Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.11.1973) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 7. November 1973 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Im Jahre 1955 wurde er zu ihrem Geschäftsführer bestellt. Das Anstellungsverhältnis sollte als für die Dauer der Gesellschaft abgeschlossen gelten.
In der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 2. November 1970 wurde der Antrag gestellt, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen und seinen Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen. Gegen den Widerspruch des Klägers und zweier anderer Gesellschafter, die beanstandeten, daß als Tagungsordnungspunkt insoweit lediglich "Grundsätzliches zur Geschäftsführung" angekündigt war, stimmte die Versammlung über den Antrag ab und nahm ihn mit Mehrheit an. Das anschließende Kündigungsschreiben der Beklagten vom 2. November 1970 verwies auf diesen Beschluß sowie auf die als Anlagen beigefügten Beiratsberichte vom 12. Februar, 5. Mai und 27. Oktober 1970, die gegen den Kläger eine Reihe schwerer Vorwürfe wegen seiner Geschäftsführung enthielten. Gegen den Abberufungs- und Kündigungsbeschluß erhob der Kläger eine Anfechtungsklage. In dem anschließenden Rechtsstreit erklärte die Beklagte, sie leite aus dem Beschluß keine Rechte her. Daraufhin erklärten die Parteien die Hauptsache für erledigt.
Am 30. Dezember 1970 fand wieder eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. Diesmal waren die Abberufung des Klägers und die Kündigung seines Anstellungsvertrags als Tagesordnungspunkt in der Einladung angekündigt. Die Versammlung stimmte erneut mit Mehrheit diesen Anträgen zu. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1970, dem Kläger zugegangen am 2. Januar 1971, wiederholte die Beklagte vorsorglich die fristlose Kündigung.
Der Kläger hält auch diese Kündigung unter anderem deshalb für unwirksam, weil die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Außerdem fehle es an einem wichtigen Grund für die Kündigung. Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß sein Dienstverhältnis mit der Beklagten nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Kündigung in erster Linie auf die erwähnten Beiratsberichte bezogen, aus denen sich ergebe, daß der Kläger ihre Geschäfte jahrelang schlecht geführt, die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdet und Weisungen des Beirats mißachtet habe. Darüber hinaus hat sie dem Kläger weitere Verstöße gegen seine Pflichten als Geschäftsführer vorgeworfen.
Beide Vorinstanzen haben der Feststellungsklage stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält weder die Kündigungserklärung der Beklagten vom 2. November 1970 noch die vom 30. Dezember 1970 für wirksam. Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.
1.
Nachdem die Beklagte in dem Rechtsstreit über die Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses vom 2. November 1970 ausdrücklich erklärt hat, dieser Beschluß sei unwirksam und sie wolle aus ihm keine Rechte herleiten, darf sie sich auch nicht mehr auf die daraufhin ausgesprochene Kündigung berufen. Denn entgegen der Auffassung der Revision setzt die im Zusammenhang mit der Abberufung als Geschäftsführer ausgesprochene Kündigung nach § 46 Nr. 5 GmbHG einen rechtsgültigen Gesellschafterbeschluß voraus (Urt. d. Sen. v. 7. 11. 68 - II ZR 63/67, WM 1968, 1350 zu II 1).
2.
Die Kündigung vom 30. Dezember 1970 war nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts unwirksam, weil die Beklagte sie entgegen § 626 Abs. 2 BGB nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt erklärt hat, in dem sie von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hatte.
a)
Ist eine außerordentliche Kündigung, wie hier, darauf gestützt, daß der Gekündigte in der ihm anvertrauten Stellung über längere Zeit hinweg laufend versagt habe, so geht es um die Beurteilung eines Gesamtverhaltens, die sich in diesem wie in allen Fällen nur auf bestimmte Einzeltatsachen stützen kann. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist daher auch hier nur gewahrt, wenn dem Dienstberechtigten noch in den letzten beiden Wochen vor der Kündigung Umstände bekannt geworden sind, die ein weiteres und letztes Glied des Kündigungssachverhaltes bilden (Urt. d. Sen. v. 5. 6. 75 - II ZR 131/73, WM 1975, 793). Hat der Kündigungsberechtigte trotz einer solchen Kenntnis den ändern Teil zunächst weiterbeschäftigt, so hängt die Zulässigkeit einer späteren, mit dem gleichen Vorwurf begründeten Kündigung davon ab, ob der andere Teil sein zu beanstandendes Tun oder Unterlassen fortsetzt, so daß mindestens im Zusammenhang mit seinem früheren Verhalten ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt.
b)
Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem die Beklagte zwar fristgerecht, aber unwirksam gekündigt und es dann versäumt hat, die Kündigung rechtzeitig in gehöriger Weise zu wiederholen. Hierbei kann es nicht, wie die Revision meint, darauf ankommen, ob der Kläger aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 2. November 1970 von ihrer Kündigungsabsicht gewußt hat. Denn der tatsächlich geäußerte Kündigungswille ersetzt nicht eine den Vorschriften des § 626 Abs. 2 BGB des § 46 Nr. 5 GmbHG entsprechende Kündigung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB soll die Verwirkung des Kündigungsrechts im Interesse des Betriebsfriedens und der Rechtssicherheit zeitlich fixieren (Urt. d. Sen. v. 24. 11. 5 - II ZR 104/73, WM 1976, 77; BAG, Urt. v. 28. 10. 71 - 2 AZR 32/71, NJW 1972, 463). Hat der Kündigungsberechtigte sie ungenutzt verstreichen lassen, so ist unwiderlegbar davon auszugehen, daß ihm ungeachtet aller bisher bekannt gewordenen Gründe und ihrer Schwere die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zuzumuten ist (BAGE 24, 292, 295 und 401, 406). Damit ist ihm auch der Einwand abgegeschnitten, der andere Teil habe unter den angegebenen Umständen noch nach Fristablauf mit einer Kündigung rechnen können und müssen.
c)
Unstreitig kannten die Gesellschafter der Beklagten spätestens am 2. November 1970 durch die Beiratsberichte sämtliche Tatsachen, die den Anlaß der ersten (unwirksamen) Kündigung bildeten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren sie in diesem Zeitpunkt auch von allen weiteren Kündigungsgründen unterrichtet, auf die sich die Beklagte nachträglich noch berufen hat. Die Kündigungserklärung vom 30. Dezember 1970 war daher verspätet, selbst wenn man mit dem Landgericht der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB die einwöchige Frist für die Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) voll hinzurechnet. Zu Unrecht hält die Revision das in der Versammlung vom 2. November 1970 erlangte Wissen der Gesellschafter für unbeachtlich, weil die Einladung insoweit nicht den Anforderungen des § 51 Abs. 2 GmbHG entsprochen habe. Im Gegensatz zur Kündigung selbst, die nach § 46 Nr. 5, §§ 47, 48 GmbHG grundsätzlich in einer Gesellschafterversammlung förmlich beschlossen werden muß, ist die Kenntnisnahme nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB ein rein tatsächlicher Vorgang, der sich auch außerhalb einer Versammlung abspielen kann.
d)
Mit Recht hat das Berufungsgericht darin, daß der Kläger sich auf die Unwirksamkeit der ersten Kündigung beruft, keinen Rechtsmißbrauch gesehen. Mit der gerichtlichen Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses vom 2. November 1970 hat der Kläger nur sein gesetzliches Recht als Gesellschafter ausgeübt. Auch hat er die Beklagte von vornherein nicht im Zweifel darüber gelassen, daß er den damaligen Beschluß aus förmlichen Gründen für gesetzwidrig hielt. So hat er - neben anderen Gesellschaftern und dem Notar - bereits in der Versammlung vom 2. November 1970 den Beschluß nach § 51 Abs. 2 GmbHG beanstandet. Die Beklagte hat es daher allein sich selbst zuzuschreiben, daß sie nicht unter Beachtung dieser Vorschrift sofort eine neue Gesellschafterversammlung einberufen hat, um Kündigungsbeschluß und -erklärung noch rechtzeitig wiederholen zu können.
Fundstellen
Haufe-Index 3018709 |
DB 1976, 859-860 (Volltext mit red. LS) |