Leitsatz (amtlich)
a) Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Bestätigung der ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 17.2.2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rz. 23; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rz. 16).
b) Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB jedenfalls in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.
Normenkette
BGB § 323 Abs. 5 S. 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen 4 U 149/12) |
LG Stuttgart (Entscheidung vom 16.08.2012; Aktenzeichen 10 O 223/10) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 20.3.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen. Der Kläger kaufte von der Beklagten, einem Autohaus, einen Pkw K. zum Preis von 29.953 EUR. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 18.9.2009 übergeben. In der Folgezeit machte er mehrere Mängel des Fahrzeugs, u.a. eine Mangelhaftigkeit der Einparkhilfe (Fehler der akustischen Warnfunktion aufgrund falschen Einbaus der Sensoren sowie Fehlen einer zusätzlichen optischen Warnfunktion), geltend und suchte deshalb wiederholt das Autohaus der Beklagten und die Werkstatt eines anderen Autohauses auf. Mit als "letzter Nachbesserungsversuch" überschriebenem Schreiben vom 4.12.2009 rügte der Kläger insgesamt neun Mängel, darunter die oben genannte Mangelhaftigkeit der Einparkhilfe, und setzte der Beklagten - erfolglos - eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 11.1.2010. Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik, erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 29.9.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Rz. 2
Der Kläger hat zuletzt die Zahlung von 27.257,23 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs begehrt. Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 5
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises gem. §§ 346 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2, 440 BGB nicht zu. Das LG sei aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des von ihm beauftragten Sachverständigen zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Beklagten verkaufte Pkw den überwiegenden Teil der vom Kläger behaupteten Sachmängel nicht aufweise. Das Fahrzeug sei allerdings, was zwischen den Parteien inzwischen außer Streit stehe, insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Kläger habe darüber hinaus vorgetragen, er habe auf Anraten der Beklagten das Fahrzeug mit einer Einparkhilfe bestellt, die zusätzlich zur akustischen Warnfunktion über eine optische Anzeige verfüge. Nach dem Vortrag des Klägers sei mithin eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend getroffen worden, dass ein Fahrzeug geliefert werden solle, das mit einer Einparkhilfe ausgestattet sei, welche sowohl über eine optische als auch über eine akustische Warnfunktion verfüge. Entgegen der Behauptung der Beklagten ergebe sich nicht bereits aus dem Bestellformular, dass eine Einparkhilfe ohne optische Warnfunktion bestellt worden sei. In dem Bestellformular sei als zusätzliche Ausstattung lediglich eine Einparkhilfe erwähnt, ohne dass diese jedoch näher beschrieben werde.
Rz. 6
Der Kläger habe der Beklagten erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt (§ 323 Abs. 1 BGB). Mit Schreiben vom 4.12.2009, welches als "letzter Nachbesserungsversuch" überschrieben sei, habe er insgesamt neun Mängel, u.a. einen falschen Einbau und eine Fehlfunktion der Einparkhilfe, bei der es deshalb akustische Fehlermeldungen gebe, sowie das Fehlen der optischen Warnfunktion der Einparkhilfe, gerügt. Die Beklagte sei der Aufforderung zur Mangelbeseitigung unstreitig nicht binnen der ihr vom Kläger bis zum 11.1.2010 gesetzten Frist nachgekommen.
Rz. 7
Der Rücktritt sei jedoch gem. §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich, der Mangel also geringfügig sei. Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sei, erfordere grundsätzlich eine umfassende Interessenabwägung, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankomme. Ein - wie hier - behebbarer Mangel sei grundsätzlich unerheblich, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis gering seien. Bei welchem Prozentsatz die Geringfügigkeitsgrenze überschritten sei, sei bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Anders als nach früherem Recht (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) diene die Geringfügigkeitsgrenze des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht dazu, dem Käufer bei Bagatellen Gewährleistungsansprüche zu versagen. Die Regelung solle vielmehr im Falle von Bagatellmängeln, bei denen das Leistungsinteresse des Käufers nur geringfügig beeinträchtigt sei, die für den Verkäufer regelmäßig mit einer erheblichen finanziellen Einbuße versehene vollständige Liquidierung des Vertrages vermeiden.
Rz. 8
Es sei daher herrschende Meinung, der sich der Senat anschließe, dass die Erheblichkeitsschwelle bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB deutlich höher anzusetzen sei als bei § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., in dessen Rahmen die Bagatellgrenze regelmäßig bei Mangelbeseitigungskosten i.H.v. drei bis vier Prozent des Kaufpreises angesetzt worden sei. Bereits Gründe der Systematik legten nahe, um eine deutliche Abgrenzung zur alten Rechtslage zu erzielen, die Beachtlichkeitsschwelle erst als überschritten anzusehen, wenn der erforderliche Mängelbeseitigungsaufwand mehr als zehn Prozent des Kaufpreises betrage. Auch die Höhe der heutigen Werkstattpreise spreche dafür, den Schwellenwert bei zehn Prozent anzusetzen, um die Regelung des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht durch eine zu niedrige Bagatellgrenze weitgehend funktionslos zu machen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch sonst im Gewährleistungsrecht - etwa bei der Abweichung des Kraftstoffverbrauchs eines verkauften Neufahrzeugs oder bei der Wohnflächenabweichung einer gemieteten Wohnung - regelmäßig von einer Erheblichkeitsgrenze von zehn Prozent ausgegangen werde. In Übereinstimmung mit der in der Literatur im Vordringen begriffenen Ansicht und mit dem OLG Bamberg (OLGR 2006, 502) sei daher davon auszugehen, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erst bei einem Mangelbeseitigungsaufwand, der zehn Prozent des Kaufpreises übersteige, und nicht, wie vom OLG Köln (NJW 2007, 1694) entschieden, bereits bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von mehr als fünf Prozent des Kaufpreises überschritten werde.
Rz. 9
Der Sachverständige habe für einen ordnungsgemäßen Einbau der Sensoren der Einparkhilfe einen Gesamtaufwand von 1.958,85 EUR (brutto) ermittelt. Diese Mangelbeseitigungskosten entsprächen 6,5 Prozent des Kaufpreises. Durch die Kosten für die Beseitigung des technischen Defekts der Einparkhilfe werde unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Gesichtspunkte die Erheblichkeitsschwelle demnach noch nicht überschritten. Auch beim Einbau einer Einparkhilfe mit einer zusätzlichen optischen Warnfunktion entstünden nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich Kosten i.H.v. insgesamt 2.008,85 EUR, so dass auch in diesem Fall die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht werde.
Rz. 10
Nach der Rechtsprechung des BGH werde allerdings bei der Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung indiziert. Zu berücksichtigen sei vorliegend jedoch, dass der Kläger in der Berufungsbegründung ausschließlich auf die Fehlfunktion der akustischen Einparkhilfe abstelle. Dies zeige, dass der Kläger kein starkes Interesse an der optischen Warnfunktion habe, mit der Folge, dass die Indizwirkung als widerlegt anzusehen sei. Es sei folglich auch im Falle des Fehlens einer vertraglich vereinbarten optischen Warnfunktion der Einparkhilfe wegen der im Verhältnis zum Kaufpreis geringen Mangelbeseitigungskosten von einem unerheblichen Mangel auszugehen.
II.
Rz. 11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rz. 12
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Rückgewähr des Kaufpreises nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1, 348 BGB verneint, weil es rechtsfehlerhaft die in den festgestellten Mängeln der Einparkhilfe zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung der Beklagten für unerheblich und den Rücktritt deshalb gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB für ausgeschlossen erachtet hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist bei einem behebbaren Sachmangel die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung nicht erst dann als erheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand zehn Prozent des Kaufpreises übersteigt. Vielmehr ist bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der insoweit auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung jedenfalls in der Regel bereits dann als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet.
Rz. 13
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass das Fahrzeug mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB behaftet ist, weil die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut sind und deshalb die Einparkhilfe immer wieder akustische Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgibt. Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe der Beklagten diesbezüglich - erfolglos - eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision, da ihr günstig, auch nicht angegriffen.
Rz. 14
2. Es kann dahin stehen, ob das Berufungsgericht, wie die Revision unter Hinweis auf von ihr als vom Berufungsgericht übergangen gerügten Vortrag des Klägers annimmt, eine erhebliche Pflichtverletzung bereits deshalb zu Unrecht verneint hat, weil die Parteien hinsichtlich der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer optischen Warnfunktion der Einparkhilfe sowie hinsichtlich der Anschlussmöglichkeit eines iPod über die auf der Mittelkonsole vorhandene Anschlussbuchse jeweils Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben, welche im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Erheblichkeit der Pflichtverletzung indizieren (vgl. ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 17.2.2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rz. 23 m.w.N.; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rz. 16).
Rz. 15
Denn die Revision wendet sich jedenfalls mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, im Streitfall scheitere die Rückabwicklung des Kaufvertrags an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB.
Rz. 16
a) § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB verweist bei Vorliegen eines Sachmangels auf die den Rücktritt von gegenseitigen Verträgen betreffende Vorschrift des § 323 BGB. Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, d.h., wenn der Mangel geringfügig ist (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rz. 19; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, a.a.O.). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 15.6.2011 - VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rz. 9 m.w.N.; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, a.a.O., Rz. 18). Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Senat, Urt. v. 17.2.2010 - VIII ZR 70/07, a.a.O.; vom 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, a.a.O., Rz. 16; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.1953 - I ZR 162/52, BGHZ 10, 242, 248; v. 11.12.1956 - VIII ZR 61/56, DB 1957, 88; jeweils zur Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls bei der Vorgängerregelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Hiervon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
Rz. 17
b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung bei - wie hier - behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen ist. Dabei ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, a.a.O., Rz. 19 ff.; v. 23.1.2013 - VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rz. 33).
Rz. 18
c) Unzutreffend ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, diese Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB werde erst bei einem Mängelbeseitigungsaufwand überschritten, der zehn Prozent des Kaufpreises übersteige.
Rz. 19
aa) Bei welchem Prozentsatz des Kaufpreises bei einem - wie hier - behebbaren Mangel die Geringfügigkeitsgrenze in der Regel überschritten und deshalb nicht mehr von einer unerheblichen Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB auszugehen ist, hat der Senat bislang offen gelassen (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 14.9.2005 - VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490 unter B II 2; v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, a.a.O., Rz. 19). Er hat allerdings ausgeführt, dass jedenfalls Mängel, deren Beseitigung Aufwendungen von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, ohne Zweifel als unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen sind, so dass auf sie ein Rücktritt nicht gestützt werden kann (Senatsurteile vom 14.9.2005 - VIII ZR 363/04, a.a.O.; v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, a.a.O.; vgl. auch ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 12.3.2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rz. 22, zum merkantilen Minderwert beim unbehebbaren Mangel).
Rz. 20
bb) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur werden zu der Frage, bis zu welchem Prozentsatz des Kaufpreises bei einem behebbaren Mangel noch von einem geringfügigen Mangel und damit von einer unerheblichen Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgegangen werden kann, unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Rz. 21
(1) Nach der einen Auffassung sind in Bezug auf die Frage der Erheblichkeit die zur Vorgängerregelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. entwickelten Grundsätze auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zu übertragen (OLG Schleswig, Urt. v. 15.12.2004 - 9 U 120/03, BeckRS 2007, 10141 unter II 3; OLG Köln, Urt. v. 27.3.2008 - 15 U 175/07, juris Rz. 57 ff.; NK-BGB/Dauner-Lieb/Dubovitskaya, BGB, 2. Aufl., § 323 Rz. 38; NK-BGB/Büdenbender, a.a.O., § 437 Rz. 35; jeweils m.w.N.; Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 437 Rz. 21; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 437 Rz. 6; Ball, ZGS 2002, 49, 51; Haas, BB 2001, 1313, 1316; Gröschler, NJW 2005, 1601, 1604 m.w.N.; Höpfner, NJW 2011, 3693, 3694 m.w.N.; Teigelack in Himmelreich/Andreae/Teigelack, Autokaufrecht, 5. Aufl., § 6 Rz. 118, 125).
Rz. 22
(a) Hierfür spreche bereits der in der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 14/6040) zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers (OLG Köln, Urt. v. 27.3.2008 - 15 U 175/07, a.a.O., Rz. 57; NK-BGB/Dauner-Lieb/Dubovitskaya, a.a.O.; Gröschler, a.a.O.; Höpfner, a.a.O.; Teigelack, a.a.O.).
Rz. 23
Eine Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle in § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB und eine damit verbundene stärkere Einschränkung des Rücktrittsrechts sei zudem mit Blick auf Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171, 12, im Folgenden: Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) bedenklich (NK-BGB/Dauner-Lieb/Dubovitskaya, a.a.O.; vgl. Höpfner, a.a.O.; vgl. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rz. 1042, gleichwohl einen Schwellenwert von zehn Prozent befürwortend).
Rz. 24
(b) Nach dem von der vorgenannten Auffassung angeführten § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. kamen Gewährleistungsansprüche des Käufers, sofern der Verkäufer keine Eigenschaft zugesichert hatte, bei einer unerheblichen Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit der Sache nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1987 - VIII ZR 203/86, NJW 1987, 1886 unter II 2b aa â; v. 27.9.2000 - VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203, 222; v. 24.3.2006 - V ZR 173/05, BGHZ 167, 19 Rz. 8; Staudinger/Honsell, BGB, Bearb. 1995, § 459 Rz. 59; Lorenz, NJW 2006, 1925 f.). Als unerheblich im Sinne dieser Vorschrift wurde ein Mangel insb. dann angesehen, wenn er mit unerheblichem Aufwand und in kurzer Zeit behoben werden kann (Senat, Urt. v. 11.12.1956 - VIII ZR 61/56, a.a.O., m.w.N.; KG NJW-RR 1989, 972; OLG Köln OLGReport Köln 1999, 362, 363; Staudinger/Honsell, a.a.O.; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 459 a.F. Rz. 13; Schmidt-Räntsch in FS für Wenzel, 2005, S. 409, 411 f.; jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend wurde in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen ein Mangel ab einer Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) von drei bis vier Prozent als nicht mehr unerheblich angesehen (Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 412 und 424; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1043).
Rz. 25
(c) Dem entsprechend setzt die oben genannte Auffassung die Erheblichkeitsgrenze des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Bereich zwischen drei Prozent (Westermann in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 437 Rz. 12; Erman/Grunewald, a.a.O.; NK-BGB/Büdenbender, a.a.O., Rz. 37; Hk-BGB/Schulze, 8. Aufl., § 323 Rz. 14; vgl. Teigelack, a.a.O., Rz. 123, 125; vgl. auch OLG Düsseldorf [3. ArbG Frankfurt/O.], NJW-RR 2004, 1060, 1061) und - so insb. die Tendenz der Instanzgerichte (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1034; Reinking in FS Eggert, 2008, S. 15, 26 f.) - fünf Prozent an (OLG Köln, NJW 2007, 1694, 1696; OLG Düsseldorf [1. Zivilsenat], Urt. v. 18.8.2008 - I-1 U 238/07, juris Rz. 43 und 46; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 437 Rz. 23; BeckOK/BGB/Faust, Stand März 2011, § 437 Rz. 26; vgl. auch LG Kiel MDR 2005, 384). In der Fünfprozentgrenze wird ein verlässlicher Wert gesehen, an dem sich die Praxis orientieren könne, zumal die Rechtsprechung der Instanzgerichte unterhalb dieser Schwelle, sofern nicht besondere Umstände vorlägen, regelmäßig von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgehe und dem Käufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages versage (Reinking, a.a.O.).
Rz. 26
(2) Die Gegenauffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, lehnt eine Übertragung der von ihr als zu streng erachteten Grundsätze zu § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., der aufgrund enger Auslegung praktisch funktionslos gewesen sei (Staudinger/Otto/Schwarze, BGB, Neubearb. 2009, § 323 Rz. C 25 m.w.N.; Ernst in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 323 Rz. 243a), ab und spricht sich dafür aus, die Schwelle der Erheblichkeit bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gegenüber der Vorgängerregelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. deutlich zu erhöhen (OLG Bamberg OLGReport Bamberg 2006, 502, 504; OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 928, 929; OLG Düsseldorf, ZGS 2007, 157, 160 [1. Zivilsenat]; LG Ravensburg NJW 2007, 2127, 2128; Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 243a und 243e; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rz. 213 f.; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 3. Aufl., § 323 Rz. 39; BeckOK/BGB/Schmidt, Stand Februar 2014, § 323 Rz. 39; Staudinger/Otto/Schwarze, a.a.O.; Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 417 f.; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1043; Müller/Matthes, AcP 204 (2004), 732, 747; Stürner/Medicus in Prütting/Wegen/Weinreich, a.a.O., § 323 Rz. 41; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rz. 488; Lorenz, a.a.O., S. 1926).
Rz. 27
(a) Diese Erhöhung sei schon aus Gründen der Systematik geboten (Reinking/Eggert, a.a.O.). Zwar habe der Gesetzgeber offenbar bei der Schaffung des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB eine Unerheblichkeitsschwelle wie in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. im Auge gehabt; da dies allerdings zur weitgehenden Funktionslosigkeit des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB führe, müssten die Anforderungen an die Erheblichkeit im Sinne dieser Vorschrift deutlich höher angesetzt werden als bislang bei § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (OLG Bamberg, a.a.O.; Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 213 und Fn. 874 f.; Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 243e und Fn. 456; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O.; BeckOK/BGB/Schmidt, a.a.O.; vgl. auch OLG Düsseldorf, ZGS 2007, a.a.O.). Denn im Gegensatz zur früheren Rechtslage beim Kauf diene die Erheblichkeitsschwelle heute nicht mehr dazu, dem Käufer hinsichtlich des Mangels überhaupt Rechtsbehelfe zu versagen. Vielmehr würden seit der Schuldrechtsmodernisierung selbst bei unerheblichen Mängeln der Nacherfüllungsanspruch und die Minderung sowie - falls der Verkäufer den Mangel zu vertreten habe - der Anspruch auf kleinen Schadensersatz gewährt. Es gehe bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB mithin nicht mehr darum, die Schwelle zu Gewährleistungsrechten zu überschreiten, sondern um die Schwelle zur Vertragsliquidation, die - da § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zudem Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung sei (Staudinger/Otto/Schwarze, a.a.O., Rz. 24 C f.; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O.; BeckOK/BGB/Schmidt, a.a.O.) - zwangsläufig höher liegen müsse als die Schwelle des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. (OLG Bamberg, a.a.O.; Schmidt-Räntsch, a.a.O.; Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 213; Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 243a und 243e; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O.; BeckOK/BGB/Schmidt, a.a.O.). Hierfür sprächen letztlich auch die heutigen Werkstattpreise und die Austauschpraxis nach Herstellervorgaben (Reinking/Eggert, a.a.O.).
Rz. 28
Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, eine deutliche Abstufung zwischen untergeordneten und erheblichen, zur Vertragsaufhebung berechtigenden Mängeln bei § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sei auch deshalb sachgerecht, weil sie eher dem UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG), namentlich der in Art. 49 Abs. 1 Buchst. a, Art. 25 CISG geregelten, zur Vertragsaufhebung berechtigenden wesentlichen Vertragsverletzung entspreche (Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 243e; vgl. auch Rolland in FS Schlechtriem, 2003, S. 629, 644; für eine zurückhaltende Anlehnung an Art. 25 CISG auch Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 423; a.A. Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 214; Lorenz, a.a.O.; Müller/Matthes, a.a.O., S. 745).
Rz. 29
(b) Zu der Frage, ab welchem Prozentsatz des Kaufpreises unter Zugrundelegung einer gegenüber der Vorgängerregelung in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. deutlich erhöhten Erheblichkeitsschwelle in der Regel nicht mehr von einer unerheblichen Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB auszugehen ist, werden innerhalb der vorgenannten Auffassung unterschiedliche Ansätze vertreten. So wird die Erheblichkeitsschwelle teilweise bei fünf bis zehn Prozent (Rösler, AcP 207 (2007), 564, 593), bei acht bis zehn Prozent (Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 424), bei zehn Prozent (OLG Bamberg, a.a.O.; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 323 Rz. 32; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1042 f. m.w.N.; NK-BGB/Dauner-Lieb/Dubovitskaya, a.a.O., Rz. 40, trotz Heranziehung der Maßstäbe des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. [s.o.]; vgl. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 4.4.2012 - 3 U 100/11, juris Rz. 41), bei 15 Prozent (Müller/Matthes, a.a.O., S. 748) oder sogar bei 20 bis 50 Prozent (Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., unter Berufung auf § 651e BGB; dies ablehnend: Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 418 f.; Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 215; Stürner/Medicus, a.a.O.) des Kaufpreises angesetzt.
Rz. 30
cc) Der Senat entscheidet die umstrittene Frage nunmehr dahin, dass bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB in der Regel dann nicht mehr auszugehen ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als fünf Prozent des Kaufpreises beträgt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über den vorstehend genannten Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren.
Rz. 31
(1) Die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 (BGBl. I, 3138) mit Wirkung zum 1.1.2002 eingeführte Vorschrift des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB hat u.a. die bisher für das Kaufrecht maßgebliche Regelung des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. abgelöst. Während nach der früheren Gesetzeslage die Gewährleistungshaftung des Verkäufers bei Unerheblichkeit des Mangels insgesamt entfiel, wird nach heutigem Recht lediglich die Rückabwicklung des Kaufvertrags ausgeschlossen; das Recht auf Minderung und der Anspruch auf kleinen Schadensersatz bleiben dem Käufer auch bei Unerheblichkeit des Mangels erhalten (BGH, Urt. v. 24.3.2006 - V ZR 173/05, a.a.O.). Die Vorschrift des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB enthält eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung des § 323 Abs. 1 BGB, die dem Gläubiger bei einer Pflichtverletzung des Schuldners generell ein Rücktrittsrecht einräumt. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt eine Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Schuldners zugrunde. Während der Gesetzgeber bei einer mangelhaften Leistung grundsätzlich dem Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers den Vorrang einräumt, soll dies ausnahmsweise bei einer unerheblichen Pflichtverletzung nicht gelten, weil das Interesse des Gläubigers an einer Rückabwicklung bei nur geringfügigen Vertragsstörungen in der Regel gering ist, wohingegen der Schuldner oft erheblich belastet wird. Daher überwiegt in diesen Fällen ausnahmsweise das Interesse des Schuldners am Bestand des Vertrags (BGH, Urt. v. 24.3.2006 - V ZR 173/05, a.a.O., Rz. 13).
Rz. 32
(2) Einzelheiten dazu, wann von einer unerheblichen Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB auszugehen ist, lassen sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Jedoch spricht bereits die Verwendung des in der Vorgängerregelung § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ebenfalls enthaltenen Begriffs der Unerheblichkeit dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung in § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB an diesen Maßstab anknüpfen wollte. Dies wird - wie die Befürworter einer eher niedrig bemessenen Erheblichkeitsschwelle hervorheben und von der Gegenauffassung grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen wird - durch die Gesetzesbegründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes bestätigt (vgl. hierzu bereits ArbG Frankfurt/O. v. 8.5.2007 - VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 Rz. 2 f.).
Rz. 33
Dort wird hierzu u.a. ausgeführt:
"Dies [ein Festhalten des Gläubigers am Vertrag, wenn die Leistung Mängel aufweist], ist nur gerechtfertigt, wenn die Pflichtverletzung unerheblich und damit das Leistungsinteresse des Gläubigers im Grunde nicht gestört ist." (BT-Drucks. 14/6040, 187, zu § 323 BGB-E) "Bei einer "unerheblichen Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit" im Sinne des bisherigen § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. bei einer "geringfügigen Vertragswidrigkeit" i.S.d. Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist der Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen. Dies ergibt sich jetzt aus § 323 Abs. 4 Satz 2 RE [= § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB], der den Ausschluss des Rücktrittsrechts bei einer unerheblichen Pflichtverletzung vorsieht." (BT-Drucks. 14/6040, 222 f., zu § 437 BGB-E)
Rz. 34
Diese Erwägungen zeigen, dass der Gesetzgeber in § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zwar aufgrund der Neugestaltung des Systems der Rechte des Käufers bei Sachmängeln den Anwendungsbereichs des bis dahin in § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. enthaltenen Erheblichkeitserfordernisses sachlich auf das Rücktrittsrecht einengen wollte. Anhaltspunkte dafür, dass hiermit zugleich eine Erhöhung der Schwelle einhergehen sollte, ab der von der Erheblichkeit eines Sachmangels auszugehen ist, sind den Gesetzesmaterialien jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr machen insb. die letztgenannte Passage der Gesetzesbegründung sowie die zuvor erfolgten Ausführungen, wonach eine Pflichtverletzung unerheblich sei, wenn damit das Leistungsinteresse des Gläubigers "im Grunde nicht gestört" sei, deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB an die von der Rechtsprechung zur Vorgängerregelung entwickelten Maßstäbe anknüpfen (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss v. 8.5.2007 - VIII ZR 19/05, a.a.O.; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, 216 f.) und - in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, deren Umsetzung (auch) § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB dient - an das Rücktrittsrecht des Käufers keine zu hohen Anforderungen stellen wollte.
Rz. 35
(3) Diese Beurteilung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln.
Rz. 36
(a) Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist zwar durch die vorbezeichnete Einengung des Anwendungsbereichs des Erheblichkeitserfordernisses auf das Rücktrittsrecht die Rechtsposition des Käufers insoweit verbessert worden, als er nun auch bei einem unerheblichen Sachmangel die Nacherfüllung verlangen und bei Erfolglosigkeit dieses Verlangens (vgl. hierzu nur ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 10.3.2010 - VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 Rz. 10 m.w.N.) den Kaufpreis mindern oder kleinen Schadensersatz beanspruchen kann (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2006 - V ZR 173/05, a.a.O., Rz. 8; Ball, ZGS 2002, 49, 51). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Rücktritt den Verkäufer im Regelfall stärker berührt als die vorbezeichneten Rechtsbehelfe des Käufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 180, 217; Erman/Grunewald, a.a.O.; vgl. auch Lorenz, a.a.O., S. 1925 f.) und dass die Rechtsfolge einer Vertragsverletzung - und damit auch der Rücktritt - stets verhältnismäßig sein muss (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze, a.a.O., Rz. C 24; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O.; BeckOK/BGB/Schmidt, a.a.O.; vgl. auch Erman/Westermann, a.a.O., § 323 Rz. 27).
Rz. 37
(b) Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gegenüber der vorherigen Rechtslage in einem Maße zu erhöhen, wie es vom Berufungsgericht und dem oben (unter II 2c bb (2)) genannten Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur vertreten wird. Denn Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist es, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit namentlich bei geringfügigen Mängeln (vgl. Senat, Urt. v. 29.6.2011 - VIII ZR 202/10, a.a.O., Rz. 19 ff.; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, a.a.O.) die für den Verkäufer in der Regel mit erheblichen Nachteilen verbundene Rechtsfolge der Rückabwicklung des Vertrages auszuschließen. Bei Sachmängeln in der vom Berufungsgericht angeführten Größenordnung von bis zu zehn Prozent kann indes in der Regel nicht mehr angenommen werden, dass das Leistungsinteresse des Käufers - wie dies in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/6040, 187) als Rechtfertigung dafür, den Käufer trotz Sachmangels am Vertrag festzuhalten, angeführt wird - "im Grunde nicht gestört" ist (vgl. zu diesem Kriterium: Lorenz, a.a.O., S. 1925; Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, a.a.O.; BeckOK/BGB/Faust, a.a.O., Rz. 25; Hk-BGB/Schulze, a.a.O.; vgl. auch Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 213).
Rz. 38
(c) Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Rahmen von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Durch die vorbezeichnete nicht starre ("in der Regel"), sondern - entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 180) und der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2006 - V ZR 173/05, a.a.O., Rz. 13; v. 17.2.2010 - VIII ZR 70/07, a.a.O., m.w.N.; v. 6.2.2013 - VIII ZR 374/11, a.a.O.) - flexible, in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete Erheblichkeitsschwelle von fünf Prozent des Kaufpreises werden die Interessen der Kaufvertragsparteien zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht. Bei behebbaren Sachmängeln unterhalb der genannten Schwelle wird es dem Käufer in der Regel zuzumuten sein, am Vertrag festzuhalten und sich - nach erfolglosem Nachbesserungsverlangen - mit einer Minderung des Kaufpreises oder mit der Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes zu begnügen. Den Verkäufer wiederum vermag diese Lösung in ausreichendem Maße vor den für ihn wirtschaftlich meist nachteiligen Folgen eines Rücktritts des Käufers wegen geringfügiger Mängel zu schützen, zumal der Rücktritt - anders als dies nach altem Recht bei der Wandelung der Fall war - zusätzlich an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Käufer vom Verkäufer wegen des Sachmangels zuvor erfolglos die Nacherfüllung verlangt hat (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 10.3.2010 - VIII ZR 310/08, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 39
(4) Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.
Rz. 40
(a) Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bezweckt hinsichtlich des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter die Gewährleistung eines einheitlichen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarkts der Gemeinschaft (Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie). Sie ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz umgesetzt worden (BT-Drucks. 14/6040, 1 f., 79 ff.; BGBl. I 2001, 3138; Lorenz in MünchKomm/BGB, a.a.O., Vorbemerkung zu § 474 Rz. 2; Ball, NZV 2004, 217).
Rz. 41
(b) Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht für den Fall einer Vertragswidrigkeit u.a. das Recht des Verbrauchers auf Vertragsauflösung insb. für den Fall vor, dass der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat (Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie). Gemäß Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der Verbraucher jedoch bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.
Rz. 42
§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, der durch den Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt worden ist (Lorenz in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 13; Müller/Matthes, a.a.O., S. 744; Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 420), ist demnach richtlinienkonform auszulegen (vgl. nur Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 413 ff.; Lorenz in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 3 f. m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es den Mitgliedsstaaten gem. Art. 8 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie unbenommen bleibt, durch strengere Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen (vgl. hierzu ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 9.11.2005 - VIII ZR 116/05, NJW 2006, 613 Rz. 13; Grabitz/Hilf/Magnus, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2007, A 15, Art. 8 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Rz. 8 m.w.N.).
Rz. 43
(c) Unter welchen Voraussetzungen eine Vertragswidrigkeit - wie hier die Lieferung eines mangelhaften Kraftfahrzeugs - geringfügig i.S.d. Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist, geht im Einzelnen weder aus der Richtlinie selbst noch aus deren Materialien hervor (vgl. hierzu den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. C 307 vom 16.10.1996, S. 8-11, sowie die hierauf bezogene Begründung der Kommission, BR-Drucks. 696/96; vgl. auch Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1023).
Rz. 44
Jedoch spricht bereits die Verwendung des Wortes "geringfügig" in Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für eine niedrig anzusetzende Schwelle. Diese Beurteilung wird durch die Begründung der Kommission zu ihrem Richtlinienvorschlag bestätigt. In der darin enthaltenen Kommentierung des für den Fall einer Pflichtwidrigkeit (u.a.) enthaltenen Anspruchs auf Auflösung des Vertrags (Art. 3 Abs. 4 des Richtlinienvorschlags) heißt es, ungeachtet des Umstands, dass nach den sozioökonomischen Gegebenheiten die Auflösung des Vertrags einerseits bei Gewerbetreibenden "nicht besonders beliebt" sei und der Verbraucher sich in der Regel mit einer Ersatzleistung oder einer Reparatur der fehlerhaften Sache zufrieden gebe, sei die Möglichkeit der Auflösung des Vertrags u.a. auch deshalb beizubehalten, weil sie für die Verbraucher ein "wirksames Druckmittel" sei, um innerhalb kürzester Frist Ersatzleistung oder Nachbesserung zu verlangen. Eine missbräuchliche Nutzung dieser Möglichkeit durch die Verbraucher stehe nicht zu befürchten (BR-Drucks. 696/96, 13).
Rz. 45
(5) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich weder aus der Rechtsprechung des Senats zum Kraftstoffmehrverbrauch beim Kauf eines Neufahrzeugs noch zur Wohnflächenabweichung bei einer gemieteten Wohnung, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bei zehn Prozent liegen müsste. Gleiches gilt für den vom Berufungsgericht zusätzlich angeführten Gesichtspunkt der Höhe der Werkstattpreise.
Rz. 46
(a) Allerdings stellt es nach der Rechtsprechung des Senats nur eine unerhebliche Minderung des Fahrzeugwerts i.S.d. § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und dementsprechend auch eine unerhebliche Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB dar, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als zehn Prozent von den Herstellerangaben abweicht (Senatsbeschluss v. 8.5.2007 - VIII ZR 19/05, a.a.O., Rz. 3 m.w.N.). Entscheidend ist dabei indes, dass ein Kraftstoffmehrverbrauch in dieser Größenordnung nur zu einer geringen Minderung des Fahrzeugwertes führt und deshalb nur als unerhebliche Pflichtverletzung i.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anzusehen ist (Senatsbeschluss v. 8.5.2007 - VIII ZR 19/05, a.a.O., Rz. 4 m.w.N.). Die für den Kraftstoffverbrauch angesetzte Prozentgrenze lässt sich deshalb nicht auf die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen.
Rz. 47
(b) Nichts anderes gilt für die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Senats zur Wohnflächenabweichung (vgl. dazu ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 10.11.2010 - VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220 Rz. 14 m.w.N.). Diese Rechtsprechung betrifft eine spezielle Fallgestaltung im Mietrecht, die ebenfalls nicht auf die Auslegung des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen werden kann.
Rz. 48
(6) Schließlich kann auch aus den Regelungen in Art. 49 Abs. 1 Buchst. a, Art. 25 CISG nicht hergeleitet werden, dass die Bagatellgrenze in § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB mit zehn Prozent oder noch höher anzusetzen wäre (so auch Soergel/Gsell, a.a.O., Rz. 214; Grabitz/Hilf/Magnus, a.a.O., Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Rz. 76 m.w.N.; NK-BGB/Büdenbender, a.a.O., § 437 Rz. 35 Fn. 21; Lorenz, a.a.O., S. 1926; Müller/Matthes, a.a.O., S. 745).
Rz. 49
Gemäß Art. 49 Abs. 1 Buchst. a CISG kann der Käufer die Aufhebung des Vertrages erklären, wenn die Nichterfüllung einer dem Verkäufer nach dem Vertrag oder dem CISG obliegenden Pflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (vgl. hierzu auch BT-Drucks. 14/6040, 86, 181 f.). Nach der in Art. 25 CISG enthaltenen Definition ist eine von einer Partei begangene Vertragsverletzung wesentlich, wenn sie für die andere Partei solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, die vertragsbrüchige Partei hat diese Folge nicht vorausgesehen und eine vernünftige Person der gleichen Art hätte diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen.
Rz. 50
Das CISG verfolgt damit die Tendenz, die Vertragsaufhebung zugunsten der anderen in Betracht kommenden Rechtsbehelfe, insb. der Minderung oder des Schadensersatzes, zurückzudrängen; die Rückabwicklung soll dem Käufer nur als letzte Möglichkeit (ultima ratio) zur Verfügung stehen, um auf eine Vertragsverletzung der anderen Partei zu reagieren, die so gewichtig ist, dass sie sein Erfüllungsinteresse im Wesentlichen entfallen lässt (ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 3.4.1996 - VIII ZR 51/95, BGHZ 132, 290, 298 m.w.N.; dem folgend etwa: BundesG Schweiz, SZIER 1999, 179, 180; IHR 2010, 27, 28; OGH Österreich, IHR 2001, 42, 43; 2012, 114, 116; ebenso das Schrifttum, vgl. Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2013, Art. 49 Rz. 4 m.w.N.; Schmidt-Räntsch, a.a.O., S. 421). Aus diesem das UN-Kaufrechtsübereinkommen kennzeichnenden Grundsatz des Vorrangs der Vertragserhaltung folgt zugleich, dass der Vertrag im Zweifel auch bei Störungen Bestand haben und die Vertragsaufhebung die Ausnahme bilden soll (BundesG Schweiz, IHR 2010, 27, 28). Dahinter steht die Überlegung, dass die Rückabwicklung gerade eines internationalen Handelskaufs in der Regel unwirtschaftlich ist (Schmidt-Räntsch, a.a.O.; vgl. auch Staudinger/Magnus, a.a.O.).
Rz. 51
Diese Maßstäbe lassen sich nicht auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen. Eine solche Übertragung war, wie sowohl der unterschiedliche Wortlaut der Art. 49 Abs. 1 Buchst. a, Art. 25 CISG sowie des Art. 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB als auch der Umstand, dass sich in den Materialien des Schuldrechtsreformgesetzes und der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie keine Hinweise für eine insoweit beabsichtigte Anknüpfung an die Maßstäbe des CISG zeigen, auch weder vom Gesetzgeber der Schuldrechtsreform noch vom Richtliniengeber der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beabsichtigt.
Rz. 52
3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist. Bereits der vom Berufungsgericht rechtfehlerfrei festgestellte Mängelbeseitigungsaufwand hinsichtlich des falschen Einbaus und der Fehlfunktion der Einparkhilfe überschreitet mit 6,5 Prozent des Kaufpreises die oben (unter II 2c cc) genannte Schwelle von fünf Prozent. Besondere Umstände, die Anlass gäben, die in dem vorstehend genannten Mangel liegende Pflichtverletzung entgegen der Regel ausnahmsweise gleichwohl als unerheblich anzusehen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal der vorbezeichnete Mangel - namentlich der Umstand, dass die Einparkhilfe infolge des falschen Einbaus immer wieder, auch während der Fahrt, akustische Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgibt - nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des LG, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, auch für die Fahrsicherheit von Bedeutung ist (vgl. hierzu ArbG Frankfurt/O., Urt. v. 9.3.2011 - VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rz. 17; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O.; BeckOK/BGB/Schmidt, a.a.O.; NK-BGB/Büdenbender, a.a.O., Fn. 26).
III.
Rz. 53
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der vom Kläger geschuldeten Nutzungsentschädigung getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 7026035 |
BGHZ 2015, 290 |
BB 2014, 1409 |
BB 2014, 1729 |
BB 2014, 1999 |
NJW 2014, 3229 |
NJW 2014, 8 |
NWB 2014, 1784 |
BauR 2014, 5 |
EBE/BGH 2014 |
CR 2014, 573 |
EWiR 2014, 585 |
IBR 2014, 696 |
JurBüro 2014, 610 |
WM 2014, 1874 |
ZIP 2014, 1838 |
ZIP 2014, 47 |
DAR 2014, 523 |
DAR 2015, 22 |
JA 2014, 785 |
JZ 2014, 556 |
JZ 2014, 695 |
JZ 2015, 145 |
JuS 2014, 12 |
JuS 2015, 68 |
MDR 2014, 8 |
MDR 2014, 883 |
NJ 2014, 4 |
NJ 2014, 524 |
NJ 2014, 7 |
NZV 2015, 76 |
VRS 2014, 348 |
VuR 2014, 5 |
ZfS 2014, 503 |
ASR 2014, 2 |
ASR 2015, 13 |
ASR 2015, 17 |
AdVoice 2014, 46 |
BauSV 2014, 75 |
ITRB 2014, 224 |
NJW-Spezial 2014, 489 |
NWB direkt 2014, 633 |
RÜ 2014, 617 |
RdW 2014, 466 |
SVR 2015, 3 |
SVR 2016, 294 |
VRA 2014, 110 |
VRR 2014, 263 |
VRR 2014, 368 |
DS 2014, 199 |
IHR 2014, 179 |
JM 2015, 15 |
LL 2014, 629 |
NWB-BB 2014, 230 |
PAK 2014, 172 |