Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 03.05.2012; Aktenzeichen 10 U 99/11) |
LG Berlin (Entscheidung vom 21.06.2011; Aktenzeichen 27 O 145/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des KG vom 3.5.2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der H. B. Zeitschriften Verlag KG (im Folgenden ebenfalls: Beklagte), die im Zeitraum von März 2009 bis August 2010 mehrfach in von ihr herausgegebenen Zeitschriften über den bekannten Entertainer P. A. (im Folgenden: Erblasser) berichtete. Gegenstand der Berichte waren u.a. die Trauer des Erblassers um seine verstorbene Tochter sowie der Gesundheitszustand des Erblassers. Im Hinblick auf die von ihm in diesem Zusammenhang angenommene Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nahm der Erblasser die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines Mindestbetrags von 30.000 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Seine Klage ist beim LG am 11.2.2011 eingegangen. Am 12.2.2011 verstarb der Erblasser. Im März 2011 ist die Klage zugestellt worden. Der Kläger führt den Prozess als Erbe fort. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 2
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Veröffentlichungen überhaupt einen Geldentschädigungsanspruch zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen könnten. Denn der Anspruch sei höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht vererblich. Ob dies anders zu beurteilen sei, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Verletzten rechtshängig werde, könne ebenfalls offen bleiben, da die Zustellung der Klage vorliegend erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Aus § 167 ZPO folge nichts anderes. Weder lasse sich der Vorschrift der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass zugunsten des Klägers bereits der Eingang der Klage bei Gericht ausreichend sei, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge, noch setze die Vorschrift die Anhängigkeit der Klage mit ihrer Rechtshängigkeit gleich.
II.
Rz. 3
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 4
1. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der - unterstellte - Geldentschädigungsanspruch des Erblassers mangels Vererblichkeit nicht auf den Kläger übergehen konnte.
Rz. 5
a) Die Frage, ob der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 208; BGH, Urt. v. 24.3.2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rz. 39 f.). Im Schrifttum ist die Frage umstritten.
Rz. 6
Eine Reihe von Autoren bejaht die Vererblichkeit (z.B. Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl., Anh. IV § 823 Rz. 25; Brändel in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 36 Rz. 24; Cronemeyer, AfP 2012, 10 ff.; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., KUG § 22 Rz. 37 und §§ 33-50 Rz. 21, anders allerdings noch Dreier in der 3. Aufl., KUG § 33-50 Rz. 21; Fechner, Medienrecht, 14. Aufl., Kap. 4 Rz. 157; Kutschera, AfP 2000, 147, 148 f.; Leipold, Erbrecht, 19. Aufl., Rz. 635 Fn. 51; MünchKomm/BGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rz. 237 a.E.). Begründet wird diese Auffassung zunächst mit der uneingeschränkten Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs seit Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zum 1.7.1990, aus der entsprechende Konsequenzen auch für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu ziehen seien (Soergel/Beater, a.a.O.; Cronemeyer, a.a.O., 11 f.; Kutschera, a.a.O.). Darüber hinaus wird angenommen, die unterschiedliche Behandlung des Schmerzensgeldanspruchs einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts andererseits verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Cronemeyer, a.a.O., 11; Kutschera, a.a.O., 148). Andere gehen davon aus, eine unberechtigte Besserstellung des Verletzers durch den Tod des Verletzten vor Leistung des Geldersatzes müsse vermieden werden (Dreier/Specht, a.a.O., KUG § 22 Rz. 37). Überdies löse sich der auf eine Geldzahlung gerichtete Anspruch mit seiner Entstehung von den ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts (Dreier/Specht, a.a.O.).
Rz. 7
Die Gegenauffassung (z.B. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rz. 140; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rz. 1011 ff.; Erman/N. Klass, BGB, 13. Aufl., Anh. § 12 Rz. 320; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rz. 28; Soehring in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rz. 23; Löffler/Steffen, Presserecht, 5. Aufl., LPG § 6 Rz. 344) stützt sich auf den Zweck der Geldentschädigung, der darin liege, die - nicht vererblichen (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; v. 20.3.1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto) - ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen (so ausdrücklich Burkhard, a.a.O.; Steffen, a.a.O.). Weiter wird darauf verwiesen, die überwiegende Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ihr höchstpersönlicher Bezug zur Individualität des Betroffenen lasse eine Vererblichkeit nicht zu (vgl. Damm/Rehbock, a.a.O., Rz. 1012; Erman/N. Klass, a.a.O.).
Rz. 8
b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist grundsätzlich nicht vererblich.
Rz. 9
aa) Unmittelbar aus der nach wie vor zutreffenden Erkenntnis, dass die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich sind (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rz. 38; v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; v. 20.3.1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto), ergibt sich dies freilich - worauf die Revision zutreffend hinweist - noch nicht. Denn der Geldentschädigungsanspruch hat zwar seine Grundlage im Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; jeweils m.w.N.; BVerfGE 34, 269, 292 - Soraya) und dient gerade den vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten ideellen Interessen. Als Geldzahlungsanspruch ist er aber nicht selbst Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2011 - IX ZR 180/11, BGHZ 189, 65 Rz. 39 f.).
Rz. 10
bb) Die Unvererblichkeit ergibt sich aber aus Natur und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs selbst.
Rz. 11
(1) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch auf Entschädigung in Geld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht abtretbar ist. Er hat dies "aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften, die für die gesetzlich normierten Fälle ideellen Schadensersatzes gegeben sind", gefolgert. Konkret hat er dabei auf die damals geltenden Regelungen des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und des § 1300 Abs. 2 BGB a.F. abgestellt (BGH, Urt. v. 25.2.1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519, 521). Die genannten Vorschriften regelten dabei nicht nur die fehlende Abtretbarkeit der Ansprüche aus § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 1300 Abs. 1 BGB a.F., sondern auch ihre grundsätzliche Unvererblichkeit. Grund für den Ausschluss von Abtretbarkeit und Vererblichkeit dieser Ansprüche war, dass sie der Gesetzgeber aufgrund ihres an die Person des Berechtigten gebundenen Charakters für höchstpersönlich erachtete (vgl. für § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.: BGH, Urt. v. 22.6.1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890; v. 14.3.1961 - VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575; für § 1300 Abs. 2 BGB a.F.: Palandt/Lauterbach, BGB, 28. Aufl. 1969, § 1300 unter 1). Durch die entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und des § 1300 Abs. 2 BGB a.F. auf den auch zum damaligen Zeitpunkt bereits aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1961 - VI ZR 259/60, BGHZ 35, 363, 366 ff.) Geldentschädigungsanspruch hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass er diesem Anspruch denselben Charakter zumisst.
Rz. 12
(2) An dieser Einschätzung und der sich daraus ergebenden Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hält der Senat - wie bereits im Urteil vom 6.12.2005 (VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 208) zum Ausdruck gebracht - trotz der inzwischen erfolgten Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und von § 1300 Abs. 2 BGB a.F. fest. Weder lässt sich der Wille des Gesetzgebers feststellen, auch den Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten (a), noch führen Sinn und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs unabhängig von einer entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers zur Annahme, der Geldentschädigungsanspruch sei heute vererblich (b).
Rz. 13
(a) Unmittelbar hat sich der Gesetzgeber mit der Frage der Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs bislang nicht befasst. Eine mittelbare Aussage des Gesetzgebers, der Geldentschädigungsanspruch sei vererblich, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
Rz. 14
(aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille zunächst nicht aus der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und entsprechender Vorschriften in anderen Gesetzen durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14.3.1990 (BGBl. I, 478). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier seine bis dahin und auch später (vgl. nur Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 742/01, 58; ferner Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/7752, 55) geübte Zurückhaltung, den vom erkennenden Senat unmittelbar aus dem Schutzauftrag des Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Geldentschädigungsanspruch in irgendeiner Weise zu regeln, hätte aufgeben und eine Aussage zur Vererblichkeit dieses Anspruchs hätte treffen wollen, sind nicht ersichtlich.
Rz. 15
Im Gegenteil sollte mit der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und entsprechender Vorschriften im Luftverkehrsgesetz, im Bundesgrenzschutzgesetz sowie im Atomgesetz ein spezifisches Problem im Bereich des Schmerzensgeldes einer Lösung zugeführt werden. Dieses Problem lag ausweislich der Gesetzesmaterialien im "Wettlauf mit der Zeit", dem sich "insb. die nächsten Angehörigen" ausgesetzt sahen, wenn sie "gerade bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr" Schmerzensgeldansprüche auch für den Fall des Todes des Verletzten wahren wollten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/4415, 1, 4; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum genannten Gesetzentwurf, BT-Drucks. 11/5423, 1, 4). Auch wenn sich die Reichweite der Gesetzesänderung nicht auf die Fälle schwerster Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr beschränkte, sondern auch leichtere Verletzungen, im Falle des § 34 Bundesgrenzschutzgesetz sogar Ehrverletzungen einschloss, waren mithin doch gerade die Fälle schwerster Körperverletzungen Grund für die Streichung der Unvererblichkeit der genannten Ansprüche. Damit bezweckte die Gesetzesänderung die Beseitigung einer Problemlage, die typischerweise bei Ansprüchen infolge von Körperverletzungen, nicht aber bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht (vgl. auch Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rz. 1012). Dass der Gesetzgeber mit der Streichung u.a. des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. nicht alle Ansprüche auf Ausgleich immaterieller Nachteile für vererblich erklären wollte, zeigt im Übrigen auch die Regelung des § 1300 Abs. 2 BGB a.F. Sie wurde bis zur Abschaffung des Kranzgeldes zum 1.7.1998 beibehalten.
Rz. 16
(bb) Die Aufhebung des § 1300 Abs. 2 BGB a.F. im Jahr 1998 lässt offensichtlich keinen Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers zu, den Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten. Die Streichung war notwendige Folge der Abschaffung des Kranzgeldes überhaupt durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4.5.1998 (BGBl. I, 833). Grund für die Abschaffung war die Annahme, das Kranzgeld als solches, nicht seine Unvererblichkeit, sei rechtspolitisch überholt (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts, BR-Drucks. 79/96, 37).
Rz. 17
(b) Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs spricht seine Funktion.
Rz. 18
Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund (vgl. etwa BGH v. 10.1.2006 - VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rz. 16; BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206; v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; v. 5.12.1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus (BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206 f. m.w.N.; v. 4.6.1974 - VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht.
Rz. 19
Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient (BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rz. 38; v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 207 m.w.N.; v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rz. 7, 10; jeweils m.w.N.). Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung - auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung - aber nicht alleine zu tragen (BGH vom 6.12.2005, a.a.O., m.w.N.; v. 5.3.1974 - VI ZR 228/72, VersR 1974, 756, 758). Dies wirkt sich nicht nur - wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen - auf die Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er - wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - bei Fortfall dieser Funktion weiter bestehen kann.
Rz. 20
cc) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Annahme der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht gegen § 1922 BGB. Denn die von § 1922 Abs. 1 BGB vorgesehene Universalsukzession ist von vornherein auf die vererblichen Vermögensgegenstände beschränkt (vgl. Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1922 Rz. 53).
Rz. 21
dd) Auch der Einwand der Revision, es stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und verstoße deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch auf Schmerzensgeld und andere Immaterialgüterrechte nicht vererblich wäre, geht fehl.
Rz. 22
Zwar ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Auch liegt eine solche Grundrechtsverletzung nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (BVerfG VersR 2000, 897 m.w.N.). Vorliegend scheitert die Annahme einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aber daran, dass für die im Hinblick auf die Frage der Vererblichkeit unterschiedliche Behandlung des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts einerseits und des Schmerzensgeldanspruchs sowie anderer Immaterialgüterrechte andererseits sachliche Gründe bestehen. Denn die Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hat - wie dargelegt - ihren Grund letztlich in der Genugtuungsfunktion, die bei ihm im Vergleich zu sonstigen Ansprüchen auf Ersatz immaterieller Nachteile und gerade auch im Vergleich zum Schmerzensgeldanspruch in besonderem Maße ausgeprägt ist (vgl. BGH v. 10.1.2006 - VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rz. 14 ff.; BGH, Urt. v. 5.10.2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; v. 26.11.1996 - VI ZR 323/95, VersR 1997, 325, 327).
Rz. 23
Soweit die Revision auf die Vererblichkeit des Urheberrechts nach § 28 Abs. 1 UrhG verweist, die sich nicht nur auf die vermögensrechtlichen Elemente des Urheberrechts, sondern auch auf das Urheberpersönlichkeitsrecht bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2013 - I ZR 28/12, WRP 2014, 68 Rz. 25 - Beuys-Aktion; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 28 Rz. 2), ist ihr zuzugeben, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht insoweit anders behandelt wird als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese Ungleichbehandlung hat ihren sachlichen Grund aber darin, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht so mit den vermögensrechtlichen Elementen des Urheberrechts verflochten ist, dass sie sich nicht voneinander trennen lassen (vgl. Schulze, a.a.O.), und sich das Urheberpersönlichkeitsrecht gerade hierin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterscheidet. In der unterschiedlichen Ausgestaltung des Urheberpersönlichkeitsrechts als vererbliches und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als grundsätzlich unvererbliches Recht liegt zugleich ein (weiterer) sachlicher Grund für die insoweit unterschiedliche Behandlung auch des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden bei Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG) einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des (allgemeinen) Persönlichkeitsrechts andererseits. Denn die Entschädigungsansprüche sind mit dem Rechtsgut, dessen Verletzung sie entspringen, eng verknüpft.
Rz. 24
c) Entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Revision wurde der - unterstellte - Geldentschädigungsanspruch vorliegend auch nicht deshalb vererblich, weil er noch zu Lebzeiten des Erblassers anhängig gemacht wurde. Denn die bloße Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage ändert nichts daran, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert.
Rz. 25
Ob - wie dies etwa § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und § 1300 Abs. 2 BGB a.F. für die Ansprüche auf Schmerzens- bzw. Kranzgeld vorgesehen haben - anderes gilt, wenn der Geldentschädigungsanspruch rechtshängig geworden ist, kann offen bleiben. Denn die Klage wurde der Beklagten erst nach dem Tod des Erblassers zugestellt.
Rz. 26
Aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Die dort angeordnete Rückwirkung beschränkt sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Für sonstige Wirkungen der Zustellung gilt sie hingegen nicht (allg. M.; vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 22.7.2010 - V ZB 178/09, NJW 2011, 528 Rz. 8 m.w.N.; Urt. v. 21.4.1982 - IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812, 1813; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rz. 4; Häublein in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 167 Rz. 6). Zu diesen sonstigen Wirkungen zählen insb. rechtsbegründende und rechtsverstärkende Folgen, die die Vorschriften des materiellen Rechts an die Rechtshängigkeit und damit an die Zustellung der Klageschrift knüpfen (BGH, Beschl. v. 22.7.2010 - V ZB 178/09, a.a.O., Rz. 9; Zöller/Greger, a.a.O.). Für § 847 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB a.F. hat auch der erkennende Senat eine Anwendung solcher Vorschriften wiederholt abgelehnt, die zur Fristwahrung die Wirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückbeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890 f.; v. 10.10.1961 - VI ZR 40/61, NJW 1961, 2347; v. 14.3.1961 - VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575 f.; Palandt/Thomas, BGB, 49. Aufl. 1990, § 847 unter 5c). Durchgreifende Gründe dafür, diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aufzugeben, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 27
2. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 6793445 |
BGHZ 2015, 45 |
NJW 2014, 2871 |
EBE/BGH 2014, 179 |
FamRZ 2014, 1192 |
NVwZ 2014, 5 |
CR 2014, 602 |
GRUR 2014, 702 |
WM 2014, 1394 |
ZEV 2014, 370 |
ZEV 2014, 6 |
AfP 2014, 328 |
DSB 2014, 171 |
ErbBstg 2014, 154 |
JA 2014, 627 |
JZ 2014, 1053 |
JZ 2014, 329 |
JZ 2014, 450 |
JZ 2014, 488 |
JuS 2014, 1037 |
JuS 2014, 13 |
MDR 2014, 18 |
MDR 2014, 715 |
NJ 2014, 433 |
NJ 2014, 5 |
RDV 2014, 268 |
Rpfleger 2014, 510 |
VersR 2014, 847 |
ZUM 2014, 703 |
AdVoice 2014, 48 |
ErbR 2014, 326 |
FF 2014, 334 |
FamRB 2014, 279 |
GRUR-Prax 2014, 282 |
ITRB 2014, 149 |
NJW-Spezial 2014, 391 |
NotBZ 2014, 289 |
RÜ 2014, 419 |
ZErb 2014, 260 |
r+s 2014, 575 |
LL 2014, 492 |
SR-aktuell 2014, 73 |