Leitsatz (amtlich)
Bei Geruchsbelästigungen können sich sowohl der Klageantrag als auch die Verurteilung auf ein allgemeines an den Gesetzeswortlaut angelehntes Unterlassungsgebot beschränken.
a) Die Entscheidung darüber, ob von einer Schweinemästerei ausgehende Geruchsbelästigungen wesentlich sind, hängt nicht davon ab, ob der Betrieb mehr oder weniger ausreichende Nutzflächen hat, um darauf überwiegend das benötigte Futter zu produzieren und/oder den anfallenden Mist darauf auszubringen.
b) Es ist rechtlich unbedenklich, bei der Erheblichkeits prüfung die Tatsache mit zu berücksichtigen, daß die zum Schweinemastbetrieb notwendige behördliche Genehmigung fehlt.
c) Die VDI-Richtlinie 3471 – Emissionsminderung Tierhaltung/Schweine – ist auch innerhalb eines Dorfgebietes ein Anhalt zur Beurteilung von Geruchsbelästigungen aus einer Schweinemästerei, wenn sie in Anbetracht ihrer beschränkten Aussagekraft durch zusätzliche Feststellungen ergänzt wird.
d) Der Tatrichter muß bei Geruchsbelästigungen einen an sich gebotenen Ortstermin nicht ständig wiederholen, wenn er auf der Grundlage sonstiger Beweismittel von einer erheblichen Geruchsbelästigung überzeugt ist und nachvollziehbare Gründe dafür vorliegen, warum er im Ortstermin eine solche Belästigung nicht wahrgenommen hat.
Die Geruchsbelästigungen aus einer Schweinemästerei sind nicht ortsüblich, wenn die Anlage ohne die notwendige Genehmigung betrieben wird.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB §§ 906, 906 Abs. 1 S. 1; ZPO § 371 ff., § 286; BGB § 906 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 19.01.1998) |
LG Amberg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivil senats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 19. Januar 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen, und zwar mit der Maßgabe, daß der 2. Absatz in Ziff. II des berufungsgerichtlichen Tenors entfällt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In der Revisionsinstanz geht es nur noch um einen Unterlassungsanspruch wegen Geruchsbelästigungen.
Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in G., einem Dorf mit etwa 300 Einwohnern. Früher unterhielt die Beklagte auf ihrem Grundstück eine behördlich genehmigte Rinder- und Schweinemast. 1979 baute sie den Rinderstall in einen Schweinestall um und erhöhte die Kapazität auf 200 Mastschweine. Eine Genehmigung dafür hatte sie nicht. Ihren nachträglichen Antrag auf Genehmigung der Nutzungsänderung lehnte das Landratsamt ab, weil die Gemeinde ihr Einvernehmen verweigert hatte. Über den Widerspruch der Beklagten ist ebenso wie über einen neuen Nutzungsänderungsantrag, mit dem die Beklagte einen Schweinemastbetrieb für 26 Großvieheinheiten (GV) erreichen will, noch nicht entschieden.
Die Entfernung zwischen dem nächstgelegenen Stall der Beklagten und dem Grundstück der Klägerin beträgt etwa 48 m.
Die Klägerin behauptet eine – abhängig von den Witterungsverhältnissen – unerträgliche Geruchsbelästigung aus dem Schweinestall der Beklagten. Sie hat u.a. beantragt, dieser den Betrieb einer Schweinemast zu verbieten, hilfsweise sie zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen. Das Landgericht hat der Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen verboten, auf ihrem Grundstück insgesamt jährlich mehr als 380 Schweine und gleichzeitig mehr als 168 Schweine zu mästen. Die Klägerin hat mit ihrer Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt und hilfsweise – in nachfolgender Reihenfolge – die Unterlassung wesentlicher Geruchsimmissionen, die Beschränkung des Betriebs auf jährlich insgesamt 160 Schweine und gleichzeitig 71 Schweine und schließlich die Zahlung eines Ausgleichsbetrags von 30.000 DM verlangt. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten verboten, das Grundstück der Klägerin durch vom Schweinemastbetrieb ausgehende Gerüche wesentlich zu beeinträchtigen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zulässigkeitsbedenken gegen die Fassung des ersten Klagehilfsantrags und dementsprechend auch nicht gegen die Tenorierung des Berufungsurteils. Rechtlich zutreffend hat sich das Berufungsgericht auf ein allgemeines, an den Gesetzeswortlaut angelehntes Unterlassungsgebot beschränkt und damit bewußt die Gefahr in Kauf genommen, daß sich die Auseinandersetzung der Parteien mangels konkreter Orientierungswerte in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Der Senat hat schon entschieden (BGHZ 121, 248, 251), daß die allgemeine Fassung des Klageantrags und damit auch des Tenors zwar auf den ersten Blick schwer mit dem Bestimmtheitsgebot von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu vereinbaren sei, die Besonderheiten der immissionsrechtlichen Unterlassungsklage aber eine unterschiedliche Beurteilung erfordere und damit Anträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art zu unterlassen, zulässig sind. Für die Fälle von Geruchsbelästigungen ist dies besonders einsichtig, weil es bisher nicht gelungen ist, sie zu quantifizieren und damit meßbar zu machen und auf dieser Grundlage Grenz- oder Richtwerte aufzustellen wie dies etwa bei der TA-Lärm der Fall ist (vgl. auch Funk, BayVBL 1994, 225). Fehlt es aber an jeder Möglichkeit zur Quantifizierung, dann muß wie hier hingenommen werden, daß der Vollstreckungsrichter aus dem Prozeßurteil nur einen allgemeinen und zwangsläufig pauschalen Ansatz und Maßstab für die Beurteilung erfährt. Der Senat hat zwar – bezogen auf Lärmbeeinträchtigungen – ausgeführt (BGHZ aaO S. 252), der Vollstrekkungsrichter könne den Gründen des Urteils Anhaltspunkte dafür entnehmen, von welchem Maßstab sich das Prozeßgericht habe leiten lassen. Dies kann aber – entgegen der Auffassung der Revision – gerade für den Bereich der Geruchsbelästigung nicht dahin verstanden werden, daß eine Tenorierung im Sinne des Berufungsurteils nur dann zulässig ist, wenn sich aus den Entscheidungsgründen ein konkreter Maßstab ergibt, der – wie ausgeführt – nicht vorhanden ist. Der durch eine Geruchsbelästigung betroffene Nachbar wäre sonst weitgehend rechtlos gestellt. Eine Vollstreckung setzt nämlich grundsätzlich ein Erkenntnisverfahren voraus. Auch wenn die Auseinandersetzung der Parteien zur Frage einer erheblichen Geruchsbelästigung (die dem Urteil nachfolgt) im Vollstreckungsverfahren neu auflebt, hat das allgemein tenorierte Unterlassungsurteil uneingeschränkte Bedeutung zur Feststellung, daß der Störer in der Vergangenheit gegen § 906 BGB verstoßen hat, und insoweit Wiederholungsgefahr besteht. Wie auch sonst muß im Vollstreckungsverfahren über alle zulässigen Beweismittel geklärt werden, ob der Verurteilte gegen das Unterlassungsgebot verstoßen hat. Dabei ist nicht zu vermeiden, daß der Vollstreckungsrichter auch ohne Vorgabe quantifizierbarer Merkmale feststellen muß, der Verurteilte habe das Nachbargrundstück durch Zuführung von Gerüchen wesentlich beeinträchtigt. Auch die Revision kann nicht darlegen, auf welche Weise eine nähere Konkretisierung des Klageantrags und der Tenorierung erreicht werden könnte.
2. Das Berufungsgericht stellt fest, daß die vom Schweinestall der Beklagten ausgehenden Gerüche das Grundstück der Klägerin wesentlich beeinträchtigt haben (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es geht vom Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers aus (BGHZ 120, 239, 255; 121, 248, 255) und berücksichtigt dabei die Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks zur Wohnnutzung und die örtliche Lage im Rahmen eines typischen Dorfgebiets (§ 5 BauNVO) mit landwirtschaftlichem Gepräge, aus der sich eine Vorbelastung in bezug auf landwirtschaftstypische Gerüche ergebe. Es prüft, ob die Schwelle der Wesentlichkeit vom Standpunkt eines „verständigen” Durchschnittsmenschen deshalb heraufgesetzt werden müsse, weil die beanstandeten Gerüche von einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgehen, und orientiert sich hierzu an dem baurechtlichen Begriff der Landwirtschaft (vgl. § 201 BauGB). Der Schweinemastbetrieb der Beklagten sei im gegenwärtigen Umfang und den gegenwärtigen Produktionsbedingungen nicht mehr ein landwirtschaftlicher, sondern ein gewerblicher Betrieb, weil – wie es sachverständig beraten berechnet – die Futtermittel die auf dem Betrieb der Beklagten erzeugt werden könnten, bei weitem nicht ausreichten, um den Schweinebestand im jetzigen Umfang „überwiegend” zu versorgen. Es sei auch nicht genügend landwirtschaftliche Nutzfläche vorhanden, um den anfallenden Wirtschaftsdünger ordnungsgemäß ausbringen zu können. Für die Anlage der Beklagten sei hier eher ein strengerer Maßstab heranzuziehen, weil die Schweinemast ohne behördliche Genehmigung betrieben werde.
a) Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft verneint, daß die Beklagte Landwirtschaft betreibe, können ihre Rügen auf sich beruhen. Der Senat hält nämlich diesen Ansatz des Berufungsgerichts zur Festlegung der Erheblichkeitsschwelle ohnehin nicht für geeignet. Zutreffend ist, daß er in seiner neueren Rechtsprechung zur Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auf das Empfinden eines „verständigen” Durchschnittsmenschen abstellt, um damit bei Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit auch wertende Momente einzubeziehen (BGHZ 120, 248, 255). Auf dieser Grundlage hat der Senat z.B. darauf hingewiesen, im Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung könne sich jedenfalls für Lärm bis 22 Uhr die Toleranzgrenze als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens erhöhen (BGHZ 121, 248, 255). In diesem Zusammenhang muß bei jedem wertenden Moment geprüft werden, ob es nach seinem Sinn und Zweck die Erheblichkeitsprüfung aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen beeinflussen kann. Man wird aber verständigerweise die Toleranz gegenüber landwirtschaftstypischen Gerüchen nicht davon abhängig machen können, ob sie auf ausreichender eigenproduzierter Futtergrundlage erzeugt werden oder ob dem Emittenten genug landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung steht, um den anfallenden Wirtschaftsdünger ordnungsgemäß ausbringen zu können. Die entsprechenden Gerüche einer Schweinemästerei sind unter Berücksichtigung der in einem ländlichen Dorfgebiet bestehenden Vorbelastung entweder erheblich belästigend oder nicht. Diese Frage kann nicht von Berechnungen zum Maß und dem landabhängigen Verhältnis der Futtererzeugung oder Gülleentsorgung abhängen. Deutlich wird dies schon aus Überlegungen, die das Berufungsgericht selbst anstellt und es zu dem Hinweis veranlassen, ein Landwirt (in dem vom Berufungsgericht verwendeten Sinn) könne selbstverständlich nicht durch „immer neue Ausweitung seiner Nutzflächen” die Geruchsbelästigung seiner Grundstücksnachbarn ins Unerträgliche steigern. § 906 BGB dient dem Ausgleich widerstreitender Nachbarinteressen im Rahmen der notwendigen Nutzungsgemeinschaft (vgl. BGHZ 48, 31, 33; 38, 61, 63). Ein sinnvolles „Miteinander” auf einem immer dichter besiedelten Raum, hat davon auszugehen, daß nicht unbeschränkt Bauland zur Verfügung gestellt werden kann. Deshalb müssen alle störenden Betriebe im Rahmen ihrer Möglichkeit veranlaßt werden, eine Geruchsbelästigung der Nachbarn möglichst gering zu halten. Wenn sich der Gesetzgeber aus bauplanungsrechtlicher Sicht entschlossen hat, die bodengebundene Landwirtschaft zu privilegieren (vgl. z.B. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), so will er damit „im Außenbereich einer wilden und planlosen Besiedelung und Bebauung vorbeugen, dieses Gebiet in seinem landwirtschaftlichen Charakter erhalten und vor wesensfremder Bebauung schützen” (vgl. Regierungsentwurf, Begründung dort zu § 40). Die darin zum Ausdruck kommende Wertung dient anderen Zielen und Zwecken als § 906 BGB und erlaubt deshalb keinen Rückschluß auf die Erheblichkeit einer Geruchsbelästigung.
b) Rechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen, soweit das Berufungsgericht ausführt, es sei im Rahmen der Erheblichkeits prüfung „eher” ein strenger Maßstab heranzuziehen, weil die Klägerin ihre Schweinemast ohne behördliche Genehmigung betreibe (vgl. zur Notwendigkeit einer Genehmigung auch BVerwG, RdL 1993, 203, 207). Dieser Gesichtspunkt ist ein sachgerechter Ansatz. Zwar schließt die behördliche Genehmigung in der Regel den Eigentumsabwehranspruch nicht aus (vgl. Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 906 Rdn. 21 m.w.N.). Umgekehrt kann aber das Fehlen einer notwendigen behördlichen Genehmigung für den Betrieb einer Anlage die Prüfung der Wesentlichkeit jedenfalls solange beeinflussen, als nicht feststeht, daß sie ohne Einschränkungen genehmigungsfähig ist. Das Genehmigungsverfahren dient nämlich auch dazu, die Beeinträchtigungen von Nachbarn gering zu halten, und das Berufungsgericht verweist zutreffend darauf, daß bei Genehmigungen unter Umständen mit Auflagen und Einschränkungen zu rechnen sei, deren Einhaltung der Nachbar dann grundsätzlich auch privatrechtlich durchsetzen könnte (vgl. BGHZ 122, 1 ff; Senatsurt. v. 27. September 1996, V ZR 335/95, NJW 1997, 55). Die Unsicherheit, ob und wie der Betrieb der Beklagten genehmigt werden wird, geht zu ihren Lasten, weil sie die Beweislast dafür trägt, daß die Geruchsbelästigung unwesentlich ist (vgl. BGHZ 120, 239, 257). Damit erledigt sich auch die Rüge der Revision, die lediglich darauf abheben will, daß die Genehmigung wegen fehlenden Einvernehmens der Gemeinde verweigert worden und nicht festgestellt sei, ob die Gemeinde es rechtmäßig oder rechtswidrig verweigert habe; denn dies ändert nichts an der Beweislast und ersetzt erst recht nicht den positiven Beweis einer nur unwesentlichen Geruchsbelästigung.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine erhebliche Geruchsbelästigung festgestellt. Dies ist zunächst eine Tatfrage, die revisionsrechtlich nur dahin nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (vgl. BGHZ 121, 248, 252). Die Feststellung des Berufungsgerichts beruht auf der Einschätzung einer sachverständigen Beurteilung nach der VDI-Richtlinie 3471 – Emissionsminderung Tierhaltung/Schweine – und der Schilderung von Zeugen sowie ergänzend auf einer Ortsbesichtigung des Landgerichts.
Auch die Revision bezweifelt nicht, daß die vom Sachverständigen in den Vordergrund gerückte VDI-Richtlinie 3471 als ein von Fachleuten erstelltes Regelwerk einen ersten, wenn auch groben, Anhalt gibt, unter welchen äußeren Bedingungen mit Geruchsbelästigungen zu rechnen ist und wie sie vermieden, zumindest aber gering gehalten werden können (vgl. BVerwG, BauR 1993, 445, 447).
Das Berufungsgericht geht mit dem Sachverständigen von einem Geruchsschwellenabstand von 80 m aus. Wie es zutreffend ausgeführt hat, gibt dieser Schwellenabstand auch innerhalb eines Dorfgebiets einen brauchbaren Anhalt. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, RdL 1993, 203, 206 = UPR 1993, 221, 222) an. Zu Unrecht macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe den eingeschränkten Aussagewert eines objektiv errechneten Geruchsschwellenabstands verkannt, weil dieser lediglich etwas darüber aussage, ab wann etwas gerochen werde (erstmalige Wahrnehmung VDI-Richtlinie 3.2.1), nicht aber, in welcher Intensität. Das Berufungsgericht ist sich dieser eingeschränkten Aussagekraft durchaus bewußt gewesen und hat deshalb auf die Umstände des konkreten Falles abgehoben, insbesondere darauf, daß der Schwellenabstand hier besonders deutlich unterschritten wird. Es hat ferner auf bestimmte vom Sachverständigen festgestellte und auch von der Revision nicht bezweifelte atmosphärische Besonderheiten zur Häufigkeit bestimmter Windrichtungen und von Windstille sowie auf die Tatsache abgestellt, daß die Beklagte das Flüssigmistverfahren anwende, das besonders unangenehme, ja ekelerregende, Gerüche bedinge. Schließlich hat es die als glaubwürdig bewerteten Angaben von zwei Zeugen zugrunde gelegt, die anschaulich berichtet haben, daß es Tage gebe, an denen man es wegen des Gestanks auf der Terrasse der Klägerin nicht aushalten könne.
Das Berufungsgericht hat selbst einen Ortstermin abgehalten und dabei keine nennenswerte Gerüche von den Stallungen der Beklagten wahrgenommen. Es meint, daß es unter anderen Bedingungen doch noch zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommen könne, weil die Verhältnisse am Tag des Ortstermins nicht repräsentativ gewesen seien, zum einen deshalb, weil an jenem Tag nur 144 Schweine in den Boxen gewesen seien (statt üblicherweise mehr als 200), zum andern deshalb, weil die Beklagte ein geruchshemmendes Mittel eingesetzt habe. Das Berufungsgericht meint daher, die Feststellungen im Ortstermin ließen weder auf die Dauerbelastung noch auf Spitzenbelastungen einen sicheren Rückschluß zu, weil der Ortstermin immer nur eine Momentaufnahme darstelle, die beispielsweise von den jeweiligen Zuständen im Stall, von den Witterungsverhältnissen und – bei angekündigten Besuchen – von besonderen Vorkehrungen der Stallbetreiber beeinflußt sein könnten. Wenn das Ergebnis des Augenscheins überhaupt einen Schluß zulasse, dann den, daß es bei Verringerung der Schweinezahl und unter günstigen äußeren Bedingungen möglich sei, Schweine so zu halten, daß die Benutzung des Nachbargrundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen tatrichterlicher Beweiswürdigung, wie das Berufungsgericht das Ergebnis des Augenscheins bewertet. Es hat dies mit nachvollziehbarer Begründung getan. Das Berufungsgericht war mit Rücksicht auf die ständig wechselnden Bedingungen einer Geruchsbelästigung, die sich nicht zuverlässig nachstellen lassen, auch nicht gehalten, Augenscheinstermine ständig zu wiederholen, sondern konnte sich mit den Feststellungen auf der Grundlage der übrigen Beweismittel begnügen.
3. Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht den Schweinemastbetrieb der Beklagten schon deshalb als nicht mehr ortsüblich, weil die Beklagte die Anlage ohne Genehmigung betreibt.
Der Senat hat in seiner neueren Rechtsprechung stets als berechtigtes Anliegen anerkannt, privates und öffentliches Immissionsschutzrecht zu harmonisieren. Systemgerechter Ansatzpunkt ist hierfür auch die Fortentwicklung des Begriffs der ortsüblichen Nutzung im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB. Gerade die erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung ist das Mittel zur Beurteilung der „konkreten Ortsüblichkeit”, weil sie einen nachprüfbaren und zutreffenden Immissionsschutz einschließt. Freilich vermag eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit zu begründen, ihr Fehlen schließt aber die Ortsüblichkeit aus (vgl. Erman/Hagen, BGB, 9. Aufl., § 906 Rdn. 21; Staudinger/Roth, BGB, 1995, § 906 Rdn. 202; ähnlich Gaentzsch, NVwZ 1986, 601, 604). Zutreffend stellt das Berufungsgericht darauf ab, daß das System des § 906 BGB, das aus öffentlich-rechtlicher Sicht rechtswidrige Verhalten eines Beteiligten (hier Betreiben einer Anlage ohne die notwendige Genehmigung) nicht außer Betracht lassen kann. Ist eine baurechtswidrige Nutzung gegenüber Immissionen einer in ihrer Nachbarschaft rechtmäßig betriebenen Anlage nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, NJW 1993, 342; VGH Mannheim, NVwZ 1986, 62; Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 165), dann kann sich andererseits der Störer einer ungenehmigten Anlage auch nicht darauf berufen, der Nachbar müsse die daraus herrührenden erheblichen Beeinträchtigungen als ortsüblich dulden.
Soweit die Revision auch in diesem Zusammenhang darauf abheben möchte, die Genehmigung sei nur am Einvernehmen der Gemeinde gescheitert und die materielle Rechtswidrigkeit der Anlage sei nicht festgestellt, kann auf die obigen Ausführungen (Ziff. 2 b) Bezug genommen werden.
Im übrigen hat das Berufungsgericht in einer Hilfsbegründung festgestellt, daß die Beklagte nicht nachgewiesen hat, die erheblichen Geruchsbelästigungen seien durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht zu verhindern (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dies wird vom Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht näher ausgeführt und trägt in jedem Fall die Entscheidung zur fehlenden Duldungspflicht. Die Revision führt hierzu nämlich keine Revisionsangriffe.
4. Mit Recht schließt das Berufungsgericht aus den festgestellten erheblichen Geruchsbelästigungen in der Vergangenheit auf eine Wiederholungsgefahr (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB); insoweit besteht eine tatsächliche Vermutung (vgl. BGH, Urt. v. 9. November 1971, VI ZR 57/70, GRUR 1972, 435, 437; BGB-RGRK/Pikart, 12. Aufl., § 1004 Rdn. 104 m.w.N.; Erman/Hefermehl, BGB, 9. Aufl., § 1004 Rdn. 27; MünchKomm/Medicus, BGB, 3. Aufl., § 1004 Rdn. 80; Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 1004 Rdn. 29 m.w.N.; Staudinger/Gursky 1993, § 1004 Rdn. 96; BayObLG, NJW-RR 1987, 463). Es handelt sich um eine Tatfrage, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist (vgl. BGHZ 14, 163, 167; BGH, Urt. v. 6. Juni 1961, VI ZR 198/90, WM 1961, 1022, 1023). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß das Risiko künftiger Beeinträchtigungen besonders groß sei, weil der Abstand zwischen dem Stall und dem Grundstück der Klägerin nur 48 m betrage und die Beklagte auf einer hohen Auslastung der Stallkapazität beharre. Ob die geruchshemmenden Mittel auf Dauer in der Lage seien, die Gefahr einer Geruchsbelästigung zu bannen, sei unsicher und bleibe abzuwarten. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Ergänzend hätte das Berufungsgericht darauf abstellen können, daß die Beklagte im vorliegenden Verfahren geltend macht, sie sei berechtigt, ihren Betrieb in der bisherigen Form weiter zu betreiben.
Die Revision kann nicht mit Erfolg geltend machen, beim Ortstermin sei keine nennenswerte Geruchsbelästigung festgestellt worden. Diese einmalige Feststellung unter besonderen Umständen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zum Nachweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr, an den strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHZ 14, 163, 167; BayObLG aaO), nicht genügen lassen.
5. Soweit das Berufungsgericht seine Tenorierung durch die Wiederholung der gesetzlichen Regelung von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ergänzt hat, war dies zwar unschädlich, aber auch überflüssig und konnte somit entfallen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hagen, Vogt, Lambert-Lang, Schneider, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1128114 |
BGHZ |
BGHZ, 1 |
DB 1999, 688 |
NJW 1999, 356 |
NWB 1999, 770 |
BGHR |
JurBüro 1999, 275 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 282 |
ZAP 1999, 7 |
AgrarR 1999, 155 |
JZ 1999, 468 |
MDR 1999, 290 |
NuR 1999, 295 |
RdL 1999, 138 |
VersR 1999, 326 |
ZUR 1999, 172 |
UPR 1999, 185 |