Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung eines Vorkaufsrechts bei Verlangen der Übertragung des verkauften Miterbenteils
Leitsatz (amtlich)
Zur Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn einer oder mehrere Miterben die Übertragung des verkauften Miterbenteils auf sich allein verlangen.
Normenkette
BGB § 2034 Abs. 1, § 513
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Januar 1980 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin gehört den Erbengemeinschaften nach ihren Eltern an. Mitglieder der Erbengemeinschaft sind neben ihr ihre beiden Schwestern und ihre Tochter. Drei weitere Miterben verkauften und übertrugen ihre Anteile an den Nachlässen dem Beklagten. Anteilskauf und - Übertragung wurden bisher weder von den Verkäufern noch vom Beklagten den Mitgliedern der Erbengemeinschaften mitgeteilt. Die Klägerin erfuhr jedoch anderweitig vom Verkauf und machte daraufhin gegenüber den Verkäufern und dem Beklagten "ihr Vorkaufsrecht als Miterbin" geltend. Ihre beiden Schwestern haben sich bisher geweigert, das Vorkaufsrecht mit der Klägerin gemeinschaftlich auszuüben.
Der auf Übertragung der Nachlaßanteile auf die Klägerin Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises und der Aufwendungen des Beklagten gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten durch Urteil vom 20. April 1977 zurückgewiesen. Nach Aufhebung dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof hat es auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen und auch den in der Berufungsinstanz von der Klägerin erstmals gestellten Hilfsantrag, die Anteile an den Nachlässen auf alle Mitglieder der Erbengemeinschaft zu übertragen, zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt:
Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1.
Das Berufungsgericht führt aus, das Vorkaufsrecht gemäß § 2034 Abs. 1 BGB stehe den Miterben als gemeinschaftliches Recht zu. Solange es nicht gegenüber den übrigen Miterben erloschen sei, könne es daher nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Da es an einer Einigung der Miterben über die Ausübung des Vorkaufsrechts fehle, sei die Ausübung dieses Rechts durch die Klägerin allein nicht geeignet, den Vorkauf zustandezubringen.
2.
Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern.
a)
Das Vorkaufsrecht nach § 2034 Abs. 1 BGB soll den Miterben die Möglichkeit eröffnen, den Eintritt Außenstehender in die Gemeinschaft zu verhindern, um die Zuordnung des Nachlasses an die Erbengemeinschaft zu erhalten und Auseinandersetzung oder Fortbestehen der Gemeinschaft zu erleichtern oder zu sichern, auf die der Anteilserwerber Einfluß nehmen könnte (BGHZ 56, 115, 119; RGZ 170, 203, 207; Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band V. S. 497). Es steht daher, wie in der Rechtslehre anerkannt ist, den übrigen Miterben gemeinschaftlich und nicht etwa jedem einzelnen Miterben zu. Anträge zu einer anderweitigen Regelung wurden im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich abgelehnt (Mugdan V, 496, 497, 499). Dem entspricht es, daß das bürgerliche Recht keine Regelung für die Konkurrenz der Rechte mehrerer Miterben enthält, die sich zur Ausübung des Vorkaufsrechts entschlossen haben.
b)
Das Interesse eines jeden Miterben an der Erhaltung der Gemeinschaft unter ihren bisherigen Mitgliedern ist demjenigen jedes anderen Miterben gleichwertig. Dieses Interesse kann auch dahingehen, eine Vergrößerung des Einflusses eines Miterben in der Gemeinschaft zu vermeiden, der durch alleinige Ausübung des Vorkaufsrechts seinen Anteil am Nachlaß vergrößern und so zum bestimmenden Mitglied der Gemeinschaft würde. Auch das Bestreben der übrigen Miterben, eine Änderung der quotenmäßigen Beteiligung am Nachlaß durch den Eintritt eines Miterben in die Stellung eines anderen Miterben, der seinen Anteil verkauft hat, zu vermeiden, ist schutzwürdig.
c)
Zur Ausübung des Vorkaufsrechts bedarf es daher einer Einigung der Miterben (vgl. § 513 Satz 1 BGB, RGZ 158, 57, 60). § 513 Satz 2 BGB läßt diese Lage grundsätzlich unberührt. Keiner der Miterben ist gehalten, durch Teilnahme an der Ausübung des Vorkaufsrechts und Übernahme der hieraus entstehenden Verpflichtungen die Quote seines Anteils am Nachlaß im Verhältnis zu den nach Ausscheiden des Veräußerers verbleibenden Mitgliedern zu erhalten. Übt ein Miterbe sein Vorkaufsrecht nicht aus, so hat das gemäß § 513 Satz 2 BGB nur zur Folge, daß die übrigen Miterben berechtigt sind, das Vorkaufsrecht auch ohne Teilnahme und Verpflichtung des nichtinteressierten Miterben auszuüben (Meyer, Gruchot Beitr. 51, 785, 794). Das Recht, an der Willensbildung und -ausübung innerhalb der Gemeinschaft mitzuwirken, beschneidet die Vorschrift nicht. Dieses Recht kann allein durch Ablauf der in § 2034 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmten Frist oder durch Verzicht des jeweiligen Miterben erlöschen.
3.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch einen Miterben allein kann nur daher aufschiebend bedingt durch eine dahingehende Einigung aller Miterben, durch das Erlöschen des Rechts oder durch den Verzicht auf Ausübung durch die übrigen Miterben wirksam sein (RGZ 158, 57, 60).
Die hierzu als Zeuginnen vernommenen Schwestern der Klägerin haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erklärt, weder mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der Klägerin allein noch mit einer solchen zugunsten aller Miterben einverstanden zu sein. Damit fehlt es an der zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin allein notwendigen Einigung der Miterben. Daß die Schwestern der Klägerin möglicherweise ihrerseits das hier nicht zu verwirklichende Ziel verfolgen, die veräußerten Nachlaßanteile jeweils für sich allein zu erwerben, ersetzt die fehlende Einigung nicht. Das Bestreben der Klägerin, die veräußerten Anteile für sich allein zu erwerben, ist demjenigen ihrer Schwestern in keiner Weise vorzuziehen. Einen gemeinschaftlichen Erwerb der veräußerten Anteile, wie ihn die Klägerin mit ihrem hilfsweise gestellten Antrag zu erreichen versucht, kann sie ihren Schwestern nicht aufzwingen.
Die Behauptung der Revision, die Schwestern der Klägerin könnten die ihnen bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch sie allein entstehenden Verpflichtungen nicht erfüllen, ist schon deshalb unerheblich, weil das Berufungsgericht wegen der seit dem Verkauf der Miterbenanteile eingetretenen Wertsteigerung der Grundstücke ohne Rechtsfehler davon ausgehen durfte, die beiden Schwestern der Klägerin seien jedenfalls in der Lage, sich die erforderlichen Mittel zu beschaffen.
Wie das Berufungsgericht auf Seite 9/10 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen des § 513 Satz 2 BGB nicht vor. Diese Ausführungen werden auch von der Revision nicht angegriffen. Sie meint jedoch, unter den gegebenen Umständen müßten sich die beiden Schwestern der Klägerin nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob sie auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts verzichtet hätten. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Die Einstellung der Schwestern der Klägerin verhindert zwar nach der zur Zeit gegebenen Sachlage praktisch einen Erfolg der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin. Daraus läßt sich jedoch nicht der Schluß ziehen, daß sie gegen Treu und Glauben handeln. Die Schwestern der Klägerin haben ihr Vorkaufsrecht bisher weder gegenüber den Verkäufern noch gegenüber dem Beklagten als Käufer der Erbanteile ausgeübt. Nach Feststellung des Berufungsgericht ist die Frist des § 2034 Abs. 2 Satz 1 BGB den Schwestern gegenüber noch nicht in Lauf gesetzt. Sie haben jedoch vor dem Berufungsgericht erklärt, sie wollten das Vorkaufsrecht je für sich allein ausüben und die verkauften Erbteile für sich haben. Sie wollen hiernach jeweils in gleicher Weise verfahren, wie es die Klägerin getan hat und wie es ihrem im Rechtsstreit in erster Linie verfolgten Klagebegehren entspricht. Ein treuwidriges Verhalten der Schwestern liegt darin nicht. Auch eine entsprechende Anwendung des § 513 Satz 2 BGB kommt hier nicht in Betracht. Es kann nicht so angesehen werden, als übten die Schwestern ihr Vorkaufsrecht nicht aus oder als hätten sie darauf verzichtet. Daß sie sich bisher weigern, es gemeinschaftlich mit der Klägerin auszuüben, reicht dafür nicht aus. Eine Ausübung des Rechts, wie die Schwestern sie im Auge haben, kann noch zum Erfolg führen, wenn das Vorkaufsrecht der übrigen Miterben, z.B. durch Verzicht, entfällt. § 513 Satz 2 BGB sieht die Möglichkeit des Erwerbs des ganzen Anteils durch einen der mehreren Berechtigten unter bestimmten Voraussetzungen gerade vor. Einem Miterben ist es daher gestattet, das Vorkaufsrecht nur mit diesem möglicherweise erreichbaren Ziel auszuüben, ohne daß dadurch für die übrigen Miterben die Rechtsfolge des § 513 Satz 2 BGB ausgelöst würde (RGZ 158, 57, 63 f).
Die Revision mußte somit zurückgewiesen werden.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1456550 |
NJW 1982, 330 |
DNotZ 1982, 368 |