Entscheidungsstichwort (Thema)
Mieterhöhungsvereinbarung. Mieterhöhungsverlangen. konkludente Zustimmung. Auslegung. Willenserklärung
Leitsatz (redaktionell)
Mieterhöhungsvereinbarungen müssen nicht die Voraussetzungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe erfüllen. Für sie gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Verträge, so dass sie auch konkludent getroffen werden können. Eine konkludente Zustimmung zu der erhöhten Mietforderung kann darin gesehen werden, dass der Mieter nachfolgend 9 1/2 Jahre hinweg die erhöhte Miete gezahlt.
Normenkette
BGB §§ 145, 812
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 12.05.2004) |
AG Mannheim (Urteil vom 11.09.2003) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mannheim v. 12.5.2004 aufgehoben und das Urteil des AG Mannheim v. 11.9.2003 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten die teilweise Rückzahlung von in den Jahren 1999 bis 2002 geleisteten Mieten.
Der Kläger ist seit dem 1.5.1982 Mieter einer Wohnung in M., V. straße . Vermieter war zunächst der Vater der Beklagten. Seit dessen Tod im Jahre 1994 sind die Beklagten Vermieter der Wohnung. Die Miete betrug im Jahre 1982 insgesamt 415 DM. In den Jahren 1983, 1984, 1986, 1988, 1990, 1992 und 1993 forderte der Vater der Beklagten jeweils eine Erhöhung der Miete. Der Kläger überwies entsprechend den Schreiben des Vaters der Beklagten die geforderten erhöhten Mieten. Die zuletzt mit Schreiben v. 4.1.1993 ab 1.4.1993 verlangte Miete i.H.v. insgesamt 638 DM zahlte der Kläger 9 1/2 Jahre lang bis einschließlich Oktober 2002. In dem Schreiben v. 4.1.1993 heißt es:
"Familie H.
Betr.: Neue Miete ab 1.4.1993 auf Grund des M. Mietspiegels 1992.
Der Mietspiegel, der veröffentlicht wurde, entspricht den Regelungen des 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes nach Art. 2 des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen. Auch die Hinweise der Bundesregierung für die Aufstellung von Mietspiegeln wurden herangezogen.
Nach dem Mietspiegel ist der arithmetische Mittelwert dafür maßgebend.
Nach dem Mietspiegel ist unter diesen Voraussetzungen ein Mietsatz von 8,10 DM/qm zulässig.
Ihre Wohnung hat eine Nutzfläche von 50.0 qm.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden errechnet sich Ihre monatliche Gesamtmiete wie folgt,
Grundmiete |
412 DM |
Verw. Kosten |
30 DM |
Antenne |
12 DM |
Heizkosten |
108 DM |
Städt. Geb. |
76 DM |
so dass sich ab 1.4.1993 eine mtl. Miete DM 638 ergibt.
Um Dauerauftragsänderung bei Ihrem Bankinstitut wird hiermit gebeten.
Hochachtungsvoll"
Der Kläger ist der Meinung, er habe die seit dem 1.4.1993 um 62 DM erhöhte Miete ohne Rechtsgrund gezahlt, da der Vater der Beklagten in dem Schreiben v. 4.1.1993 nicht auf die Zustimmungsbedürftigkeit seitens des Mieters zur Wirksamkeit der Erhöhung hingewiesen habe. Die Beklagten sind der Auffassung, der Kläger sei mit der Erhöhung einverstanden gewesen, ihnen stünde zudem ein Zurückbehaltungsrecht auf Grund eines Auskunftsanspruches im Hinblick auf den Zeitpunkt der zuletzt durchgeführten Schönheitsreparaturen zu.
Mit seiner Klage hat der Kläger Mietüberzahlungen in den Jahren 1999 bis 2002i.H.v. 2.183 EUR geltend gemacht. Das AG hat der Klage i.H.v. 2.157,66 EUR stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten Zug um Zug gegen Erteilung einer Auskunft über den Zeitpunkt der zuletzt durchgeführten Schönheitsreparaturen bestehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten die Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt mit seiner Anschlussrevision die uneingeschränkte Verurteilung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung überhöht geleisteter Mieten gem. § 812 BGB. Eine Mieterhöhungsvereinbarung sei von den Parteien nicht getroffen worden. In dem Schreiben v. 4.1.1993 könne ein Antrag i.S.v. § 145 BGB nicht gesehen werden. Da alle Mieterhöhungen seit 1982 ohne Rechtsgrund erfolgt seien, habe er einen Rückforderungsanspruch bezüglich der Grundmiete i.H.v. 62 DM sowie bezüglich der Verwaltungskosten i.H.v. 30 DM für jeden Monat. Da sich der Vater bei seinen Erhöhungsforderungen über geltendes Recht hinweggesetzt habe, könnten die Beklagten kein schützenswertes Vertrauen in Anspruch nehmen und sich nicht auf Verwirkung berufen. Allerdings hätten die Beklagten einen Anspruch auf Mitteilung, zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen letztmals erfüllt worden sei, so dass die Verurteilung auf Grund des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug erfolgen könne.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung von Mieten und Verwaltungskosten gem. § 812 BGB. Die Zahlungen des Klägers erfolgten auf Grund einer wirksamen Mieterhöhungsvereinbarung. Die Auslegung des Schreibens v. 4.1.1993 sowie die Würdigung des nachfolgenden Verhaltens des Klägers durch das Berufungsgericht ist, wie die Revision mit Recht rügt, fehlerhaft.
Mieterhöhungsvereinbarungen müssen nicht die Voraussetzungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe erfüllen. Für sie gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Verträge, so dass sie auch konkludent getroffen werden können (BGH, Urt. v. 8.10.1997 - VIII ZR 373/96, MDR 1998, 30 = NJW 1998, 445, unter II 1c cc). Ob ein Vermieter mit einem Mieter konkludent eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete getroffen hat, ist zwar in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Auslegung. Das Revisionsgericht prüft aber nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung. Ferner hat der Tatrichter den ihm vorliegenden Prozessstoff bei der Auslegung auszuschöpfen, er darf also nicht wesentliche Umstände unberücksichtigt lassen (BGH, Urt. v. 23.4.1998 - III ZR 7/97, MDR 1998, 856 = NJW 1998, 2274, unter I 2 a). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verletzt.
Der Wortlaut des Schreibens v. 4.1.1993 lässt klar erkennen, dass der Vater der Beklagten von dem Kläger eine höhere Miete ab 1.4.1993 begehrte. Das sieht auch das Berufungsgericht so und meint, bei "isolierter Betrachtungsweise" könne das Schreiben v. 4.1.1993 als Änderungsantrag zu sehen sein, den der Mieter durch Zahlung des Erhöhungsbetrages konkludent angenommen habe. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, eine solche Interpretation sei hier nicht möglich, weil die Beklagten selbst das Schreiben nicht so ausgelegt hätten und weil ihr Rechtsvorgänger sie in einer Reihe anderer, nicht von einer Zustimmung des Mieters abhängigen Mieterhöhungsverlangen ebenfalls um Änderung des Überweisungsauftrags gebeten hätten, halten den Rügen der Revision nicht stand (§ 286 ZPO). Da die Beklagten, wie die Revision aufzeigt, geltend gemacht haben, durch das Schreiben v. 4.1.1993 und die anschließende Änderung des Dauerauftrags sei konkludent eine Mieterhöhungsvereinbarung zu Stande gekommen, haben sie die Behauptung aufgestellt, dass in dem Schreiben ein Mieterhöhungsverlangen enthalten sei. Dass in früheren Schreiben des Rechtsvorgängers der Beklagten trotz eines ihm von Gesetzes wegen zustehenden Mietanspruchs die Höflichkeitsfloskel einer Bitte gewählt wurde, spricht nicht dagegen, sein Verlangen nach einer Mieterhöhung, auf die er einen Anspruch hatte, als Angebot auf eine entsprechende Vertragsvereinbarung anzusehen. Das hat der Kläger auch so verstanden und deshalb ab 1.4.1993 die geforderte höhere Miete bezahlt. Es kann dahinstehen, ob schon in der ersten Zahlung die konkludente Zustimmung des Klägers zu der erhöhten Mietforderung gesehen werden kann. Indem der Kläger nachfolgend über 9 1/2 Jahre hinweg diese erhöhte Miete gezahlt hat, stellt jedenfalls diese andauernde Erfüllung der Mietforderung die konkludente Zustimmung zur Mieterhöhung dar.
III.
Aus den dargelegten Gründen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wie ausgeführt ist der von dem Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht begründet, so dass mit der Aufhebung des Berufungsurteils das erstinstanzliche Urteil dahin abzuändern ist, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Die Anschlussrevision ist damit gegenstandslos.
Fundstellen
Haufe-Index 1412932 |
BGHR 2005, 1514 |
DWW 2005, 327 |
NZM 2005, 736 |
ZMR 2005, 847 |
WuM 2005, 702 |
Info M 2005, 184 |
RdW 2005, 715 |
MK 2005, 157 |