Leitsatz (amtlich)
Zinsen aus Sicherungsgrundschulden verjähren nach § 197 BGB. Die Verjährung ist nicht bis zum Eintritt des Sicherungsfalles gehemmt (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, BGH ZIP 1993, 257 und BGH WM 1995, 2173).
Normenkette
BGB §§ 197, 202, 1191
Verfahrensgang
OLG Köln (Aktenzeichen 24 U 194/97) |
LG Bonn (Aktenzeichen 15 O 24/97) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 22. Juli 1997 abgeändert, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. März 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordenen Grundschuldzinsen zurückgewiesen worden ist.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus den vollstreckbaren Urkunden des Notars Dr. W. vom 23. Juli 1966 (UR-Nr. …), vom 17. Mai 1968 (UR-Nr. …) und vom 15. Januar 1970 (UR-Nr. …) wird auch hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig erklärt.
Im übrigen bleiben die Klage ab- und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 13% und die Beklagte 87%, von den Kosten der Berufungsinstanz die Klägerin 17% und die Beklagte 83%. Die Kosten der Revisionsinstanz fallen der Beklagten allein zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen die von der beklagten Raiffeisenbank aus drei vollstreckbaren notariellen Urkunden betriebene Zwangsvollstreckung.
Am 23. Juli 1966, 17. Mai 1968 und 15. Januar 1970 bestellten die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann für die Kreissparkasse S. Grundschulden über 40.000 DM, 15.000 DM und nochmals 15.000 DM, jeweils zuzüglich 10% am 15. Dezember eines jeden Jahres fälliger Zinsen, an ihren in Si. und T. gelegenen Grundstücken, übernahmen die persönliche Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Anlaß für die Grundschuldbestellungen und Schuldversprechen waren Kredite, die die Gläubigerin dem Ehemann der Klägerin für seinen Geschäftsbetrieb gewährte. Der Betrieb wurde im Jahre 1980 auf den Sohn der Klägerin übertragen und von ihm in Form einer GmbH fortgeführt.
Im Februar 1989 räumte die Beklagte der GmbH Umschuldungs- und andere Kredite über insgesamt 714.850 DM ein. Als Sicherheit dienten u.a. die drei vorgenannten Grundschulden über insgesamt 70.000 DM. Die Klägerin und ihr Ehemann erklärten am 8. Februar 1989 die „Abtretung” an die Beklagte, unterzeichneten am folgenden Tag eine formularmäßige Zweckerklärung, nach der die Grundschulden zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH dienen, und übernahmen die persönliche Haftung. Am 17. Februar 1989 trat die Kreissparkasse S. die Grundschulden nebst Zinsen seit dem Tage der Eintragung ins Grundbuch an die Beklagte ab.
Die Beklagte stellte Kredite der GmbH in Höhe von rund 280.000 DM im September 1996 fällig, ließ die vollstreckbaren Urkunden der Klägerin zustellen und beantragte am 30. Dezember 1996 die Zwangsversteigerung zweier belasteter Grundstücke.
Mit ihrer Vollstreckungsgegenklage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der persönlichen Haftungsübernahme, die Beschränkung der dinglichen Haftung auf die Nominalbeträge der Grundschulden und die Verjährung eines erheblichen Teils der Grundschuldzinsen geltend gemacht.
Das Landgericht hat nur die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Schuldversprechen für unzulässig erklärt und die Vollstreckungsgegenklage im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision greift sie das Berufungsurteil nur beschränkt an; sie begehrt lediglich, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig zu erklären.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Verjährungseinrede der Klägerin ausgeführt: Der Anspruch der Beklagten auf Grundschuldzinsen sei nicht verjährt. Die Verjährung des Anspruchs sei bis zum Eintritt des Sicherungsfalles im Herbst 1996 gehemmt gewesen. § 202 Abs. 1 BGB finde auf Ansprüche aus Sicherungsgrundschulden entsprechende Anwendung.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Sie entspricht zwar der bisherigen Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluß vom 21. Januar 1993 - IX ZR 174/92, ZIP 1993, 257, 258; BGH, Urteil vom 9. November 1995 - IX ZR 179/94, WM 1995, 2173, 2176). Der erkennende Senat kann sich dieser Rechtsprechung, die Zustimmung (OLG Koblenz WM 1993, 1033, 1034 f.; LG Bückeburg WM 1994, 202, 203; Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 94 Rdn. 182; Palandt/Bassenge, BGB 58. Aufl. § 1193 Rdn. 3; Rauch/Zimmermann, Grundschuld und Hypothek 2. Aufl. Rdn. 314; v. Feldmann WuB IV A. § 202 BGB 1.94), aber auch Kritik (Staudinger/Wolfsteiner, BGB 13. Bearb. Vorbem. zu §§ 1191 ff. Rdn. 56 f.; RGRK-Joswig, BGB 12. Aufl. § 1192 Rdn. 5; Nobbe, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bankrecht 6. Aufl. Rdn. 1332, 1333; Hök MDR 1994, 645, 646 f.; Clemente EWiR 1993, 369 f.; Blaschczok WuB I F 3. - 6.93) erfahren hat, jedoch nicht anschließen; das aus dem Sicherungsvertrag folgende Recht des Sicherungsgebers, bis zum Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung die Leistung aus der jederzeit fälligen Grundschuld zu verweigern (BGH, Urteil vom 29. März 1985 - V ZR 188/83, WM 1985, 953, 954), hemmt die Verjährung von Grundschuldzinsen nach § 202 Abs. 1 BGB nicht.
Der XI. Zivilsenat hat deshalb mit Beschluß vom 26. Januar 1999 (XI ZR 90/98, WM 1999, 382 ff.) gemäß § 132 Abs. 3 GVG beim IX. Zivilsenat angefragt, ob er an seiner Rechtsauffassung festhalte, daß die Verjährung von Zinsen aus einer Sicherungsgrundschuld gehemmt sei, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist. Der IX. Zivilsenat hat mit Beschluß vom 15. April 1999 (XI ZR 90/98, WM 1999, 1165 f.) geantwortet, er messe den vom erkennenden Senat dargelegten Argumenten zwar kein deutliches Übergewicht zu, halte an seiner bisherigen Rechtsauffassung aber nicht fest, um der vom XI. Zivilsenat angestrebten Rechtsfortbildung nicht im Wege zu stehen. Damit ist für den erkennenden Senat der Weg frei, die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu ändern.
2. Diese Änderung hält der XI. Zivilsenat aus folgenden Gründen für notwendig: Die (entsprechende) Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB entspricht weder der Intention des Gesetzgebers (a) noch dem Sinn und Zweck der Sicherungsabrede (b) und ist im Vergleich zur Verjährung des Anspruchs auf rückständige Zinsen aus isolierten Grundschulden und aus Hypotheken systemwidrig (c). Eine Beschränkung der Verjährungshemmung auf den Teil der Zinsen einer Sicherungsgrundschuld, der die Zinsen aus der gesicherten Schuld übersteigt, ist nicht möglich (d).
a) Die bisherige Rechtsprechung führt dazu, daß Ansprüche auf Zinsen aus Sicherungsgrundschulden bis zum Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung nicht verjähren, sondern sich der Sicherungsumfang der Grundschuld Jahr für Jahr um die Grundschuldzinsen erhöht. Da heute regelmäßig Grundschuldzinsen von 15% jährlich und mehr vereinbart werden, verdoppelt sich der Sicherungsumfang der Grundschuld in weniger als sieben Jahren. Dieses unablässige Anschwellen des Sicherungsumfangs der Grundschuld durch Zinsen widerspricht der Intention des Gesetzgebers.
Durch die Bestimmung des § 197 BGB, daß Ansprüche auf Rückstände von Zinsen in vier Jahren verjähren, sollte die Ansammlung rückständiger Leistungen vermieden (Motive I S. 305) und ein übermäßiges, möglicherweise existenzbedrohendes Anwachsen von Schulden durch auflaufende Zinsen verhindert werden (vgl. BGHZ 28, 144, 152; 103, 160, 169). Dieselbe Erwägung liegt auch der Vorschrift des § 218 Abs. 2 BGB, daß titulierte Ansprüche auf künftig fällig werdende Zinsen nach § 197 BGB verjähren, sowie des § 223 Abs. 3 BGB zugrunde, daß sich der Schuldner auf die Verjährung von schuldrechtlichen Ansprüchen auf rückständige Zinsen auch dann berufen kann, wenn dafür eine Hypothek oder eine Grundschuld bestellt ist (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043). Die Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB auf Zinsen aus Sicherungsgrundschulden trägt dem nicht Rechnung, sondern bewirkt das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber gewollt hat.
b) Gegen die (entsprechende) Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB sprechen weiter in besonderem Maße der Sinn und Zweck der Sicherungsabrede und die sich aus ihr ergebende Einrede des mangelnden Sicherungsfalles. Durch den Sicherungsvertrag soll die dinglich nicht beschränkte Rechtsmacht des Grundschuldgläubigers schuldrechtlich im Verhältnis der Parteien auf das Maß begrenzt werden, das sich aus dem Kausalverhältnis ergibt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043). Die Sicherungsabrede bindet damit den Sicherungsnehmer und schützt den Sicherungsgeber vor einer jederzeitigen unkontrollierten Inanspruchnahme aus der Grundschuld. Die Funktion der Sicherungsabrede, den Sicherungsgeber zu schützen und ihn besser zu stellen, als er bei einer isolierten Grundschuld stünde, wird durch die (entsprechende) Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB, was die Verjährung des Anspruchs auf rückständige Grundschuldzinsen angeht, in ihr Gegenteil verkehrt (Blaschczok WuB I F 3. - 6.93).
c) Die (entsprechende) Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB führt überdies zu dem systemwidrigen Ergebnis, daß der Sicherungsgeber und Grundschuldbesteller, was die Verjährung dinglicher Zinsen angeht, schlechter gestellt wird als bei einer isolierten Grundschuld oder bei einer Hypothek. Bei beiden greift § 202 Abs. 1 BGB nicht ein. Ansprüche auf Zinsen aus isolierten Grundschulden und aus Hypotheken verjähren nach § 197 BGB in vier Jahren, wobei die Verjährung nach § 225 Satz 1 BGB weder ausgeschlossen noch erschwert werden kann. Einen sachlichen Grund, Ansprüche auf rückständige Zinsen aus Sicherungsgrundschulden verjährungsrechtlich anders zu behandeln, gibt es nicht.
Dem kann, anders als die Beklagte meint, nicht entgegengehalten werden, § 202 Abs. 1 BGB trage dem Fall Rechnung, daß der Schuldner die auf die gesicherte Forderung zu entrichtenden Zinsen nicht bezahle. Schuldrechtliche Ansprüche auf rückständige Zinsen verjähren, wie dargelegt, nach § 197 BGB auch dann in vier Jahren, wenn dafür eine Hypothek oder eine Grundschuld bestellt ist (§ 223 Abs. 3 BGB).
d) Die Hemmung der Verjährung der Grundschuldzinsen läßt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht auf den Teil der Zinsen beschränken, der die Zinsen der gesicherten Schuld übersteigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sichern die ausbedungenen Grundschuldzinsen nicht nur die Darlehenszinsen, sondern auch die Hauptforderung (BGH, Urteil vom 13. Mai 1982 - III ZR 164/80, WM 1982, 839, 841; BGH, Urteil vom 4. Juni 1992 - IX ZR 58/91, WM 1992, 1497, 1500; BGH, Beschluß vom 21. Januar 1993 - IX ZR 174/92, ZIP 1993, 257, 258; BGH, Urteil vom 9. November 1995 - IX ZR 179/94, WM 1995, 2173, 2176). Die von einem Teil der Literatur (Rimmelspacher WuB I F 3.-8.99) befürwortete ergänzende Auslegung der Sicherungsabrede dahin, daß die Grundschuldzinsen nur die Forderungszinsen sichern, ist nicht möglich. Es fehlt schon an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke in der Sicherungsabrede. Nach deren Wortlaut dient die gesamte Grundschuld einschließlich der ausbedungenen Zinsen der Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten. Überdies ist für die Annahme eines übereinstimmenden (hypothetischen) Vertragswillens der Parteien, die Grundschuldzinsen sicherten nur die geschuldeten Darlehenszinsen, angesichts des gezeigten Verhaltens der Beklagten kein Raum. Die Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung gerade auch in Bezug auf die aufgelaufenen Grundschuldzinsen, um die gesicherte Hauptforderung durchzusetzen.
3. Da die Verjährung von Zinsen aus einer Sicherungsgrundschuld danach nicht bis zum Eintritt des Sicherungsfalles gehemmt ist, war die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB für die im Jahre 1991 oder früher fällig gewordenen Grundschuldzinsen bei Unterbrechung der Verjährung nach § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB durch Stellung des Zwangsversteigerungsantrags am 30. Dezember 1996 bereits abgelaufen (§§ 198, 201 BGB).
III.
Auf die Revision der Klägerin war das Berufungsurteil daher teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), die Zwangsvollstreckung der Beklagten hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig zu erklären.
Unterschriften
Nobbe, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.09.1999 durch Bartholomäus Justizangestellte als Urdkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539510 |
BGHZ, 332 |
BB 1999, 2322 |
DB 1999, 2630 |
DStR 1999, 1914 |
NJW 1999, 3705 |
NWB 1999, 4242 |
BauR 2000, 304 |
EBE/BGH 1999, 362 |
EWiR 2000, 59 |
JR 2000, 322 |
KTS 2000, 281 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 2253 |
WuB 2000, 143 |
WuB 2000, 159 |
ZAP 1999, 1135 |
ZIP 1999, 1883 |
ZfIR 1999, 836 |
DNotZ 2000, 59 |
InVo 2000, 313 |
MDR 1999, 1517 |
NJ 2000, 45 |
Rpfleger 2000, 60 |
VuR 2000, 72 |
NotBZ 1999, 251 |
ZBB 1999, 389 |
ZNotP 1999, 475 |