Leitsatz (amtlich)
Erfolgt eine Beweisaufnahme mit anschließender letzter mündlicher Verhandlung in erster Instanz unter Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung, so wird im Berufungsverfahren die Kausalität des Verfahrensfehlers für die angegriffene Entscheidung unwiderlegbar vermutet. Sofern sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, ist der betroffene Verfahrensabschnitt – entweder nach Zurückverweisung durch das erstinstanzliche Gericht oder durch das Berufungsgericht – zu wiederholen. Übernimmt das Berufungsgericht den nicht geheilten, fehlerhaften Verfahrensabschnitt im Berufungsverfahren, stellt dies einen erneuten Verstoß gegen § 169 GVG dar.
Zur Auslegung einer Vereinbarung zwischen zwei Sicherungsnehmern über den Austausch ihrer Sicherheiten.
Normenkette
GVG § 169 S. 1; BGB § 157
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 20 O 700/93) |
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 22 U 111/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Herstellerin von Autobussen, verkaufte im Frühjahr 1988 an die G.-GmbH (im folgenden: Firma G.) einen gebrauchten Reisebus 122 (im folgenden: Bus 122) für 279.300 DM. Im Gegenzug sollte die Firma G. der Klägerin einen gebrauchten Reisebus 117 (im folgenden: Bus 117) für 253.400 DM in Zahlung geben. Bis zur Zahlung des restlichen Kaufpreises von 25.900 DM behielt sich die Klägerin das Eigentum an dem verkauften Bus 122 vor.
Nach Abschluß des Kaufvertrages erfuhr die Klägerin, daß die Firma G. den Bus 117 der Beklagten zur Sicherheit für ein von dieser gewährtes Darlehen übereignet hatte. Im Zuge eines beabsichtigten Sicherheitenaustausches übersandte die Beklagte der Firma G. ein Schreiben vom 1. März 1988, das unter anderem wie folgt lautet:
„… wir nehmen Bezug auf das heute in unserem Hause geführte Gespräch. Zu einem Sicherheitenaustausch in Ihrer Kreditangelegenheit sind wir grundsätzlich bereit, jedoch muß gewährleistet sein, daß der uns neu zu übereignende Kraftomnibus im Wert mindestens dem uns jetzt als Sicherheit zur Verfügung stehenden Bus entsprechen muß.
Den Omnibus [Bus 117] … werden wir an Sie zurückübereignen, wenn uns vorher das Eigentum an dem neu zu erwerbenden Fahrzeug verschafft wird.”
Kurz vor dem 9. März 1988 kam es zu einem Telefongespräch zwischen dem leitenden Mitarbeiter R. der Klägerin und dem leitenden Mitarbeiter K. der Beklagten, bei dem diese vereinbarten, die Kraftfahrzeugbriefe für die Busse 122 und 117 auszutauschen. Der weitere Inhalt des Gespräches ist streitig.
Am 9. März übergab ein Mitarbeiter der Klägerin dem Mitarbeiter Ke. der Beklagten in deren Geschäftsräumen den Kraftfahrzeugbrief für den Bus 122 und ein Schreiben der Klägerin, das im wesentlichen folgenden Inhalt hat:
„… absprachegemäß überreichen wir Ihnen in der Anlage KFZ Brief Nr. … [von Bus 122] mit der Maßgabe, Zug um Zug entsprechend Ihrem Schreiben an die Firma G. datierend vom 01.03.1988 uns den KFZ-Brief für das Fahrzeug … [Bus 117] zu übergeben.
Mit der Übergabe des anliegend beigefügten, eingangs schon beschriebenen KFZ-Briefes übertragen wir Ihnen direkt, unmittelbar und uneingeschränkt unsere vorbehaltenen Eigentumsrechte an diesem Fahrzeug. Sie übertragen uns im Gegenzug durch Übergabe des KFZ-Briefes für das Fahrzeug … [Bus 117] ebenfalls direktes, unmittelbares, uneingeschränktes Eigentum.”
Der Zeuge Ke. händigte dem Mitarbeiter der Klägerin den Kraftfahrzeugbrief für den Bus 117 aus; ein Widerspruch gegen das Schreiben der Klägerin erfolgte nicht. Mit Datum vom 10. März 1988 schlossen die Beklagte und die Firma G. einen Sicherungsvertrag, mit dem diese der Beklagten den Bus 122 zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Firma G. übereignete. In der Folgezeit stellte sich heraus, daß der Bus 117 gestohlen worden war. Die Klägerin wurde rechtskräftig verurteilt, dem Eigentümer des Fahrzeuges den Verkehrswert des zwischenzeitlich veräußerten Omnibusses zu erstatten.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 409.942,75 DM nebst Zinsen mit der Behauptung in Anspruch, während des Telefongespräches kurz vor dem 9. März 1988 hätten sich die Mitarbeiter der Parteien darauf geeinigt, daß mit dem Austausch der Kraftfahrzeugbriefe das Eigentum an den Bussen übertragen werden solle. Die Parteien hätten sich dabei wechselseitig zur Übereignung der beiden Busse verpflichtet, so daß die Beklagte, wie die Klägerin meint, für die Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung einzustehen habe.
Das Landgericht hat die Klage zunächst abgewiesen. Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht hat es die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte behauptet, der Kammervorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht während der Vernehmung des Zeugen K. einen Zuhörer, der den Sitzungssaal betreten hatte, mit dem Hinweis, die Sitzung sei nicht öffentlich, des Saales verwiesen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Selbst wenn es richtig sei, daß der Kammervorsitzende die Öffentlichkeit für einen Teil der Beweisaufnahme grundlos ausgeschlossen habe, so sei dieser Verfahrensfehler nicht für das angefochtene Urteil ursächlich, weil es weder denkbar noch dargetan sei, daß der Zeuge K. ohne Ausschluß der Öffentlichkeit eine andere Aussage gemacht hätte. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 539 ZPO komme deshalb nicht in Betracht, jedenfalls würde der Senat von einer Zurückverweisung der Sache nach § 540 ZPO absehen.
Im übrigen sei die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Parteien hätten einen Tauschvertrag im Sinne des § 515 BGB abgeschlossen, durch den sich die Beklagte verpflichtet habe, im Austausch gegen den Bus 122 der Beklagten den Bus 117 an die Klägerin zu übereignen. Es könne dahinstehen, ob dieser Tauschvertrag bereits in dem Telefongespräch kurz vor dem 9. März 1988 zwischen den Mitarbeitern der Parteien abgeschlossen worden sei. Jedenfalls sei der Vertrag mit dem Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 9. März 1988 zustandegekommen, das als kaufmännisches Bestätigungsschreiben anzusehen sei und in seinem zweiten Absatz eindeutig bestätige, daß die Klägerin der Beklagten mit der Übergabe des Kraftfahrzeugbriefes das Eigentum am Bus 122 und die Beklagte im Gegenzug der Klägerin mit der Übergabe des Kraftfahrzeugbriefes das Eigentum an dem Bus 117 übertrage. Dem habe die Beklagte nicht unverzüglich widersprochen. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, wenn die Beklagte den Inhalt des Schreibens nicht hätte gegen sich gelten lassen wollen. Denn der Beweis für die Behauptung, der Inhalt des Schreibens weiche so weit von dem Verhandlungsergebnis ab, daß die Klägerin vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis der Beklagten habe rechnen können, sei ihr angesichts der gegensätzlichen Aussagen der Zeugen K. und R. nicht gelungen. Im übrigen sei das Schreiben der Klägerin vom 9. März 1988 auch als Angebot zur wechselseitigen Übereignung der beiden Busse anzusehen, das die Beklagte stillschweigend angenommen habe. Da ihr jedoch die Übereignung von Bus 117 unmöglich sei und sie dieses zu vertreten habe, sei die Beklagte der Klägerin aus § 325 BGB schadensersatzpflichtig.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Die Revision ist der Ansicht, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten zur erstinstanzlichen Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes verfahrensfehlerhaft behandelt. Das trifft zu.
a) Das Berufungsgericht ist der unter Zeugenbeweis gestellten Behauptung der Beklagten, der Vorsitzende der landgerichtlichen Kammer habe während der Beweisaufnahme einem Zuhörer mit dem Hinweis, die Sitzung sei nicht öffentlich, den Zugang zum Sitzungssaal verwehrt, nicht nachgegangen. Für die Revisionsinstanz ist daher zugunsten der Beklagten von der Richtigkeit ihrer Behauptung und damit von einer Verletzung der Öffentlichkeitsvorschrift des § 169 Satz 1 GVG auszugehen.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts beruht das erstinstanzliche Urteil auf diesem Verfahrensmangel (§ 539 ZPO). Da sich die Verletzung der Öffentlichkeitsvorschrift hier auch auf die an die Beweisaufnahme anschließende letzte mündliche Verhandlung vor dem Landgericht erstreckt, ist aus Sicht des Berufungsgerichts von einem absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 551 Nr. 6 ZPO auszugehen, bei dessen Vorliegen die Kausalität des Verfahrensfehlers für die angegriffene Entscheidung auch im Berufungsverfahren unwiderlegbar vermutet wird (vgl. BGH, Urt. vom 13. April 1992 – II ZR 105/91, NJW 1992, 2099 unter II 4; Musielak/Ball, ZPO, § 539 Rdnr. 4; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage, § 539 Rdnr. 6, jew. m.w.N., Thomas/Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 539 Rdnr. 5; a.A. Rimmelspacher in MünchKomm-ZPO, § 539 Rdnr. 8). Auf die vom Berufungsgericht erörterte und verneinte Frage, ob die Beweisaufnahme und damit das sich auf das Beweisergebnis stützende erstinstanzliche Urteil ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre, kommt es deshalb nicht an. Soweit das Berufungsgericht im übrigen ausführt, es sei nicht denkbar und vom Beklagten nicht dargetan, daß der Zeuge K. ohne Ausschluß der Öffentlichkeit eine andere Aussage gemacht hätte, berücksichtigt dies nicht, daß die Verletzung der Öffentlichkeit von unberechenbarer Wirkung ist (Baumbauch/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Auflage, Übersicht vor § 169 GVG, Rdnr. 2 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien) und nur durch Wiederholung des betroffenen Verfahrensabschnitts – entweder nach Zurückverweisung durch das erstinstanzliche Gericht oder durch erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht – geheilt werden kann (Wolf in MünchKomm-ZPO, § 169 GVG Rdnr. 65 m.w.N.; vgl. auch Kissel, GVG, 2. Auflage, § 169 Rdnr. 61). Allein für den Fall, daß sich der Verfahrensmangel nicht ausgewirkt hat, weil sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist, sind diese Maßnahmen entbehrlich (Brehm, ZZP 107 (1994), 463, 475; Thomas/Putzo aaO; vgl. auch BGHZ 132, 383, 386).
c) Soweit das Berufungsgericht von einer Zurückverweisung abgesehen hat, ohne dies näher zu begründen, ist dies nicht zu beanstanden. Denn mit dem Hinweis auf § 540 ZPO hat das Berufungsgericht jedenfalls zu erkennen gegeben, daß es die Frage nach der Zurückverweisung (§ 539 ZPO) gesehen und sich hierzu Gedanken gemacht hat. Das reicht aus (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 4. Juli 1969 – V ZR 199/68, NJW 1969, 1669; grundlegend: BGHZ 23, 36, 50). Verfahrensfehlerhaft ist indes, daß das Berufungsgericht die angegriffene Beweisaufnahme in seinem Urteil verwertet hat. Bei seiner Würdigung des klägerischen Schreibens vom 9. März 1988 als kaufmännisches Bestätigungsschreiben hat es den von der Beklagten zu erbringenden Beweis dafür, daß das Schreiben inhaltlich eine wesentliche Abweichung von dem (mündlichen) Verhandlungsergebnis enthalte, im Hinblick auf die entgegenstehenden Zeugenaussagen im erstinstanzlichen Verfahren als nicht erbracht angesehen. Damit hat es den fehlerhaften Verfahrensabschnitt in das Berufungsverfahren übernommen, was als erneute Verletzung von § 169 Satz 1 GVG anzusehen ist (Wolf aaO Rdnr. 65).
d) Entgegen der Auffassung der Revision stellt dieser Verfahrensfehler hier allerdings keinen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 551 Nr. 6 ZPO dar. Ob mit der Verwertung eines Verfahrensabschnittes, bei dem die Öffentlichkeitsvorschriften verletzt wurden, zugleich ein absoluter Revisionsgrund vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt (dafür insbesondere Wolf aaO Rdnr. 65), kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn § 551 ZPO greift nur ein, wenn feststeht, daß die Öffentlichkeitsvorschriften verletzt worden sind. Der Fehler des Berufungsgerichts beruht jedoch darauf, daß es – soweit es die angeblich fehlerhafte Verfahrenshandlung selbst verwerten wollte – unterlassen hat, der entsprechenden Behauptung des Beklagten nachzugehen. Für die unterlassene Aufklärung und das übergangene Beweisangebot gilt § 551 ZPO indes nicht, so daß es für die Frage, ob das angefochtene Berufungsurteil auf dem Verfahrensverstoß beruht (§ 549 Abs. 1 ZPO), darauf ankommt, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts von seiner Würdigung des Schreibens vom 9. März 1988 als kaufmännisches Bestätigungsschreiben abhängt oder ob sie von der hilfsweise herangezogenen Begründung getragen wird, wonach die Beklagte ein im Schreiben vom 9. März 1988 liegendes Vertragsangebot der Klägerin stillschweigend angenommen hat. Letzteres ist aber – wie noch auszuführen sein wird – nicht der Fall.
2. Das Berufungsgericht ist vom Zustandekommen eines selbständigen Tauschvertrages ausgegangen. Hierzu hat es das Schreiben der Klägerin vom 9. März 1988 als Angebot zum Abschluß eines Tauschvertrages im Sinne des § 515 BGB ausgelegt. Diese Auslegung ist – wie die Revision mit Recht rügt – nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Allerdings unterliegt die tatrichterliche Auslegung einer – wie hier zu beurteilenden – Individualvereinbarung im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf, ob diese unter Mißachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln (§ 133, 157 BGB) und der zu ihnen entwickelten, allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze vorgenommen worden ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 23. April 1997 – VIII ZR 212/96, NJW 1997, 1845 unter II 1 b m.w.N.). Danach ist der Tatrichter unter anderem gehalten, alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend zu würdigen und seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darzulegen. Zumindest die wichtigsten für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechenden Umstände sind in ihrer Bedeutung für das Auslegungsergebnis zu erörtern und gegeneinander abzuwägen. Ist die Begründung in diesem Sinne lückenhaft, so leidet die Entscheidung an einem rechtlichen Mangel (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 16. Oktober 1991 – VIII ZR 140/90, NJW 1992, 170 unter II 1 b aa, und vom 21. Oktober 1992 – VIII ZR 99/91, BGHR ZPO § 550 – Vertragsauslegung 4, jew. m.w.N.). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört daneben auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (statt vieler: BGHZ 115, 1, 5; 131, 136, 138 jeweils m.w.N.), durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (Senatsurteil vom 6. Juni 1979 – VIII ZR 281/78, WM 1979, 918). Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.
b) Schon dem Wortlaut des Schreibens vom 9. März 1988 läßt sich – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – kein „eindeutiges” Angebot zum Abschluß eines schuldrechtlichen Tauschvertrages zwischen den Parteien entnehmen. Soweit es im zweiten Absatz des Schreibens, auf den das Berufungsgericht maßgeblich abstellt, heißt, durch die Übergabe der Kfz-Briefe „übertragen” die Parteien wechselseitig „Eigentum” an den Fahrzeugen, ist diese Erklärung unmittelbar auf die Vornahme einer dinglichen Übereignung, nicht dagegen auf den Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrages gerichtet.
c) Soweit das Berufungsgericht dem Schreiben gleichwohl ein schuldrechtliches Vertragsangebot entnimmt, fehlt eine weitergehende Begründung. Insbesondere hat sich die Vorinstanz nicht mit den zugrundeliegenden Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Firma G. einerseits und der Beklagten und der Firma G. andererseits auseinandergesetzt. Dessen hätte es indes bedurft. Denn die erkennbare beiderseitige Interessenlage spricht maßgeblich gegen die Annahme einer durch das klägerische Schreiben begründeten, selbständigen schuldrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien, durch die der Beklagten der Klägerin gegenüber eine Pflicht zur Eigentumsverschaffung auferlegt wäre. Jedenfalls dürfte die Beklagte der Klägerin nach der Interessenlage nicht mehr schulden als die Übertragung der Rechtsposition an dem Bus 117, die sie von der Firma G. erworben hatte.
aa) Daß die wechselseitige Übertragung der an den beiden Bussen jeweils bestehenden Rechte lediglich als verkürzter Leistungsaustausch in Erfüllung des Kaufvertrages zwischen der Klägerin und der Firma G. einerseits und des geänderten Sicherungsvertrages zwischen der Firma G. und der Beklagten andererseits erfolgte, legt bereits das Schreiben der Klägerin vom 9. März 1988 nahe. Soweit es dort in Absatz 1 heißt, die Klägerin übergebe den Kraftfahrzeugbrief von Bus 122 gegen den Kraftfahrzeugbrief von Bus 117 „… Zug um Zug entsprechend Ihrem Schreiben an die Firma G. vom 01.03.1988 …”, wird unmittelbar auf das Schreiben der Beklagten vom 1. März 1988 Bezug genommen, in dem sich die Beklagte gegenüber der Firma G. verpflichtet hatte, den ihr zur Sicherheit übereigneten Bus 117 an diese zurückzuübereignen, wenn ihr vorher das Eigentum an dem neuen Sicherungsgut, dem Bus 122, verschafft würde. Der Absatz 1 des klägerischen Schreibens vom 9. März 1988 ist damit nicht etwa – wie das Berufungsgericht annimmt – unverständlich, sondern enthält einen Hinweis auf die der Übereignung zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen. Danach war die Beklagte im Verhältnis zur Firma G. zu einem Sicherheitentausch, mithin zur Freigabe von Bus 117 gegen Erhalt von Sicherungseigentum an Bus 122 verpflichtet. Die Klägerin war der Firma G. zur – unter Eigentumsvorbehalt stehenden – Übereignung von Bus 122, die Firma G. der Klägerin zur Übereignung von Bus 117 aus dem Kaufvertrag verpflichtet. Es liegt daher nahe, daß durch die wechselseitige Übereignung der beiden Busse zwischen den Parteien auf beide Schuldverhältnisse geleistet wurde. Indem die Klägerin mit Zustimmung der Firma G. den Bus 122 an die Beklagte übereignete, kam sie ihrer eigenen Verpflichtung gegenüber der Firma G. sowie deren Verpflichtung gegenüber der Beklagten nach. Umgekehrt „erfüllte” die Beklagte ihre eigene Verpflichtung gegenüber der Firma G. und wollte deren Verpflichtung gegenüber der Klägerin nachkommen.
bb) Nicht gebührend berücksichtigt hat das Berufungsgericht insoweit auch, daß die bereits begründeten schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Firma G. dem Abschluß eines zusätzlichen, selbständigen Tauschvertrages im Hinblick auf eine damit verbundene doppelte Verpflichtung der Parteien entgegenstehen. Hätten sich die Parteien nämlich tatsächlich im Wege eines selbständigen Vertrages zum Austausch des Eigentums an beiden Bussen verpflichtet, so hätte etwa die Klägerin diesen erfüllen, dafür aber nicht der Firma G. das aus dem Kaufvertrag geschuldete Eigentum am Bus 122 verschaffen können. Auch die Beklagte wäre bei Erfüllung des Tauschvertrages nicht in der Lage gewesen, ihrer Sicherungsgeberin zugleich die bei Beendigung des Sicherungsvertrages geschuldete Rückübertragung des Eigentums am Bus 117 zu leisten. Beide Tauschvertragsparteien hätten sich somit Sekundäransprüchen entweder der Firma G. oder der anderen Vertragspartei ausgesetzt, wenn nicht mit dem Tauschvertrag zugleich die bereits begründeten Verpflichtungen aus dem jeweils mit der Firma G. abgeschlossenen Kauf- und Sicherungsvertrag aufgehoben oder abgeändert worden wären. Solches war aber – abgesehen davon, daß es hierfür der Beteiligung der Firma G. bedurft hätte – offensichtlich nicht gewollt. Die Parteien und die Firma G. gingen nach dem bisherigen Sachvortrag vielmehr davon aus, daß mit der Übertragung des Busses 117 die Verpflichtung der Firma G. aus dem Kaufvertrag mit der Klägerin erfüllt wurde und zugleich die Freigabe aus dem Sicherungsvertrag mit der Beklagten erfolgte. Die Klägerin hat genau dies – wenn auch mit fehlerhafter rechtlicher Schlußfolgerung – vorgetragen, indem sie erklärte, das „angestrebte wirtschaftliche Ziel” [der Inzahlunggabe des Busses 117 seitens der Firma G.] habe einmal durch Übereignung von der Beklagten an die Firma G. und von dieser an die Klägerin, sowie zum anderen durch direkte Übertragung des Eigentums von der Beklagten auf die Klägerin erfolgen können.
cc) Gegen die Annahme eines Tauschangebotes spricht ferner die bisher von den Vorinstanzen nicht beachtete Tatsache, daß die Beklagte nur Sicherungseigentümerin und mithin gar nicht in der Lage war, ohne Zustimmung der Sicherungsgeberin uneingeschränktes Volleigentum am Bus 117 auf die Klägerin zu übertragen. Hiervon hatte die Klägerin bereits vor dem 9. März 1988 Kenntnis. Soweit sie in ihrem Schreiben vom 9. März 1988 erklärte, „… Sie [die Beklagte] übertragen uns … direktes, unmittelbares, uneingeschränktes Eigentum [am Bus 117]”, wäre dies auf eine der Beklagten allein unmögliche Leistung gerichtet. Daß sich die Beklagte in einem schuldrechtlichen Tauschvertrag verpflichten wollte, der Klägerin – wie von dieser auch während des Prozesses wiederholt behauptet – uneingeschränktes Eigentum am Bus 117 zu verschaffen, erscheint deshalb ausgeschlossen, zumindest aber unwahrscheinlich. Der Annahme eines „bloßen” Sicherheitentausches zwischen den Parteien als zwei Sicherungsnehmern steht andererseits entgegen, daß die Klägerin zwar durch Übereignung des Busses 122 den ihr zustehenden Eigentumsvorbehalt wegen der (Rest-) Kaufpreisforderung aufgeben, sie im Gegenzug indes nicht nur Sicherungseigentum am Bus 117, sondern Volleigentum erwerben wollte. Dies hat sie im Prozeß wiederholt behauptet, und das steht auch im Einklang mit ihrer Interessenlage. Die Verschaffung des Volleigentums am Bus 117 entsprach nämlich genau der von der Firma G. aus dem Kaufvertrag mit der Klägerin geschuldeten Leistung. Uneingeschränktes Eigentum konnte die Klägerin jedoch nur unter Mitwirkung der Sicherungsnehmerin, der Firma G., erlangen. Auch das spricht dafür, den Schuldgrund für die Eigentumsübertragungen in den oben skizzierten Leistungsverhältnissen zu sehen.
dd) Aus der insofern maßgeblichen Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin (vgl. statt aller: BGHZ 43, 75, 78) spricht gegen die Annahme eines Tauschangebotes auch das fehlende eigene Interesse der Beklagten am Zustandekommen eines schuldrechtlich verpflichtenden Vertrages mit der Klägerin. Wie die Revision mit Recht ausführt, war die Beklagte der Firma G. gegenüber lediglich zur „Rückübereignung” von Bus 117 verpflichtet, mithin zu nicht mehr, als sie selbst von der Firma G. erhalten hatte. Aus Sicht der Beklagten diente der Austausch von Sicherheiten offensichtlich nur dem Zweck, der Firma G. die Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber der Klägerin aus dem Kaufvertrag zu ermöglichen. Ein eigenes Interesse an einem Sicherheitentausch bestand für die Beklagte, die nach dem Vorbringen der Parteien zu diesem Zeitpunkt von den wahren Eigentumsverhältnissen an Bus 117 keine Kenntnis hatte, nicht. Die Wertdifferenz zwischen den beiden Fahrzeugen – der Kaufpreis von Bus 122 in Höhe von 279.300 DM lag nur wenig über dem für die Inzahlungnahme des Busses 117 angesetzten Wert von 253.400 DM – war nicht nur geringfügig, sondern angesichts der zu sichernden Forderung, die nach dem unbestrittenen Klagevortrag lediglich rund 22.000 DM betrug, unerheblich, weil vollständige Befriedigung der Forderung auch bei der Verwertung von Bus 117 zu erwarten war. Die Beklagte hatte daher keine Veranlassung, dem Schreiben der Klägerin vom 9. März 1988 ein Angebot zum Abschluß eines selbstständigen, schuldrechtlich verpflichtenden Geschäfts zu entnehmen. Selbst wenn man jedoch von einer zusätzlichen schuldrechtlichen Vereinbarung der Parteien ausgehen wollte, so ist angesichts des fehlenden wirtschaftlichen Eigeninteresses der Beklagten nicht erkennbar, warum die Beklagte der Klägerin mehr als die bloße Verschaffung ihrer eigenen Rechtsposition hätte schulden wollen. Eine unmittelbar zwischen den Parteien getroffene schuldrechtliche Vereinbarung könnte nur den Inhalt haben, daß die Beklagte einer Auswechslung der auf ihrer Seite vorhandenen Sicherheit zustimmt, somit die Rechte, die ihr die Firma G. an dem Bus 117 tatsächlich eingeräumt hat, zugunsten der Klägerin aufgibt und dafür die Rechte der Klägerin an dem Bus 122 als Sicherheit für das der Firma G. gewährte Darlehen erhält. Der Nachteil, der der Klägerin daraus erwachsen ist, daß sie an dem gestohlenen Bus 117 Eigentum nicht erwerben konnte, wäre auch dann nur im Verhältnis der Kaufvertragsparteien auszugleichen.
3. Kann somit in dem Schreiben vom 9. März 1988 ein Angebot zum Abschluß eines Tauschvertrages nicht gesehen werden, so entfällt auch die Grundlage für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Angebot stillschweigend akzeptiert.
III.
Nach alledem konnte die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Bisher ist nicht geklärt, ob die erstinstanzliche Zeugenvernehmung, auf die sich das Berufungsgericht im Rahmen seiner Würdigung des Schreibens vom 9. März 1988 als kaufmännisches Bestätigungsschreiben gestützt hat, verfahrensfehlerhaft erfolgt ist. Der mögliche Fehler des Berufungsgerichts (vgl. oben zu II, 1) stünde allerdings insoweit einer eigenen Sachentscheidung des Senats (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nicht entgegen, da dem Schreiben vom 9. März 1988 aus den dargelegten Gründen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht die Bedeutung eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens beigelegt werden kann, aufgrund dessen ein Tauschvertrag zustande gekommen sein soll. Der Rechtsstreit ist jedoch deshalb nicht zur Endentscheidung reif und war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil es noch an der Würdigung einer nachweislich verfahrensfehlerfreien Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerin mangelt, die Beklagte habe sich ihr gegenüber telefonisch kurz vor dem 9. März 1988 verpflichtet, ihr das Eigentum an dem Bus 117 zu verschaffen. Dabei ist vorsorglich auf folgendes hinzuweisen:
Sollte eine fehlerfrei zustande gekommene Beweisaufnahme entgegen der bisherigen Würdigung durch das Berufungsgericht ergeben, daß die Klägerin telefonisch eine mündliche Erklärung abgegeben hat, die über den Inhalt des Schreibens vom 9. März 1988 hinausgehend auf den Abschluß eines verbindlichen Tauschvertrages über die Fahrzeuge gerichtet war, wird zu bedenken sein, ob dies aus Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin so verstanden werden mußte und ob die Klägerin davon ausgehen durfte, daß sich die Beklagte auf eine so weitgehende, von den Rechtsbeziehungen zu der Firma G. losgelöste Verpflichtung einlassen wollte. Auch insoweit bestand – wie dargelegt – kein nachvollziehbares Interesse der Beklagten, der Klägerin über die Verschaffung ihrer eigenen Rechtsposition hinaus das Eigentum am Bus 117 zu übertragen und für das etwaige Fehlen ihrer Eigentümerstellung einstehen zu wollen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Ball, Dr. Leimert, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.03.2000 durch Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539190 |
NJW 2000, 2508 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1289 |
JZ 2001, 151 |
MDR 2000, 968 |
SGb 2000, 624 |
MittRKKöln 2000, 323 |
ZBB 2000, 269 |