Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses als Ersatz für unmöglich gewordene Auflassung. Schadensersatz bei Verbrauch des Erlöses. Eingeschränkte Darlegungslast Schuldner
Leitsatz (amtlich)
a) Der Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ist inhaltlich ein Anspruch auf Herausgabe des für die unmöglich gewordene Auflassung erhaltenen Ersatzes nach § 281 Abs. 1 BGB a.F. Ist der Erlös verbraucht, wird der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB a.F. frei. Der Schuldner haftet unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB a.F. auf Schadensersatz.
b) Der Schuldner, der sich auf die Unmöglichkeit der Herausgabe des erlangten Erlöses beruft, genügt seiner Darlegungslast, wenn er behauptet, den Erlös verbraucht zu haben; er muß nicht darlegen, wofür er das Geld im einzelnen verwendet hat.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 16 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 28.11.2001) |
LG Leipzig |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Anschlußrevision des Klägers – das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. November 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 15. März 1990 waren W. O. (im folgenden: Erblasser) und die Beklagte zu 1 in ehelicher Vermögensgemeinschaft als Eigentümer mehrerer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Grundbuch von B. eingetragen. Die Grundstücke stammen aus der Bodenreform und trugen im Grundbuch den entsprechenden Sperrvermerk.
Der Erblasser verstarb am 26. November 1988 und wurde von der Beklagten zu 1 und von seinem Sohn, dem Beklagten zu 2, je zur Hälfte beerbt. Die Beklagten sind nicht zuteilungsfähig im Sinne der Besitzwechselverordnung.
Mit notariellem Vertrag vom 20. September 1990 veräußerten die Beklagten die Grundstücke für 23.161,80 DM an eine LPG, die am 15. September 1992 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Den Kaufpreis erhielten die Beklagten gemeinschaftlich ausgezahlt.
Das klagende Land (Kläger) macht hinsichtlich des ursprünglich dem Erblasser gehörenden Anteils an den Grundstücken einen Anspruch auf Herausgabe des (anteiligen) Verkaufserlöses geltend. Seine auf Zahlung von 11.580,90 DM nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt, wobei das Oberlandesgericht die Beklagten gemeinschaftlich zur Zahlung verurteilt hat. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag unter Hinweis auf ihren Vortrag, den Kaufpreis zur Deckung der allgemeinen Lebenskosten verbraucht zu haben, weiter. Der Kläger verlangt mit der Anschlußrevision eine Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner und beantragt im übrigen die Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe des hälftigen erlangten Verkaufserlöses nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB für begründet. Soweit sich die Beklagten darauf berufen hätten, den Verkaufserlös verbraucht zu haben, sei dies als lediglich pauschale Behauptung prozessual unbeachtlich (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Die Verpflichtung der Beklagten sei eine gemeinschaftlich zu erbringende Leistung, keine Gesamtschuld nach § 431 BGB. Die ursprüngliche Verpflichtung, das Grundstück an den besser Berechtigten aufzulassen, Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB, sei nämlich von den Miteigentümern (Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 2 EGBGB) gemeinschaftlich zu erfüllen. Nicht anders sei dann die Verpflichtung zur Herausgabe des Surrogates zu beurteilen.
II.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision der Beklagten stand.
1. Die Revision ist ohne Einschränkungen zulässig. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht die Zulassung nicht auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob der Anspruch auf Erlösherausgabe nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB eine gesamtschuldnerische oder eine gemeinschaftlich zu erfüllende Verpflichtung darstellt. Zwar kann die Zulassung der Revision auf rechtlich oder tatsächlich selbständige Teile des Streitstoffs, über die gesondert entschieden werden kann, beschränkt werden (Senat, BGHZ 111, 158, 166 m.w.N.). Es genügt auch, wenn sich eine solche Beschränkung zweifelsfrei aus den Entscheidungsgründen ergibt (BGH, Urt. v. 25. Februar 1993, III ZR 9/92, NJW 1993, 1799; Urt. v. 25. April 1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1755, 1756; Senat, BGHZ 141, 232, 233 f). Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Das Berufungsgericht hat weder im Tenor noch in der Begründung zum Ausdruck gebracht, daß es die Revision nur beschränkt zulassen wolle. Es hat vielmehr die – unbeschränkte – Zulassung damit begründet, daß eine bestimmte Rechtsfrage, nämlich die Frage der Haftung mehrerer Schuldner, ungeklärt sei. Eine Beschränkung auf diese Frage wäre auch rechtlich gar nicht möglich gewesen. Sie stellt keinen selbständigen Teil des Streitstoffs dar, über den gesondert entschieden werden könnte. Es geht bei der Frage, ob die Beklagten als Gesamtschuldner oder als gemeinschaftliche Schuldner haften, nicht um die Höhe des Anspruchs, wie die Revisionserwiderung meint. Die Frage, in welcher Weise mehrere Schuldner haften, gehört vielmehr zum Grund des Anspruchs. Denn sie bestimmt den Inhalt der Verpflichtung. Ein Gesamtschuldner muß, wenn er darauf in Anspruch genommen wird, die gesamte Schuld erbringen, ein gemeinschaftlicher Schuldner nur zusammen mit dem oder den anderen gemeinschaftlichen Schuldnern. Über den Grund des Anspruchs kann aber nur einheitlich entschieden werden; er ist nicht teilbar im Sinne von § 301 Abs. 1 ZPO (Senat, Urt. v. 21. Februar 1992, V ZR 253/90, NJW 1992, 1769, 1770 m.w.N.). So könnte nicht die Beklagte zu 1 als Gesamtschuldnerin und der Beklagte zu 2 als gemeinschaftlicher Schuldner zur Zahlung verurteilt werden. Dann aber fehlt es an einem selbständigen Teil des Streitstoffs, auf den eine Revision oder deren Zulassung beschränkt werden könnte.
2. Nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Berufungsgerichts, den an sich auch die Revision nicht in Frage stellt. Da die Beklagten nicht zuteilungsfähig waren, waren sie nach den durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz eingeführten Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform, hier nach Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB, an sich zur unentgeltlichen Auflassung des Miteigentumsanteils des Erblassers an den Kläger verpflichtet. Da sie die Grundstücke indes wirksam, als Berechtigte, an einen Dritten veräußert haben, ist an die Stelle der unmöglich gewordenen Übertragung nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB der Anspruch auf Erlösauskehr getreten (vgl. nur Senat, Urt. v. 5. Dezember 1997, V ZR 179/96, VIZ 1998, 150 f; Urt. v. 28. Januar 2000, V ZR 78/99, VIZ 2000, 233; Urt. v. 26. Mai 2000, V ZR 60/99, VIZ 2000, 613).
Soweit die Revision geltend macht, die Vorschriften des Art. 233 §§ 11 ff EGBGB seien verfassungswidrig, verweist der Senat auf seine ständige Rechtsprechung, an der er festhält (BGHZ 140, 223, 231 ff; Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 194/99, WM 2001, 212 f; Urt. v. 22. März 2002, V ZR 192/01, VIZ 2002, 483 f).
3. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten nicht hinreichend substantiiert dargetan, daß ihnen die Herausgabe des Erlöses unmöglich geworden sei.
Inhaltlich handelt es sich bei dem Anspruch auf Erlösauskehr nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB um einen solchen auf Herausgabe des für die unmöglich gewordene Auflassung erhaltenen Ersatzes nach § 281 Abs. 1 BGB a.F. (Senat, Urt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 341/97, WM 1999, 453, 454 f). Dieser Anspruch ist nicht auf Zahlung gerichtet mit der Folge, daß der Schuldner hierfür nach § 279 BGB a.F. schlechthin einzustehen hätte (Senat aaO S. 456). Vielmehr wird er von der Verpflichtung zur Herausgabe des erlangten Surrogates, auch wenn es sich dabei um einen Kaufvertragserlös handelt, nach § 275 Abs. 1 BGB a.F. frei, wenn er zur Herausgabe außerstande ist, weil er das erhaltene Geld verbraucht hat (Senat aaO S. 455 f; vgl. auch Senat, BGHZ 143, 373, 378).
Hierauf haben sich die dafür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten berufen. Ihr Sachvortrag dazu läßt die erforderliche Substanz nicht vermissen und konnte daher nicht als prozessual unbeachtlich außer acht gelassen werden. Schon der Umstand, daß ein erlangter Erlös verbraucht oder auch nur mit eigenem Geld ununterscheidbar vermischt worden ist, macht die Erfüllung des Anspruchs auf Herausgabe des Erlangten unmöglich; zu einer Zahlungspflicht kommt man in solchen Fällen nur unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB a.F. (vgl. Senat, Urt. v. 5. Dezember 1997, V ZR 179/96, WM 1998, 408, 409; Urt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 341/97, WM 1999, 453, 455 f; Staudinger/Löwisch, BGB [2001], § 281 Rdn. 41). Es reicht daher, daß dieser Umstand vorgetragen wird. Es braucht nicht zusätzlich vorgetragen zu werden, für welche Anschaffungen oder Leistungen der Erlös verbraucht wurde. Denn ein Anspruch auf Herausgabe dessen, was die Beklagten für das Surrogat erlangt haben, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Soweit der geltend gemachte Anspruch auf § 280 Abs. 1 BGB a.F. wegen zu vertretender Unmöglichkeit der Erlösherausgabe gestützt wird, kommt dem Kläger allerdings § 282 BGB a.F. zugute (Senat, Urt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 341/97, WM 1999, 453, 456). Die Beklagten haben die Unmöglichkeit nur dann nicht zu vertreten, wenn sie das Geld zu einem Zeitpunkt verbraucht haben, in dem sie mit einer Erlösauskehr noch nicht zu rechnen brauchten. Wann das der Fall war, unterliegt der Beurteilung durch den Tatrichter. Dabei kann dem Grundstückseigentümer die Unkenntnis der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz begründeten Ansprüche nicht ohne weiteres vorgeworfen werden (Senat aaO). Der Verfügung standen im konkreten Fall keinerlei Hindernisse entgegen, und für den Laien mußte es sich nicht aufdrängen, daß der Gesetzgeber eine Erlösherausgabepflicht statuieren könnte. Der Kläger hat Ansprüche erst 1999 geltend gemacht.
III.
Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO a.F.). Das Berufungsgericht geht wohl, wie die protokollierten Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2001 ergeben und wofür auch spricht, daß den Beklagten Prozeßkostenhilfe zu bewilligen war, davon aus, daß der Verkaufserlös verbraucht wurde. Das läge im Rahmen tatrichterlicher Würdigung. Wegen einer möglichen Zahlungsverpflichtung nach § 280 Abs. 1 BGB a.F. wird es dann zu klären haben, wann der Erlös von den Beklagten verbraucht worden ist und ob die damit verbundene Unmöglichkeit der Herausgabe von ihnen zu vertreten ist, wobei es Sache der Beklagten ist, zum Zeitpunkt des Verbrauchs des Geldes nähere Angaben zu machen. Zur Sachverhaltsklärung ist ferner eine Anordnung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erwägen. Im Falle der Beweisbedürftigkeit kann an eine Maßnahme nach § 448 ZPO gedacht werden. Hält das Berufungsgericht hingegen angesichts des Bestreitens des Klägers schon den Umstand des Verbrauchs selbst für klärungsbedürftig, so kommen Maßnahmen nach §§ 141 Abs. 1 Satz 1, 448 ZPO auch insoweit in Betracht. Zur Sachverhaltsaufklärung (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte auch die Vorlage von Kontoauszügen der Konten der Beklagten dienen, deren Richtigkeit unter Beweis gestellt werden kann.
IV.
Die Anschlußrevision bleibt ohne Erfolg.
Geht man – freilich nicht lebensnah – davon aus, daß der Erlös ungeteilt vorhanden ist, so ist die Annahme, die Herausgabepflicht sei gemeinschaftlich zu erfüllen, rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Urt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 341/97, WM 1999, 453, 455).
Etwas anderes gilt – aber das hat das Berufungsgericht nicht festgestellt –, wenn der Erlös aufgeteilt worden ist. Dann besteht freilich auch keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern – wie die Anschlußrevision letztlich nicht verkennt – eine Haftung auf den erhaltenen Erlösanteil.
Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nur in Betracht, wenn ein Anspruch nach § 280 Abs. 1 BGB a.F. wegen von beiden Beklagten zu vertretender Unmöglichkeit der Herausgabe besteht. Denn dann steht der einheitliche Schuldgrund der zu vertretenden Leistungsstörung im Vordergrund; die Mitberechtigung nach §§ 741 ff BGB ist für die Erfüllung der Schadensersatzverpflichtung nicht mehr maßgeblich. Zu einer anteiligen Haftung kann es aber auch hier kommen, wenn nämlich durch vorherige Aufteilung des Erlöses eine anteilige Herausgabepflicht bestand. Insofern kann dann jeder Schuldner auch nur anteilig zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er die Unmöglichkeit der Herausgabe seines Anteils zu vertreten hat.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Klein, Gaier, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 891997 |
BGHR 2003, 342 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2003, 302 |
ZfIR 2003, 174 |
MDR 2003, 322 |
NJ 2003, 260 |