Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsansprüche von Wettbewerbsverbänden bei irreführenden Angaben im geschäftlichen Verkehr
Normenkette
UWG §§ 3, 13 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Dezember 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagten sind als Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Bereich der Vermittlung von Immobilien und Beteiligungen tätig. Diese warb in der Ausgabe der "F. Rundschau" vom 14. August 1993 mit der nachstehend wiedergegebenen Anzeige:
Der Kläger, ein Verband, der satzungsgemäß die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen fördert, hat die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Er hat die Anzeige als wettbewerbswidrig beanstandet, weil ihr nicht zu entnehmen sei, daß die 50 %ige Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz lediglich auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten der jeweiligen Gebäude, nicht aber auf die in den Preisen enthaltenen Anteile an den Grundstücken oder Grundstückskosten entfiele.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, durch den Gebrauch der Abkürzung "tw.", die als Hinweis auf teilweise verstanden werde, werde dem sachkundigen Leserkreis deutlich, daß nur zum Teil Abschreibungsmöglichkeiten bestünden. Sie hätten zudem in dem schriftlichen Insertionsauftrag vorgesehen gehabt, daß ein Komma vor die Abkürzung einzufügen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Immobilien mit dem Hinweis auf Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz zu werben, ohne darauf hinzuweisen, daß die Sonderabschreibungen nur für die Anschaffungs- bzw. die Herstellungskosten des Gebäudes gewährt werden, insbesondere wie folgt zu werben:
"... 50 % Sonder-AfA ...".
Mit der Revision begehren die Beklagten Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat den Kläger als prozeßführungsbefugt angesehen und in dem beanstandeten Text der Anzeige einen Verstoß gegen § 3 UWG erblickt. Es hat dazu ausgeführt:
Dem Kläger gehörten, wie die Beweisaufnahme zum Inhalt der ohne Namensnennung vorgelegten Mitgliederliste ergeben habe, etwa 50 Gewerbetreibende aus der Immobilienbranche an, die bundesweit tätig seien, wobei deren Umsatz überwiegend zwischen 1 und 5 Mio. DM liege. Die meisten von ihnen betätigten sich als Immobilienmakler. Es könne deshalb von einem für die einschlägige Branche als repräsentativ anzusehenden Mitgliederbestand ausgegangen werden. Dabei sei noch unberücksichtigt geblieben, daß dem Kläger nach dessen von den Beklagten als unstreitig gestellten Vorbringen noch der Bundesverband Finanzdienstleistungen e.V. mit etwa 640 ordentlichen Mitgliedern angehöre. Wegen des Interesses, das Immobilienangebote bundesweit fänden und da das Inserat auch in einer bundesweit vertriebenen Zeitung erschienen sei, seien alle Mitglieder des Klägers, teils unmittelbar, zumindest aber potentiell, betroffen.
II.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen läßt sich die Prozeßführungsbefugnis des Klägers nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG noch nicht bejahen. Es handelt sich dabei um eine das Verfahren betreffende Voraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu beachten ist (BGH, Urt. v. 18.10.1995 - I ZR 126/93, GRUR 1996, 217 = WRP 1996, 197 - Anonymisierte Mitgliederliste).
1.
Das Berufungsgericht hat seine Feststellungen zur Prozeßführungsbefugnis des Klägers aufgrund einer anonymisierten Mitgliederliste und von Zeugenaussagen zum Inhalt dieser Liste getroffen. Dieses Vorgehen ist nach der - nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht verfahrensfehlerfrei (vgl. BGH GRUR 1996, 217 - Anonymisierte Mitgliederliste). Einer beklagten Partei, welche die Darstellung der Angaben eines Verbandes zu seiner Mitgliederstruktur als nicht überprüfbar in Zweifel zieht, ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, ohne die Bekanntgabe der Namen der Mitglieder des klagenden Verbandes von der Richtigkeit der Darstellung der Klagepartei auszugehen. So liegt es hier. Auf der Grundlage der anonymisierten Liste durfte das Berufungsgericht die Prozeßführungsbefugnis des Klägers nicht bejahen; denn die Beklagten hatten die Richtigkeit der Angaben des Klägers zu den Mitgliederzahlen und der Behauptung, daß die Mitglieder Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt, wie sie, vertrieben, bestritten. Es bedarf daher weiterer Feststellungen, die zweckmäßigerweise durch den Tatrichter zu treffen sind. Der erforderliche Umfang der Feststellungen wird dabei durch die neue Rechtslage bestimmt.
2.
Nach der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG können Unterlassungsansprüche von Wettbewerbsverbänden nur geltend gemacht werden, soweit ihnen - neben weiteren Voraussetzungen, die hier nicht in Frage gestellt sind - eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandten Art auf demselben Markt vertreiben.
a)
Bei der Prüfung der Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von "Gewerbetreibenden" angehört, sind diejenigen Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen, die den Beklagten auf demselben räumlichen und sachlichen Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können.
Der maßgebliche räumliche Markt wird dabei im wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens bestimmt. Diese erstreckt sich vorliegend - entsprechend dem Inserat in der bundesweit vertriebenen Zeitung - auf die Immobilienangebote im gesamten Bundesgebiet.
In sachlicher Hinsicht wird der einschlägige Markt durch den Begriff der "Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art" gekennzeichnet. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren (Leistungen) müssen sich in ihrer Art so gleichen oder nahestehen, daß der Absatz der Ware des einen Mitbewerbers durch (irgendein) wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Vorausgesetzt wird das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses. Für dieses genügt es, daß eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen - sei es auch nur geringen - Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.1996 - I ZR 82/94, WRP 1996, 1102, 1103 - Großimporteur; Urt. v. 11.7.1996 - I ZR 79/94, GRÜR 1996, 804, 805 = WRP 1996, 1034 - Preisrätselgewinnauslobung III). Danach ist vorliegend - anders als die Revision meint - nicht auf den engen Markt des Angebots von Immobilien durch Immobilienmakler abzustellen, sondern auf das Angebot von Immobilien schlechthin, sei es durch Makler, Bauträger oder Bauunternehmen. Sie beeinflussen sich wechselseitig bei dem Angebot von Immobilien. Aber auch Anbieter von Kapitalanlagemöglichkeiten, die nur gelegentlich und nicht schwerpunktmäßig Immobilien vermitteln, können zu berücksichtigen sein, denn Immobilien können auch insoweit im Wettbewerb mit anderen Anlagemöglichkeiten stehen.
Die Frage, welche Zahl von Gewerbetreibenden als erheblich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzusehen ist, läßt sich nicht abstrakt und generell bestimmen. Es handelt sich dabei um eine Tatfrage. Es kommt weder auf die Mitgliedschaft einer bestimmten Mindestzahl noch auf diejenige der Mehrheit der Mitbewerber an. Erforderlich und ausreichend ist, daß Gewerbetreibende aus der einschlägigen Branche im Verband nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten sind, so daß ein mißbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen ist (vgl. BGH WRP 1996, 1102, 1103 - Großimporteur m.w.N.).
b)
Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich, daß er diesen rechtlichen Anforderungen in tatsächlicher Hinsicht genügen kann.
Der Kläger kann sich allerdings nicht mit Erfolg darauf stützen, daß ihm nach der zuletzt vorgelegten Mitgliederliste gemäß Anlage RE 1 vom 29. März 1996 91 Gewerbebetriebe angehören, von denen 57 als Immobilienmakler tätig sind. Der Kläger hat nämlich insoweit die Mitglieder nur teilweise benannt, indem er in der weiteren Liste gemäß Anlage RE 2 lediglich die Namen von 20 seiner Mitglieder offengelegt hat. Nur diese Anzahl kann hier berücksichtigt werden. Andernfalls wäre das berechtigte Interesse der beklagten Partei daran, selbst zumindest durch Stichproben beispielsweise der Frage nachgehen zu können, ob alle genannten Unternehmen (noch) Mitglieder sind und ob die Angabe des klagenden Verbandes zur Branchenzugehörigkeit, zur Marktstärke und zum örtlichen Betätigungsfeld der Mitgliedsunternehmen (noch) Gültigkeit haben, nicht gewahrt (BGH GRUR 1996, 217, 218 - Anonymisierte Mitgliederliste). Die vom Kläger vorgetragenen Umstände, seine Mitglieder müßten im Falle der namentlichen Nennung mit Repressalien rechnen, rechtfertigen es nicht, vorliegend ausnahmsweise von einer Benennung der Mitglieder abzusehen. Die danach allein zu berücksichtigende Zahl von 20 Mitgliedern reicht jedoch vorliegend an sich nicht zu der Annahme aus, daß sie in Verbindung mit den angegebenen Umsatzzahlen eine repräsentative Vertretung auf dem hier einschlägigen Markt darstellt, zumal wenn die von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellte Angabe der Revision zugrunde gelegt wird, daß je nach Zählweise 9.000 oder 39.000 reine Maklerbetriebe bzw. Hausverwaltungen im Bereich der Bundesrepublik tätig sind.
Der Kläger hat indessen weiter dargelegt, daß es sich bei einem der namentlich genannten Mitglieder um den Bundesverband Finanzdienstleistungen e.V. handelt, der ihm seit 1994 als Mitglied angehöre. Er hat dies durch Vorlage eines Schreibens des geschäftsführenden Vorstandes des Verbandes glaubhaft gemacht, in dem versichert wird, daß von den in der Mitgliederliste dieses Verbandes (Anlage RE 4) aufgeführten Mitglieder ca. 600 auch in der Immobilienbranche tätig seien. Der Kläger hat dazu vorgebracht, daß 87 namentlich benannte Mitglieder überwiegend und die übrigen jedenfalls auch - wenn auch in geringem Maße - im Immobilienbereich tätig seien. Sollte dieser Vortrag zutreffen, bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken, auch diese Mitglieder bei Beurteilung der Prozeßführungsbefugnis des Klägers zu berücksichtigen, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht eine mittelbare Mitgliedschaft zur Begründung der Prozeßführungsbefugnis aus (BGH WRP 1996, 1102, 1103 - Großimporteur m.w.N.).
Bei Einbeziehung auch dieser Mitglieder und unter Berücksichtigung der Geschäftsvolumina kann sich herausstellen, daß dem Kläger - sei es auch nur mittelbar - Gewerbetreibende angehören, die den hier einschlägigen Markt nach Zahl und Gewicht repräsentativ vertreten.
c)
Die Beklagten haben die Richtigkeit der Angaben in den Mitgliederlisten bestritten. Sie haben insbesondere unter Beweisantritt in Abrede gestellt, daß - worauf es für die Beurteilung der Prozeßführungsbefugnis im Blick auf die Mitgliederzahl entscheidend ankommen könnte - der Bundesverband Finanzdienstleistungen e.V. Mitglied des Klägers sei und daß die namentlich benannten Mitglieder diesem Verband angehörten; sie haben weiter bestritten, daß diese Mitglieder in dem für die Beurteilung relevanten Markt tätig seien und behauptet, daß einzelne benannte Mitglieder über keinen nennenswerten Geschäftsumfang verfügten. Damit bedarf es weiterer Aufklärung, ob der Kläger die dargelegten Voraussetzungen für einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt. Im Blick auf das substantiierte Bestreiten der Beklagten, das sich nicht darauf beschränkt, nur die Mitgliedschaft, insbesondere des Bundesverbandes Finanzdienstleistungen e.V., in Frage zu stellen, sondern das sich auch auf die Mitgliedschaft von Unternehmen in diesem Verband und deren Tätigkeitsumfang erstreckt, bedarf es einer umfangreichen Sachaufklärung.
III.
Da die noch offenen tatsächlichen Fragen zweckmäßigerweise (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.1988 - I ZR 52/86, GRUR 1988, 918, 919 = WRP 1988, 662 - Wettbewerbsverein III; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rdn. 35; MünchKomm/Walchshöfer, ZPO, § 561 Rdn. 32) vom Berufungsgericht zu klären sind, ist - ohne daß es beim derzeitigen Verfahrensstand einer sachlichen Prüfung der beanstandeten Werbung bedarf - das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem ist auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.
Unterschriften
Erdmann
Mees
Ullmann
Starck
Pokrant
Fundstellen
Haufe-Index 1456576 |
GRUR 1997, 934 |