Leitsatz (amtlich)
a) Im Rahmen des § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV sind bei der Prüfung der Frage, ob für die diätetische Behandlung der Patienten eine Modifizierung der normalen Ernährung oder andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beidem ausreichen, auch die auf dem Markt erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel zu berücksichtigen.
b) Die Vorschriften in § 1 Abs. 4a Satz 1 und 2 DiätV über die Abgrenzung der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke von anderen Stoffen stellen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung auch geeignet ist, die Interessen der Verbraucher nicht unerheblich bzw. spürbar i.S.v. § 3 UWG 2004, § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG 2008 zu beeinträchtigen.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; DiätV § 1 Abs. 4a S. 2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 30.12.2010; Aktenzeichen 3 U 14/09) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 07.10.2008; Aktenzeichen 407 O 78/08) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 30.12.2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist pharmazeutische Unternehmerin und vertreibt das Arzneimittel "D." mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat zur Linderung von Symptomen leichter bis mittelschwerer Arthrose des Kniegelenks mit einer empfohlenen Tagesdosis von 1.500 mg. Sie wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihr Produkt "Glucosamin Naturell forte" mit einer empfohlenen Tagesdosis von 1.000 mg Glucosaminsulfat als ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von ungenügender Knorpelbildung in den Gelenken vertreibt.
Rz. 2
Die Klägerin hält das Mittel der Beklagten mangels Wirksamkeitsnachweises sowie im Hinblick darauf für nicht verkehrsfähig, dass es mehrere Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosaminsulfat und Verzehrempfehlungen gibt, die der von der Beklagten für das beanstandete Mittel gegebenen Empfehlung entsprechen. Ihrer Klage, mit der sie die Unterlassung des Vertriebs dieses Mittels, Auskunftserteilung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt, hat das LG im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 3
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4a und § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV bejaht und hierzu ausgeführt:
Rz. 5
Es sei nicht erwiesen, dass das Mittel der Beklagten mit seinem Gehalt an Glucosaminsulfat wirksam sei in dem Sinne, dass es den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen entspreche, für die es bestimmt sei. Der Beweis für die Wirksamkeit des Mittels durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten i.S.v. Art. 3 der Richtlinie 99/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke könne zwar auch mit wissenschaftlichen Fachgutachten und sonstiger wissenschaftlicher Literatur geführt werden, die nicht unbedingt den höchsten Evidenzgrad einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie mit adäquater statistischer Auswertung erfüllten. Von den seitens der Beklagten zitierten Studien und sonstigen Fundstellen behandle allein das Gutachten von Prof. B. die Frage, ob das von der Beklagten vertriebene Glucosaminsulfat bei einer Tagesdosis von 1.000 mg den besonderen Ernährungserfordernissen eines Patienten mit ungenügender Gelenkknorpelbildung entspreche. Nach den Ausführungen von Prof. A. und Prof. Sch. müsse feststehen, dass das Produkt der Beklagten Glucosaminsulfat mit dem ADME-Profil des Stoffes der R. research/ enthalte. Hierzu habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen.
Rz. 6
Auf der Grundlage der Auffassung von Prof. B., der das Produkt der Beklagten mit einer Tagesdosis von 1.000 mg Glucosaminsulfat als für die besonderen Ernährungserfordernisse von Patienten mit arthritischen Gelenkveränderungen geeignet ansehe, stünde der Verkehrsfähigkeit des Produkts als diätetisches Lebensmittel für eine bilanzierte Diät die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV entgegen. Nach der von der Beklagten vorgelegten "NEM-Liste 2007" gebe es auf dem Markt diverse Nahrungsergänzungsmittel mit einer Verzehrempfehlung von 1.000 mg Glucosaminsulfat pro Tag. Die Ergänzung der normalen Ernährung mit Nahrungsergänzungsmitteln stelle eine Modifizierung der normalen Ernährung i.S.v. § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV dar.
Rz. 7
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der von der Klägerin beanstandete Vertrieb des Mittels der Beklagten als bilanzierte Diät deshalb unzulässig ist, weil das Mittel nicht die dafür gem. § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV bestehende Voraussetzung erfüllt, dass für die diätetische Behandlung der Patienten, deren Ernährung es dient, weder eine Modifizierung der normalen Ernährung noch andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung noch auch eine Kombination aus beidem ausreichen.
Rz. 8
1. Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) sind gem. § 1 Abs. 4a Satz 1 DiätV Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind. Sie dienen nach § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV der ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit beeinträchtigter Fähigkeit zur Aufnahme oder Verarbeitung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Stoffe oder sonstigem medizinisch bedingtem Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung weder eine Modifizierung der normalen Ernährung noch andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung noch auch eine Kombination aus beidem ausreichen. Ein Nährstoffbedarf ist, wie sich aus § 1 Abs. 4a Satz 3 DiätV ergibt, medizinisch bedingt, wenn bestimmte Beschwerden, Krankheiten oder Störungen einen besonderen Ernährungsbedarf zur Folge haben. Der besondere Ernährungsbedarf kann auf der Unterernährung der Patienten infolge der Beschwerden, Krankheiten oder Störungen oder darauf beruhen, dass den bei ihnen aus diesen Gründen bestehenden besonderen Ernährungserfordernissen mit einer daran angepassten Nährstoffformulierung entsprochen werden kann, was auch dann der Fall sein kann, wenn die Patienten aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter Nährstoffe einen besonderen Nutzen ziehen können (BGH, Urt. v. 2.10.2008 - I ZR 220/05, GRUR 2008, 1118 Rz. 16 = WRP 2008, 1513 - MobilPlus-Kapseln).
Rz. 9
2. Ein nach diesen Grundsätzen zulässiger Vertrieb einer bilanzierten Diät setzt danach gem. § 1 Abs. 4a Satz 2 DiätV insb. voraus, dass für die diätetische Behandlung der Patienten weder eine Modifizierung der normalen Ernährung noch andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung noch auch eine Kombination aus beidem ausreichen. Diese Vorschrift setzt den - insoweit wörtlich mit ihr übereinstimmenden - Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Satz 2 RL 99/21/EG ins deutsche Recht um. Sie bezieht mögliche alternative Ernährungsformen ein, sofern die für sie benötigten Lebensmittel auf dem Markt für die normale Ernährung - einschließlich der diätetischen Lebensmittel - erworben werden können und die durch sie bewirkte Modifizierung der normalen Ernährung im Rahmen des üblichen Ernährungsverhaltens liegt (vgl. Rathke/Gründig in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 140, Lief. März 2011, § 1 DiätV Rz. 90 f.; Herrmann, Rechtliche Problemstellungen bei ergänzenden bilanzierten Diäten in arzneitypischer Darreichungsform, 2008, S. 120 bis 123 m.w.N.). Unter einer normalen Ernährung ist dabei eine Ernährung zu verstehen, die insb. hinsichtlich der Art und der Eigenschaften der verzehrten Lebensmittel sowie des Umfangs und der Dauer des Verzehrs im Rahmen der üblichen Ernährungsgewohnheiten des betreffenden Patientenkreises liegt. Eine Modifizierung der normalen Ernährung reicht zur diätetischen Behandlung nicht aus, wenn sich mit ihr die besonderen medizinischen Zwecke nicht oder nicht sicher erreichen lassen oder die Modifizierung nicht praktikabel oder für die Patienten unzumutbar ist (BGH GRUR 2008, 1118 Rz. 29 - MobilPlus-Kapseln; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - I ZR 100/06, GRUR 2009, 413 Rz. 25 = WRP 2009, 300 - Erfokol-Kapseln, jeweils m.w.N.).
Rz. 10
3. Diese Grundsätze gelten entgegen einer in der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt, MD 2009, 146, 148) und insb. im Schrifttum (vgl. Kügel, ZLR 2003, 265, 273; ders., ZLR 2010, 92, 96; v. Jagow, ZLR 2003, 118, 119; Pfortner, LMuR 2005, 59, 61 f.; Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2007, 2, 12; Herrmann, a.a.O., S. 112 bis 118 m.w.N.) vertretenen Ansicht auch in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel (vgl. OLG München, ZLR 2003, 114, 116; OLG Düsseldorf, ZLR 2010, 87, 92; KG, MD 2010, 284, 285; Rathke/Gründig in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 1 DiätV Rz. 91; Fezer/Meyer/Reinhart, UWG, 2. Aufl., § 4-S4 Rz. 57; Großklaus, LMuR 2003, 151, 157 f.; Klaus, Der gemeinschaftsrechtliche Lebensmittelbegriff, 2005, S. 83 f.). Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich, der es rechtfertigte, bei der Beurteilung der Frage, ob alternative Ernährungsmöglichkeiten bestehen, Nahrungsergänzungsmittel im Gegensatz zu angereicherten und funktionellen Lebensmitteln (vgl. dazu BGH, GRUR 2009, 413 Rz. 23 bis 25 - Erfokol-Kapseln), zu neuartigen Lebensmitteln (vgl. dazu Herrmann, a.a.O., S. 118 bis 120) sowie auch zu diätetischen Lebensmitteln und Kombinationen aus modifizierter normaler Ernährung mit anderen diätetischen Lebensmitteln von vornherein unberücksichtigt zu lassen.
Rz. 11
Eine hinreichende und dabei auch den Umständen des jeweiligen Einzelfalls angemessen Rechnung tragende Korrektur der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 4a Satz 2 aE DiätV erfolgt bereits durch die oben in Rz. 9 genannten Erfordernisse der Verfügbarkeit der alternativen Mittel und der Zumutbarkeit ihrer Verwendung (vgl. Klaus, a.a.O., S. 84). Eine solche Zumutbarkeit wird regelmäßig dann zu verneinen sein, wenn auf dem Markt erhältliche Nahrungsergänzungsmittel überdosiert werden müssen (vgl. Fezer/Meyer/Reinhart, a.a.O., § 4-S4 Rz. 57). Dies ist bei den als Alternative zum beanstandeten Mittel der Beklagten zur Verfügung stehenden Nahrungsergänzungsmitteln jedoch nicht der Fall.
Rz. 12
Nicht zu überzeugen vermag im Ergebnis auch die von den Vertretern der gegenteiligen Ansicht angestellte Erwägung, eine weite Auslegung der Subsidiaritätsklausel, die die Nahrungsergänzungsmittel einbeziehe, könne zu einem Wettlauf zwischen Unternehmen führen, bei dem der Sieg davon abhänge, ob inhaltsidentische Produkte als Nahrungsergänzungsmittel oder als bilanzierte Diät auf den Markt gebracht würden; der erste Anbieter könne durch die Markteinführung eines Nahrungsergänzungsmittels den Vertrieb des Mittels als bilanzierte Diät sperren und - noch bedenklicher - eine am Markt bereits platzierte bilanzierte Diät durch ein nachfolgend eingeführtes Nahrungsergänzungsmittel verdrängen (vgl. Herrmann, a.a.O., S. 124 f. m.w.N.). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass bilanzierte Diäten jedenfalls dann, wenn sie der in § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV an sie gestellten Wirksamkeitsanforderungen entsprechen, vielfach, wenn nicht regelmäßig auch eine krankheitsheilende oder immerhin krankheitslindernde, zumindest aber krankheitsverhindernde Wirkung aufweisen (vgl. OLG Hamburg, ZLR 2005, 266, 274; Rathke/Gründig in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 1 DiätV Rz. 86 m.w.N.). Da die Richtlinie 99/21/EG für die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln gegenüber der insoweit generell einschlägigen Regelung in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel zwar die ältere, aber weiterhin die speziellere Regelung darstellt, kann ein solches Mittel zwar - auf der Grundlage der Richtlinie 99/21/EG - als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, ansonsten aber nur als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden (vgl. Rathke/Gründig in Zipfel/Rathke, a.a.O.).
Rz. 13
4. Der von der Revision zur Klärung der Frage, ob Nahrungsergänzungsmittel i.S.v. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel vom Begriff der normalen Ernährung oder deren Modifizierung erfasst werden, angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht, weil in dieser Hinsicht keine ernsthaften Zweifel bestehen (vgl. EuGH, Urt. v. 11.9.2008 - Rs. C-428-434/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rz. 42 - UGT-Rioja, m.w.N.).
Rz. 14
a) In diesem Zusammenhang ist insb. zu berücksichtigen, dass der Begriff "Nahrungsergänzungsmittel" im Unionsrecht erstmals in Art. 2 Buchst. a RL 2002/46/EG definiert worden ist; zuvor war er vom Unionsgesetzgeber nur in einigen wenigen und zudem weithin oder sogar gänzlich unspezifischen Vorschriften verwendet worden (vgl. Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 96/83/EG zur Änderung der Richtlinie 94/35/EG über Süßungsmittel, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen; Erwägungsgründe 1.2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2001 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif; Anhang I Teil II Kapitel 30 Anmerkung 1. a der Verordnung (EG) Nr. 2031/2001 zur Änderung der Anlage I VO (EWG) Nr. 2658/87). Es erscheint daher als ausgeschlossen, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 99/21/EG am 25.3.1999 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kommission noch nicht einmal die Vorlage eines Vorschlags über eine Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Nahrungsergänzungen angekündigt hatte (vgl. Kügel/Hahn/Delewski, NemV, Einf. Rz. 1-4), Nahrungsergänzungsmittel von der Anwendung der Subsidiaritätsklausel des Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Satz 2 RL 99/21/EG hat ausnehmen wollen. Eine solche Regelung hätte auch dem mit der Richtlinie 99/21/EG nach ihrem Erwägungsgrund 10 Satz 1 verfolgten grundlegenden Ziel widersprochen, zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, Regeln über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke festzulegen.
Rz. 15
b) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Unionsgesetzgeber diese in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Satz 2 RL 99/21/EG getroffene Regelung der Subsidiarität mit dem Erlass der Richtlinie 2002/46/EG ändern wollte. Die Richtlinie 2002/46/EG spricht zwar ihr Verhältnis zu anderen Richtlinien und zu sonstigen Rechtsakten der Union an verschiedenen Stellen an (vgl. Erwägungsgründe 17, 18 und 20; Art. 1 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 und 3, Art. 13 RL 2002/46/EG). Die Regelung in Art. 1 Abs. 2 des ursprünglichen Entwurfs dieser Richtlinie, nach der sie außer für Arzneimittel ausdrücklich auch für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, nicht gelten sollte (vgl. BR-Drucks. 368/00, 9), ist nicht in ihre Endfassung übernommen worden. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Regelungen in den Richtlinien 99/21/EG einerseits und 2002/46/EG andererseits unabhängig voneinander gelten sollten.
Rz. 16
c) Nichts Abweichendes gilt auch im Blick auf die inzwischen vorgenommenen Änderungen der Richtlinien 99/21/EG und 2002/46/EG. Diese Änderungen betreffen nicht die für den jeweiligen Anwendungsbereich der beiden Richtlinien maßgeblichen Bestimmungen.
Rz. 17
5. Die Vorschriften in § 1 Abs. 4a Satz 1 und 2 DiätV über die Abgrenzung der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke von anderen Stoffen dienen der Herstellung transparenter Verhältnisse auf dem Markt für Gesundheitsprodukte. Sie stellen daher Vertriebsbestimmungen, die dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher zumindest mittelbar dienen, und damit Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.2008 - I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rz. 30 = WRP 2009, 51 - Priorin, zu § 1 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 DiätV). Ihre Verletzung ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher nicht unerheblich bzw. spürbar i.S.v. § 3 UWG 2004, § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG 2008 zu beeinträchtigen (st.Rspr. vgl. nur BGH, Beschl. v. 13.1.2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rz. 12 = WRP 2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör, zu Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel m.w.N.).
Rz. 18
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2991491 |
EBE/BGH 2012 |
GRUR 2012, 734 |
WRP 2012, 1099 |
ZLR 2012, 619 |
GRUR-Prax 2012, 312 |