Leitsatz (amtlich)
a) Eine nach § 21 Abs. 1 GWB verbotene Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre kann sich aus einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Verrufer und dem Adressaten des Boykottaufrufs ergeben.
b) Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen stellt eine gewerbliche Leistung dar, die Gegenstand eines verbotenen Boykotts sein kann.
c) Im Rahmen der Interessenabwägung, die bei § 21 Abs. 1 GWB zur Feststellung einer Unbilligkeit der Behinderung stattzufinden hat, kann es maßgeblich darauf ankommen, ob der Verrufer über eine marktbeherrschende Stellung verfügt.
Normenkette
GWB § 21 Abs. 1; UWG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Juni 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägebranche. Der beklagte Landkreis ist Eigentümer eines Geländes, auf dem sich neuerdings die Kfz-Zulassungsstelle des Landkreises befindet. Bei einer Ausschreibung der Vermietung von drei Containerstandplätzen für Schilderprägebetriebe war die Klägerin nicht zum Zuge gekommen, weil es sich bei ihr nicht um ein aus dem Landkreis stammendes Unternehmen handelt. Diese Entscheidung nimmt die Klägerin hin. Sie wendet sich dagegen, daß der Beklagte die ausgewählten Schilderprägebetriebe dazu verpflichtet hat, mit der Klägerin in keiner Weise zusammenzuarbeiten. Es geht dabei um folgende Regelung im Mietvertrag (Anlage zu § 26, Anl. K 5), der die drei Vertragspartner des Beklagten – mit der nachstehend kursiv wiedergegebenen Ergänzung – zugestimmt haben:
Dem Mieter ist bekannt, daß er den Zuschlag für die vermietete Standfläche aus Gründen der Wirtschaftsförderung nur deshalb erhalten hat, weil er nach seinen Angaben im Zuschlagsverfahren ein allein mit Hauptsitz im Landkreis S. ansässiger und tätiger Unternehmer der Schilderprägebranche ist, der mit keinem Großfilialisten der gleichen Branche, insbesondere mit der Fa. K. GmbH [Rechtsvorgängerin der Klägerin] und der mit dieser verbundenen Firmen, in irgendeiner Form zusammenarbeitet, abhängig ist oder in geschäftlichen Beziehungen steht bzw. auf deren Rechnung – auch teilweise – sein Gewerbe ausübt, mit Ausnahme solcher Beziehungen, die in dieser Branche unumgänglich bzw. üblich sind (z.B. Beziehen von Materialien von der Fa. U. KG). Daß keine solchen rechtlichen/tatsächlichen Beziehungen bestehen oder in Zukunft aufgenommen werden, sichert der Mieter hiermit ausdrücklich zu.
Die Parteien sind sich darüber einig, daß dem Vermieter ein besonderes, außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall zusteht, wenn entgegen der vorgenannten Zusicherung, die Grundlage für den Abschluß dieses Mietvertrages ist, solche Beziehungen dennoch zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages schon bestanden haben, danach eingegangen und/oder weiter aufrechterhalten werden sollten.
Nach dem Bekanntwerden oder dem Aufkommen des Verdachtes auf solche Beziehungen bei dem Vermieter obliegt es dem Mieter, diesen Verdacht nach vorheriger schriftlicher Aufforderung unter Angabe der Verdachtsmomente beweiskräftig auszuräumen. Gelingt ihm dies nicht, ist der Vermieter berechtigt, ohne Einhaltung einer Frist das Mietverhältnis zu kündigen. …
Im Rahmen der Auseinandersetzung über diese Vereinbarung erläuterte der Beklagte sein Vorgehen gegenüber den Mietern und gegenüber der Klägerin wie folgt (Rundschreiben vom 7.11.1996, Anl. K 6):
Die Zusatzvereinbarung unter § 26 des Mietvertrages ist einzig und allein dahingehend zu interpretieren, daß gesellschaftsrechtliche Verflechtungen (vgl. insoweit insbesondere die Legaldefinition in § 271 HGB) zwischen Ihnen und irgendwelchen überregional tätigen Firmen/Personen durch diese Klausel verhindert werden sollen. Hierunter fällt insbesondere auch ein sogenannter Vertrag zur Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke der Herstellung und des Vertriebes von Kraftfahrzeugkennzeichenschildern, Prägeschildern und sonstigen Schildern aller Art und artverwandter Produkte, wie ihn inzwischen Herr W. mit der Fa. D. & Partner GbR mit der Folge, daß ihm gekündigt worden ist, geschlossen hat.
Der Landkreis bezweckte und bezweckt nämlich mit der Vergabe der an Sie vermieteten Standflächen, Ihnen als kreiseinheimischen Schilderherstellern die Möglichkeit einzuräumen, sich eine eigenständige und unabhängige wirtschaftliche Existenzgrundlage aufbauen zu können. Die Landkreisverwaltung sieht sich in Anbetracht der sehr hohen Arbeitslosenquote in unserem Landkreis hierzu in die Pflicht genommen. Sie sind selbstverständlich nicht gehindert, auch gesellschaftsrechtliche Bindungen mit vorgenannten Firmen/Personen einzugehen, müssen dann allerdings in der Konsequenz – wie jetzt bereits Herr W. – auf die an Sie vermieteten Standflächen verzichten.
Die Zusatzvereinbarung unter § 26 des Mietvertrages bezweckt also nicht, Sie daran zu hindern, in geschäftliche Kontakte mit der Fa. K. AG [Klägerin], mit dieser verbundenen Firmen/Personen oder überhaupt sonstigen überregional tätigen Firmen/Personen der Schilderprägebranche zu treten. Es bleibt Ihnen also völlig unbenommen, alles, was Sie für die Durchführung Ihres Gewerbes an geschäftlichen Kontakten für erforderlich oder für sich als vorteilhaft halten bzw. was Sie an Materialien (z.B. Prägemaschinen, Platinen usw.) benötigen, über geschäftliche Kontakte z.B. von der Fa. K. AG zu beziehen. Die in Absatz 1 der Zusatzvereinbarung unter § 26 der Mietverträge benannte Fa. U. ist insoweit nur beispielhaft zu verstehen.
Der Landkreis wird aus solchen Geschäftskontakten in keinster Weise Verstöße i.S.d. vorgenannten Vertragsbestimmung schließen, was Ihnen hiermit über das bereits mündlich Gesagte auch ausdrücklich schriftlich zugesichert wird. Sie haben also wegen Geschäftsbeziehungen dieser Art keinerlei Nachteile zu befürchten. Den Landkreis interessiert nämlich überhaupt nicht – wie schon mündlich mit treffenden Worten dargelegt –, von wem Sie ihre Arbeitsmittel usw. beziehen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die vom Beklagten durchgesetzte Mietvertragsklausel enthalte einen kartellrechtlich und lauterkeitsrechtlich unzulässigen Boykottaufruf. Mit der vorliegenden Klage hat sie den Beklagten wegen der Verwendung dieser Klausel auf Unterlassung in Anspruch genommen und beantragt, es dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, Mietverträge über eine Stellfläche zur Aufstellung eines Containers zur Prägung von Kfz-Kennzeichen auf dem Grundstück … abzuschließen und/oder bereits abgeschlossene Mietverträge fortzuführen, falls der Mietvertrag die … (oben wiedergegebene) Klausel enthält.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klausel enthalte keine Liefer- oder Bezugssperre, sondern diene nur der bei der Vergabe der Standflächen verfolgten Förderung der einheimischen Wirtschaft.
Das Landgericht hat der Klage unter dem Gesichtspunkt eines Boykotts nach § 26 Abs. 1 GWB a.F. (jetzt § 21 Abs. 1 GWB) und einer wettbewerbswidrigen Behinderung nach § 1 UWG stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG-Report Dresden 1998, 354).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 35 Abs. 1 i.V. mit § 26 Abs. 1 GWB a.F. (jetzt § 33 Satz 1 i.V. mit § 21 Abs. 1 GWB) sowie aus § 1 UWG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ein kartellrechtlich unzulässiger Boykottaufruf liege bereits deshalb nicht vor, weil es an dem Merkmal der Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre fehle. Die beanstandete Klausel ziele darauf ab, nicht den Warenaustausch, sondern gesellschaftsrechtliche Verflechtungen mit der Klägerin oder einem anderen überregional tätigen Unternehmen zu unterbinden. Darüber hinaus liege auch keine Absicht vor, bestimmte Unternehmen unbillig zu behindern. Dem beklagten Landkreis sei es allein darum gegangen, gesellschaftsrechtliche Verflechtungen der ausgewählten Mieter mit Großfilialisten der Branche zu verhindern. Das dahinter stehende Ziel des Beklagten, die Wettbewerbschancen einheimischer Bewerber zu stärken, indem ihnen ein Standortvorteil eingeräumt werde, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei seien Großunternehmen ausgeschlossen worden, denen es durch ihre wirtschaftliche Überlegenheit möglich sei, den Wettbewerb durch Niedrigpreise zu verzerren und dadurch einheimische Wettbewerber zur Aufgabe ihrer unternehmerischen Betätigung zu zwingen. Die weite Fassung der Vertragsklausel diene allein dem Zweck, Umgehungen zu vermeiden, wie sie bereits in der Vergangenheit vorgekommen seien. Im übrigen fehle es auch deswegen an einer unbilligen Behinderung, weil der Klägerin in ausreichendem Maße andere Bezugs- und Absatzmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG scheide aus, weil die Parteien nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stünden. Ferner sei zu berücksichtigen, daß der Beklagte lediglich den vor Ort ansässigen selbständigen Unternehmen in rechtlich nicht zu mißbilligender Weise einen Standortvorteil habe gewähren wollen.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen es nicht, den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 33 Satz 1 i.V. mit § 21 Abs. 1 GWB n.F. zu verneinen. Nach diesen Bestimmungen dürfen Unternehmen ein anderes Unternehmen nicht in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefer- oder Bezugssperren auffordern.
a) Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Anwendbarkeit des Boykottatbestandes nach § 21 Abs. 1 GWB weder dadurch in Frage gestellt wird, daß es sich bei der fraglichen Klausel um eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung in einem Austauschvertrag handelt, noch dadurch, daß auch eine unbillige Behinderung der Klägerin nach § 20 Abs. 1 GWB in Betracht zu ziehen gewesen wäre.
Der Umstand, daß die von der Klägerin beanstandete Sperre in einem Mietvertrag, also in einer Vertikalvereinbarung i.S. der §§ 14 ff. GWB, enthalten ist, schließt die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 GWB nicht aus. Allerdings fallen die regelmäßigen Wirkungen der Ausschließlichkeitsbindungen nach § 16 GWB nicht unter § 21 Abs. 1 GWB; denn die jeder Ausschließlichkeitsbindung immanente Folge des Ausschlusses anderer Unternehmen nimmt das Gesetz hin und unterwirft sie lediglich einer Mißbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden (vgl. BGH, Beschl. v. 5.7.1973 - KVR 3/72, WuW/E 1269, 1275 f. - Fernost-Schiffahrtskonferenz; Wolter in Frankfurter Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 18 Rdn. 192; Klosterfelde/Metzlaff in Langen/Bunte, Kartellrecht, 8. Aufl., § 18 GWB Rdn. 248; ferner Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 18 Rdn. 256 ff.). Die restriktive Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Vertikalverträgen findet jedoch dort ihre Grenze, wo die Beschränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung aufweist und wo mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen getroffen oder sogar vom Markt verdrängt oder ferngehalten werden sollen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.11.1980 - KRB 3/80, WuW/E 1786 - ARA; Wolter in Frankfurter Kommentar aaO § 18 Rdn. 192; Emmerich in Immenga/Mestmäcker aaO § 18 Rdn. 258). Mit der Öffnung des Anwendungsbereichs des § 21 Abs. 1 GWB für derartige Vertikalvereinbarungen ist im übrigen nicht notwendig ein Unwerturteil verbunden. Denn besondere Umstände, die eine derartige Klausel als berechtigt erscheinen lassen, können noch im Rahmen der Interessenabwägung, die bei Prüfung des Merkmals der Unbilligkeit der Beeinträchtigung stattzufinden hat, berücksichtigt werden.
Daß in dem Verhalten des Beklagten auch ein Verstoß gegen das Verbot der unbilligen Behinderung nach § 20 Abs. 1 GWB liegen kann, steht der Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB ebenfalls nicht entgegen (BGH, Urt. v. 30.9.1971 - KZR 13/70, WuW/E 1211, 1216 - Kraftwagen-Leasing; Markert in Immenga/Mestmäcker aaO § 26 Rdn. 314; Carlhoff in Frankfurter Kommentar aaO § 26 Rdn. 413).
b) Ein Boykottaufruf im Sinne des § 21 Abs. 1 GWB setzt die Beteiligung dreier Unternehmen (oder Unternehmensvereinigungen) voraus: den Verrufer, den Adressaten des Boykottaufrufs und den Verrufenen (BGH, Urt. v. 10.10.1989 - KZR 22/88, WuW/E 2603, 2605 - Neugeborenentransporte; Urt. v. 27.4.1999 - KZR 54/97, WuW/E DE-R 303, 304 - „Sitzender Krankentransport”). Diese Dreizahl der beteiligten Unternehmen ist hier gegeben.
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, es fehle schon an der Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre; denn die beanstandete Klausel sei lediglich darauf angelegt, gesellschaftsrechtliche Verflechtungen des Mieters mit Großanbietern wie der Klägerin, nicht dagegen die Belieferung durch solche Unternehmen zu unterbinden.
Diese Beurteilung steht mit den getroffenen Feststellungen nicht im Einklang. Denn ungeachtet der Motive, die den Beklagten dazu bewogen haben, auf der beanstandeten Klausel zu bestehen, erfaßt sie auch die Lieferung von Material oder Maschinen durch Unternehmen wie die Klägerin, ausgenommen solche Lieferungen, die unumgänglich oder branchenüblich sind. Dies erkennt auch das Berufungsgericht, wenn es darauf hinweist, daß die mit Hilfe der fraglichen Klausel zu vermeidende Abhängigkeit etwa auch dann eintrete, wenn mit einem überregional tätigen Unternehmen der Alleinbezug von Materialien vereinbart werde.
Darüber hinaus bleibt bei der Beurteilung durch das Berufungsgericht – worauf die Revision zutreffend hinweist – unberücksichtigt, daß auch die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen eine gewerbliche Leistung darstellt, die Gegenstand eines Boykotts, also einer Liefersperre, sein kann. Daß es sich dabei um den üblichen Geschäftsverkehr handelt, also um das tägliche Angebots- oder Nachfrageverhalten der Boykottadressaten, hier der drei Schilderpräger, mit denen der Beklagte Mietverträge abgeschlossen hat, ist nicht erforderlich (vgl. Carlhoff in Frankfurter Kommentar aaO § 26 Rdn. 31; Markert in Immenga/Mestmäcker aaO § 26 Rdn. 23). Vielmehr kann sich der Boykottaufruf auch darauf beziehen, bestimmten Dritten keine Anteile am Unternehmen des Boykottadressaten zukommen zu lassen oder ihnen sonst in irgendeiner Weise besonderen Einfluß einzuräumen.
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nach den getroffenen Feststellungen auch nicht verneint werden, daß die Aufforderung des Beklagten auf eine unbillige Beeinträchtigung der Klägerin gerichtet war.
aa) Das Berufungsgericht hat eine unbillige Beeinträchtigung der Klägerin schon deswegen verneint, weil ihr andere Bezugs- und Absatzmöglichkeiten in ausreichendem Maße zur Verfügung stünden. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es indessen nicht entscheidend an. Die Frage, ob eine Beeinträchtigung unbillig ist, muß ebenso wie im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB durch eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB beantwortet werden (BGH, Beschl. v. 25.10.1988 - KRB 4/88, WuW/E 2562, 2563 - markt-intern-Dienst; Urt. v. 2.7.1996 - KZR 20/91, WuW/E 3067, 3071 - Fremdleasingboykott II; WuW/E DE-R 303, 305 f. - „Sitzender Krankentransport”; Markert in Immenga/Mestmäcker aaO § 26 Rdn. 37 f.; v. Gamm, Kartellrecht, 2. Aufl., § 26 GWB Rdn. 17). Die alternativen Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten des gesperrten Unternehmens können in diesem Rahmen eine Rolle spielen, jedoch allein als ein Umstand unter mehreren. Keinesfalls ist eine Liefer- oder Bezugssperre schon deshalb unbedenklich, weil das gesperrte Unternehmen andere Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten hat. Denn die Abhängigkeit des gesperrten Unternehmens ist keine Voraussetzung des Boykottatbestandes.
bb) Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst zu berücksichtigen, daß es sich bei der im Streitfall beanstandeten Klausel um eine Ausschließlichkeitsbindung i.S. des § 16 GWB handelt, die das Gesetz grundsätzlich als zulässig erachtet. Dem Vermieter ist es – vorbehaltlich des Einschreitens der Kartellbehörde – nicht schlechthin verwehrt, im Rahmen des Mietvertrages auf die Art und Weise der Nutzung der Räumlichkeiten Einfluß zu nehmen und dabei entsprechend den eigenen wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen seine Verfügungsgewalt auch in der Weise auszuüben, daß beispielsweise die Waren eines bestimmten dritten Unternehmens vom Mieter nicht angeboten werden dürfen.
cc) Von entscheidender Bedeutung ist danach, ob das Interesse des Beklagten, die einheimischen Schilderpräger zu Lasten auswärtiger Unternehmen zu begünstigen, auch mit Blick auf die Zielsetzung des GWB als berechtigt angesehen werden kann. Diese Frage kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden.
Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagte als Vermieter der Standflächen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.7.1998 - KZR 1/97, WuW/E DE-R 201, 202 - Schilderpräger im Landratsamt). Hierzu bestand aus seiner Sicht zunächst auch keine Veranlassung, da der Beklagte ungeachtet einer besonderen Marktstellung Adressat des Boykottverbots ist. Jedoch kann die Frage der Marktstellung bei der Bewertung der Interessen auch im Rahmen des Boykottatbestands des § 21 Abs. 1 GWB eine entscheidende Rolle spielen. So verhält es sich im Streitfall. Denn der Beklagte wäre für den Fall, daß er als Vermieter geeigneter Gewerbeflächen für Schilderpräger am Sitz der neuen Kfz-Zulassungsstelle über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, grundsätzlich zu einer Gleichbehandlung der Interessenten verpflichtet. Jedenfalls wäre eine Bevorzugung einheimischer Unternehmen zu Lasten der – unterstellt – günstigeren oder qualitativ besseren Gebote kreisfremder Schilderpräger nicht gerechtfertigt (vgl. BGH WuW/E DE-R 201, 205 - Schilderpräger im Landratsamt).
Im Streitfall wendet sich die Klägerin zwar nicht dagegen, daß sie als kreisfremde Nachfragerin bei der Ausschreibung der Containerstandflächen nicht zum Zuge gekommen ist. Die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ausschreibung und Entscheidung, an drei kreisangehörige Schilderpräger zu vermieten, steht deswegen auch nicht zur Überprüfung. Gleichwohl hängt auch die Interessenabwägung im Streitfall von der Frage ab, ob die Bevorzugung einheimischer Unternehmen rechtens war. Denn entweder ist gegen eine Bevorzugung einheimischer Schilderpräger nichts einzuwenden; dann kann auch das Interesse an flankierenden Maßnahmen berechtigt sein, wie sie der Beklagte in den Mietverträgen vorgesehen hat. Oder der Beklagte war als marktbeherrschender Anbieter Normadressat des Diskriminierungsverbots und damit grundsätzlich zur Gleichbehandlung der Interessenten verpflichtet; in diesem Fall kann sein Interesse, nur kreisangehörige Unternehmen zu berücksichtigen und den Markt gegenüber auswärtigen, möglicherweise erheblich leistungskräftigeren Schilderprägern abzuschotten, nicht als berechtigt angesehen werden. Im Blick auf die Zielsetzung des Gesetzes genießt das Interesse, die einheimische Wirtschaft vor dem Wettbewerb auswärtiger Unternehmen zu schützen, keinen Schutz.
e) Mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht eine entsprechende Absicht des Beklagten, die Klägerin unbillig zu beeinträchtigen, verneint hat. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß auch das Verbot einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, auf das das Verhalten des Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in erster Linie abzielt, eine Liefersperre i.S. des § 21 Abs. 1 GWB sein kann (dazu oben unter II.1.c). Darüber hinaus hat der Beklagte auch mit Hilfe der Bezugssperre eine besondere Einflußnahme der Klägerin oder anderer Großanbieter auf die Mieter der Containerstandflächen vermeiden wollen. Auch hier deckt sich die Absicht des Beklagten mit dem vertraglich vereinbarten Verbot. Daß der Beklagte – wovon auszugehen ist – sein Verhalten als rechtmäßig angesehen hat, steht der Annahme einer Beeinträchtigungsabsicht nicht entgegen (vgl. nur BGH WuW/E 3067, 3072 - Fremdleasingboykott II).
2. Ebenfalls mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung nicht als gegeben angesehen hat.
a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ein Handeln des Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs verneint. Zwar besteht zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis, so daß eine Förderung des eigenen Wettbewerbs des Beklagten ausscheidet. Für das Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs kommt jedoch auch eine Förderung fremden Wettbewerbs in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1979 - KZR 1/79, WuW/E 1666, 1668 - Denkzettel-Aktion). Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte fremden Wettbewerb, nämlich den ortsansässiger, unabhängiger Schilderprägebetriebe, fördern wollen. Um sie vor einem für möglich gehaltenen Verdrängungswettbewerb überregionaler Filialisten zu schützen, sollte verhindert werden, daß einer der Branchenführer unmittelbar oder mittelbar Einfluß auf einen der Anbieter nehmen und durch Niedrigpreise den Wettbewerb verzerren kann.
b) Die weiteren Merkmale eines nach § 1 UWG wettbewerbswidrigen Boykotts decken sich weitgehend mit den objektiven Merkmalen des kartellrechtlichen Boykottatbestandes. Insbesondere müssen die Erwägungen, die im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung maßgeblich die Interessenabwägung bestimmen, auch im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Prüfung zum Tragen kommen (vgl. BGH WuW/E DE-R 303 - „Sitzender Krankentransport”). Von dem Ergebnis dieser – vom Berufungsgericht erneut vorzunehmenden – Interessenabwägung wird daher auch die lauterkeitsrechtliche Beurteilung abhängen.
III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin im übrigen Gelegenheit haben, in der zweiten Variante ihres Antrags („… und/oder bereits abgeschlossene Mietverträge fortzuführen, …”) dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Beklagte grundsätzlich vertraglich gebunden ist, eine denkbare Nichtigkeit der beanstandeten Klausel nach § 134 BGB i.V. mit § 21 Abs. 1 GWB aber kaum die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge hätte (§ 139 BGB).
Unterschriften
Geiß, Melullis, Goette, Ball, Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.09.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539790 |
DB 2000, 204 |
NJW 2000, 809 |
BGHR |
GRUR 2000, 344 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 206 |
ZIP 1999, 2069 |
ZMR 2000, 159 |
GewArch 2000, 163 |
WRP 2000, 89 |
GV/RP 2000, 569 |
FuBW 2000, 193 |
FuHe 2000, 374 |
FuNds 2000, 284 |
WuW 2000, 49 |