95) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 1. Dezember 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. März/8. Juli 1993 kauften die Kläger unter Gewährleistungsausschluß von den Beklagten eine Eigentumswohnung in Berlin für 590.000 DM. Der über dieser Dachgeschoßwohnung liegende „Spitzboden” mit einer Grundfläche von etwa 70 qm ist nur über eine Treppe aus der erworbenen Wohnung zugänglich; er gehört zum Gemeinschaftseigentum.
Die Kläger verlangen Schadensersatz in Höhe von 140.000 DM, weil ihnen der Dachraum als mit zum Sondereigentum (Wohnung) gehörend verkauft worden sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB, weil weder die Zusicherung des Sondereigentums am Dachraum noch eine arglistige Täuschung darüber schlüssig vorgetragen sei. Ein etwaiger Hinweis auf die Zugehörigkeit des Spitzbodens zur Wohnung betreffe nur die Frage seiner Nutzung, die den Klägern tatsächlich möglich sei.
Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Erfolg.
II.
1. Entgegen der Auffassung der Revision bietet der Klagevortrag allerdings keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch nach den §§ 440 Abs. 1, 325 BGB wegen des fehlenden Sondereigentums an dem Spitzboden. Nach dem Inhalt des notariellen Kaufvertrages waren die Beklagten nicht verpflichtet, den Klägern das Sondereigentum an dem über ihrer Wohnung gelegenen Dachraum zu verschaffen.
a) Kaufgegenstand war nach dem im Vertrag erklärten Willen der Parteien ein 208,23/10.000 Miteigentumsanteil an dem näher bezeichneten Grundstück verbunden mit der im Aufteilungsplan mit Nr. 127 bezeichneten Wohnung. Diese Angaben beinhalten eine hinreichend genaue Bezeichnung der Kaufsache (vgl. BGH, Urt. v. 4. März 1994, V ZR 241/92, NJW 1994, 1347). Zu deren näherer Beschreibung nimmt der Vertrag auf den Inhalt der (nicht mitbeurkundeten) Teilungserklärung Bezug. Das ist im Hinblick auf § 10 Abs. 2 WEG unbedenklich, wenn das verkaufte Wohnungseigentum – wie hier – bereits im Grundbuch gebildet ist (BGH, Urt. v. 23. Februar 1979, V ZR 99/77, NJW 1979, 1495). In der Teilungserklärung vom 15. Dezember 1982 wird die – seinerzeit in der Planung befindliche – Wohnung Nr. 127 mit einer Nutzfläche von 132,10 qm angegeben. Von der Revision wird nicht in Zweifel gezogen, daß sich diese Größenangabe ausschließlich auf den zu Wohnzwecken bestimmten Teil bezieht und den darüber gelegenen Dachraum nicht umfaßt. Daß dieser Sondereigentum und Bestandteil der Wohnung Nr. 127 werden sollte, läßt sich der Teilungserklärung nicht entnehmen.
Diese bestimmt vielmehr in § 3 (letzter Satz) ausdrücklich, daß alles das, was sich außerhalb der Sondereigentumsräume befindet, Gemeinschaftseigentum ist (vgl. § 1 Abs. 5 WEG; BGHZ 109, 179, 184; Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 118/94, NJW 1995, 2851, 2853 m.w.N.).
b) Eine Zuordnung zum Sondereigentum folgt auch nicht daraus, daß die Wohnungseigentümer der geplanten Dachwohnungen einschließlich der Wohnung Nr. 127 berechtigt sein sollten, ohne weitere Zustimmung Räume ihres Sondereigentums auszubauen bzw. das Dach zu verändern (z. B. Einbau von Dachgauben, Anlegen von Terrassen- Brüstungsgeländern, Oberlichten). Es kann dahinstehen, ob hiermit überhaupt ein Recht zum Ausbau des Spitzbodens eingeräumt worden ist oder ob die Berechtigung zu baulichen Veränderungen nicht auf die Räume des Sondereigentums und das daran angrenzende Dach beschränkt war. Jedenfalls kann durch bauliche Maßnahmen der Umfang des Sondereigentums nicht auf andere Gebäudeteile erweitert werden.
c) Entgegen der Meinung der Revision war der Wille der Parteienbei Abschluß des Vertrages – abweichend vom Vertragswortlaut – auch nicht übereinstimmend darauf gerichtet, Sondereigentum an dem über der Wohnung gelegenen Spitzboden zu übertragen. Auf die Frage, ob die Kläger aufgrund der Angaben im Maklerexpose und der Erklärungen der Beklagten davon ausgegangen sind, Kaufgegenstand sei auch das Sondereigentum an dem Dachraum, kommt es nicht an. Die einseitige Vorstellung einer Vertragspartei ist für die Bestimmung des Vertragsinhalts nur dann von Bedeutung, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in Kenntnis dessen Willens den Vertrag schließt (BGH, Urt. v. 13. Februar 1989, II ZR 179/88, BGHR BGB § 133 – Wille 6 m.w.N.). Daß die Beklagten einen etwaigen Irrtum der Kläger über den Umfang des Sondereigentums erkannt hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird auch von der Revision, die lediglich auf die Vorstellungen der Kläger abstellt, nicht geltend gemacht.
d) Auch die Erklärungen, die nach Behauptung der Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages abgegeben wurden, lassen nicht darauf schließen, daß Sondereigentum am Spitzboden übertragen werden sollte. Rechtsfehler frei hat das Berufungsgericht die (behaupteten) Äußerungen, zur Wohnung gehöre ein Hobbyraum von 70 qm, als Hinweis zur möglichen Nutzung und nicht als Erläuterung der Eigentumsverhältnisse gewertet. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die tatrichterliche Auslegung insoweit weder gegen die Grundsätze der §§ 133, 157 BGB noch gegen Denkgesetze. Unstreitig haben die Beklagten bezüglich des Spitzbodens weder von Eigentum noch von Wohnungs- oder Sondereigentum gesprochen. Den Belangen des Wohnungseigentümers, den Raum als „zur Wohnung gehörend” nutzen zu dürfen, kann entgegen der Meinung der Revision außer durch Einräumung des (Sonder-)Eigentums auch dadurch Rechnung getragen werden, daß ihm durch die Wohnungseigentümer der (alleinige) Gebrauch an diesem gemeinschaftlichen Eigentum überlassen wird. Derartige Gebrauchsregelungen entsprechen gängiger Praxis.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß die angebliche Zugehörigkeit des Spitzbodens (als „Hobbyraum”) zur Wohnung nicht nur die tatsächliche Möglichkeit, sondern auch das Recht zur alleinigen Nutzung dieses Dachraums voraussetzt. Es berücksichtigt nicht hinreichend den Wortlaut dieser Erklärung der Beklagten und verletzt den Grundsatz einer möglichst nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BGH, Urt. v. 7. Juni 1991, V ZR 175/90, NJW 1991, 2488, 2489).
Haben die Beklagten erklärt, zur Wohnung gehöre ein Hobbyraum, ist das verkaufte Wohnungseigentum im Hinblick darauf, daß an diesem Raum weder Sondereigentum noch ein (Sonder)Nutzungsrecht (vgl. § 15 Abs. 1 WEG; BayObLG, WuM 1989, 262; Weitnauer/Lüke, WEG 8. Aufl. § 15 Rdn. 25 ff) besteht, mit einem Rechtsmangel (§§ 434, 437 BGB) behaftet, der nicht vom vereinbarten Gewährleistungsausschluß erfaßt ist und deshalb grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch begründet (§§ 440 Abs. 1, 325 BGB).
3. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden. Es bedarf der Zurückverweisung, weil das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht geprüft hat, ob der Makler, der als Vertreter der Kläger (§ 166 Abs. 1 BGB) handelte, wußte, daß die Nutzung des Spitzbodens nicht durch ein (Sonder-)Nutzungsrecht gesichert war. Sollte die Beweisaufnahme die behauptete Kenntnis bestätigen, hätten die Beklagten den Mangel im Rechte nicht zu vertreten (§ 439 Abs. 1 BGB).
4. Sollte das weitere Verfahren ergeben, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, müßten auch Feststellungen zur Höhe des Schadens getroffen werden, auf die es bisher nach dem Standpunkt des Berufungsgerichts nicht ankam. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß der wegen des nicht bestehenden (Sonder)Nutzungsrechts (gegebenenfalls) zu ersetzende Schaden nicht identisch ist mit der Wertdifferenz zu der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit, die bei fehlendem Sondereigentum anzunehmen wäre.
Unterschriften
H, V, W, Sch, K
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.02.1997 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512682 |
NJW 1997, 1778 |
NWB 1997, 1361 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 538 |