Leitsatz (amtlich)

Hat der Schädiger nur einen Teil des einem Beamten oder dessen Hinterbliebenen entstandenen Schadens zu ersetzen, so geht auch dann nur der Teil des Schadensersatzanspruchs, der nach Deckung des Schadens des Beamten oder der Hinterbliebenen verbleibt, auf den Versorgungsträger über, wenn der Beamte eine private Krankenversicherung abgeschlossen und der Versicherer für den von Versorgungsträger nicht zu deckenden Teil des Schadens einzutreten hat (im Anschluß an BGHZ 22, 136 ff.).

 

Normenkette

BRRG § 52; SchlHLandesbeamtenG § 103a

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 03.09.1996)

LG Kiel

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 3. September 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung von mehr als 34.498,71 DM nebst 6,7 % Zinsen ab dem 5. Oktober 1995 verurteilt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte zu 1) bog am 2. Juni 1994 gegen 12.45 Uhr mit seinen bei der Beklagten zu 2) pflichtversicherten PKW in K. vor einem ihm entgegenkommenden Omnibus nach links ab, um in eine Parklücke einzufahren. Der Fahrer des Busses war deshalb zu einer Notbremsung gezwungen. Infolgedessen stürzte der 73 Jahre alte Pensionär U., der im Bus stand, weil er an der nächsten Haltestelle aussteigen-wollte. Ein Arm U.'s war amputiert; mit dem verbliebenen Arm hatte er sich festgehalten. Durch, den Sturz wurde U. schwer verletzt. Er verstarb an den Folgen, des Unfalles. Die ärztliche Behandlung erforderte Kosten in Höhe von insgesamt 69.224,70 DM. Hiervon übernahm der Kläger als Versorgungsträger im Wege der Beihilfe 70 %, also 48.457,29 DM. Den Restbetrag von 30 %, mithin 20.767,41 DM, glich der private Krankenversicherer des Verletzten aus. Die Beklagte zu 2) zahlte am 26. Mai 1995 an den Kläger 11.958,58 DM. Der Kläger hat diese Zahlung teilweise auf verlangte Zinsen verrechnet und von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zahlung von weiteren 37.867,71 DM nebst Zinsen begehrt.

Das Landgericht hat die Beklagten unter Berücksichtigung einer Mitverursachung seitens des Verletzten von 30 % und der Zahlung als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 36.498,71 DM nebst 6,7 % Zinsen ab dem 5. Oktober 1995 zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Ersatzanspruch des Verletzten sei in voller Höhe der Beihilfeleistungen auf den Kläger übergegangen. Die Berufung der Beklagten, mit der sie eine weitere Abweisung der Klage um 2.000 DM nebst Zinsen begehrt und eingewandt hatten, es bestehe ein Quotenvorrecht des verletzten Beamten, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren aus der Berufungsinstanz weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung auszugsweise in NZV 1997, 79 f. veröffentlicht ist, haften die Beklagten für den Unfallschaden als Gesamtschuldner zumindest zu 70 %; dem Verletzten sei kein höherer Mitverursachungsanteil als 30 % zuzurechnen. Der Schadensersatzanspruch des Verletzten sei in voller Höhe auf den Dienstherrn übergegangen, denn diesem stehe nach dem Wortlaut des § 103 a LBG Schleswig-Holstein das Quotenvorrecht zu. Die Gründe, die den Bundesgerichtshof veranlaßt hätten, entgegen dem Wortlaut des § 139 DBG ein Quotenvorrecht des verletzten Beamten anzunehmen, griffen dann nicht durch, wenn der eingetretene Schaden vollständig durch Beihilfe und eine private Krankenversicherung gedeckt sei.

II.

Dies greift die Revision mit Erfolg an.

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob den Verletzten U. überhaupt eine Mitverursachung an dem vom Beklagten zu 1 verschuldeten Unfall traf. Es hat aber zugunsten der Beklagten eine solche in Höhe von 30 % unterstellt, so daß hiervon in der Revisionsinstanz auszugehen ist.

2. Auf dieser Grundlage kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß nach § 103 a LBG Schleswig-Holstein Schadenersatzansprüche eines Versorgungsberechtigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses auf den Dienstherrn übergehen, sofern dieser aus Anlaß der Schädigung – wie hier – Beihilfeleistungen zu erbringen hat. Das wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

b) Diese wendet sich jedoch zu Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Anspruch des U. auf Ersatz von – unterstellten – 70 % seines Schadens sei in vollem Umfang auf den Kläger übergegangen.

aa) Der erkennende Senat hat bereits durch Urteil vom 9. November 1956 (BGHZ 22, 136) zu §§ 139 DBG, 168 BBG, 175 LBG Nordrhein-Westfalen in Abkehr von der Rechtsprechung des Reichsgerichts und den in einer früheren Entscheidung (BGHZ 13, 28, 32) angestellten Erwägungen entschieden, der Übergang des Schadensersatzanspruchs zugunsten eines öffentlichen Versorgungsträgers dürfe sich nicht zum Nachteil des Beamten oder der Hinterbliebenen auswirken, wenn der Schädiger nur einen Teil des entstandenen Schadens zu ersetzen habe; nur der Teil des Schadensersatzanspruchs, der nach Deckung des Schadens verbleibe, gehe auf den Versorgungsträger über; diesem stehe also ein sogenanntes Quotenvorrecht nicht zu. Dieses Ergebnis, das nahezu einhellige Zustimmung erfahren hat, hat der Senat unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sowie des Wortlauts des § 139 DBG und unter ins einzelne gehender Abwägung des Für und Wider im Wege der Auslegung aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift gewonnen. Daran wird festgehalten.

bb) In Anwendungsbereich des § 103 a LBG Schleswig-Holstein kann nichts anderes gelten.

Der Senat ist befugt, diese landesrechtliche Vorschrift selbst auszulegen. Deren Revisibilität folgt daraus, daß der gesetzliche Übergang und die ihm gegebene Einschränkung, er könne nicht zum Nachteil des Beamten oder der Hinterbliebenen geltend gemacht werden, nicht nur inhaltlich mit den entsprechenden Bestimmungen anderer Beamtengesetze übereinstimmt, sondern den zwingenden Rahmenvorschriften des Bundes entspricht, welche die einheitliche Regelung der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Bediensteten bezwecken (§§ 1, 52 BRRG). Ein solche bewußte Abstimmung zum Zwecke der Vereinheitlichung des Beamtenrechts begründet die Revisibilität (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1967 – VI ZR 8/66 – VersR 1967, 902, 903; BGHZ 34, 375, 377 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 – II ZR 168/96 – z.V.b.).

Sinn und Zweck des § 103 a LBG Schleswig-Holstein sind die gleichen wie diejenigen, welche § 139 DBG zugrunde lagen. Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt der Wortlaut des § 103 a Satz 3 LBG Schleswig-Holstein keine andere Beurteilung. Zwar heißt es darin, daß „übergegangene Ansprüche” nicht zum Nachteil des Verletzten oder der Hinterbliebenen geltend gemacht werden dürfen, während § 139 Satz 3 DBG wie auch § 168 Satz 3 BBG a.F., § 175 Satz 3 LBG Nordrhein-Westfalen, § 52 Satz 3 BRRG, § 87 a Satz 2 BBG und die Vorgängervorschrift des § 103 a Satz 3 LBG Schleswig-Holstein bei der in Rede stehenden Einschränkung auf den „Übergang des Anspruchs” abstellen. Die hiervon abweichende Wortwahl in § 103 a Satz 3 LBG Schleswig-Holstein stellt keine inhaltliche Abweichung dar. Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des LBG und des Ausbildungszentrumsgesetzes vom 20. März 1986 neu gefaßt worden. Wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (Schleswig-Holsteinischer Landtag Drucks. 10/1296 S. 18) ergibt, beruhte die neue Formulierung lediglich auf redaktionellen Gründen.

cc) Das somit auch im Anwendungsbereich des § 103 a LBG Schleswig-Holstein grundsätzlich geltende Quotenvorrecht des verletzten Beamten hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann nicht zugunsten des Versorgungsträgers zurückzutreten, wenn – wie hier – eine private Krankenversicherung des Beamten besteht, die dessen durch die Beihilfe nicht gedeckten (Rest-)Schaden ausgleicht. Dafür besteht kein rechtfertigender Grund. Der Abschluß einer privaten Krankenversicherung zusätzlich zur Beihilfe, steht im Belieben des Beamten und erfolgt nicht zur Entlastung des Beihilfeträgers. Ob der Beamte den von der Beihilfe nicht gedeckten Rest (hier: 30 %) auf eigene Kosten durch private Krankenversicherung (en) abdecken, gegebenenfalls diese in Anspruch nehmen oder auf eigenes Risiko gegen den Schädiger vorgehen will, bleibt ihm überlassen. Für den Fall, daß er sich zum Abschluß einer privaten Krankenversicherung entschließt, enthalten die gesetzlichen Regelungen des Beamtenrechts (hier: § 103 a LBG Schleswig-Holstein, § 52 BRRG) keine Ausnahme. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats davon abgesehen, ein Quotenvorrecht des Dienstherrn allgemein oder für den Fall einer ergänzenden privaten Krankenversicherung des Beamten (etwa als Eintritt des Versorgungsträgers in das dem geschädigten Beamten gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG gegenüber seinem privaten Krankenversicherer zustehende Quotenvorrecht) anzuordnen.

Dem steht – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht die Entscheidung des Senats vom 13. Oktober 1970 (– VI ZR 31/69 – VersR 1971, 127, 129) entgegen. Vorliegend geht es gerade nicht um eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Landes durch einen Rechtsübergang auf die private Krankenversicherung. Hätte der Beamte keine solche Versicherung abgeschlossen, gingen die Schadensersatzansprüche des Geschädigten nicht zu einer höheren Quote auf den Versorgungsträger über.

Der geschädigte Beamte steht hierdurch nicht anders als ein Selbständiger, der eine private Krankenversicherung mit 70 % Ersatzleistung abgeschlossen hat. Auch dieser könnte infolge des Quotenvorrechts des Versicherungsnehmers für den Rest seines Schadens den Schädiger in Anspruch nehmen; einem (privaten) Krankenversicherer verbliebe für einen eventuellen Regreß gegen den Schädiger ebenfalls nur ein Ersatzanspruch in Höhe der Differenz nach Abzug des dem Geschädigten zukommenden Restanspruchs (hier: 40 % = 70–30 %; vgl. Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., § 67 Anm. 5 B).

3. Nach allem kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), soweit es die auf 2.000 DM nebst Zinsen beschränkte Berufung zurückgewiesen hat. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat zur Haftungsquote keine abschließenden Feststellungen getroffen. Eine eigene Bewertung der Mitverursachungsquote des Geschädigten durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht bei erneuter Prüfung zu der dem Tatrichter vorbehaltenen Wertung gelangt, daß dem Geschädigten kein Mitverursachungsanteil zuzurechnen oder sein Mitverursachungsanteil als so gering zu werten ist, daß er gegenüber dem erheblichen Verkehrsverstoß seitens des Beklagten zu 1) nicht mehr ins Gewicht fällt. Dann aber hätte dem Geschädigten ein Anspruch auf vollen Ersatz seines Schadens zugestanden, so daß ein Quotenvorrecht ohnehin nicht mehr entscheidungserheblich wäre. Der Umstand, daß nur die Beklagten Rechtsmittel eingelegt haben, stünde einer solchen Bewertung nicht entgegen. Das Verbot der Verschlechterung des Ergebnisses zu Lasten des Rechtsmittelführers (vgl. § 536 ZPO) betrifft lediglich den in der Urteilsformel enthaltenen Ausspruch, nicht dessen Begründung (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1961 – VI ZR 151/59 – VersR 1961, 374).

 

Unterschriften

Groß, Dr. Lepa, Bischoff, Dr. v. Gerlach, Dr. Greiner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1398948

Nachschlagewerk BGH

DÖD 1998, 235

MDR 1998, 45

VRS 1998, 92

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