Leitsatz (amtlich)
a) Ist ein Prozeß zu dem Zeitpunkt, an dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bereits anhängig, so liegt mit dem Beginn des Kaufs der Verjährungsfrist zugleich der Zustand der Unterbrechung vor.
b) Hat der Kläger in seinem Antrag auf Erlaß eines Zahlungsbefehls zugleich den Antrag auf Verweisung an das Landgericht gestellt, so hat das Landgericht, an das der Prozeß verwiesen wurde, nach Zahlung der weiteren halben Prozeßgebühr Termin zu bestimmen, ohne daß es noch eines von einem Anwalt gestellten Antrags bedarf. Das gilt jedenfalls dann, wenn schon mit dem Antrag auf Erlaß des Zahlungsbefehls ein Antrag auf Terminbestimmung gestellt worden war.
c) Die Zahlung dieser Gebühr ist in einem solchen Falle ein Weiterbetreiben des Prozesses im Sinne des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 209, 211, 213; ZPO §§ 216, 696
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München vom 29. November 1966 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 10. Mai 1963 beauftragte der Beklagte die Klägerin, die ein Spezialunternehmen für Blitzschutzanlagen und Eternitbau betreibt, die Giebelfront seines Hauses zum Preis von 1.765 DM mit Eternit zu verkleiden. Am 6. Juni 1963 lehnte der Beklagte die Ausführung des Auftrags durch die Klägerin ab und focht mit Schriftsatz vom 21. August 1963 den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Er begründete die Anfechtung damit, daß die Klägerin nicht fachkundig und deshalb nicht in der Lage sei, den Auftrag fachgemäß durchzuführen; sie sei Modistin, und es schwebe überdies gegen sie ein Gewerbeuntersagungsverfahren. Auch ihr Ehemann sei nicht fachkundig; gegen ihn bestehe sogar ein Gewerbeverbot.
Mit Zahlungsbefehl, zugestellt am 14. August 1963, verlangte die Klägerin von dem Beklagten 1.240 DM nebst Zinsen. Für den Fall des Widerspruchs hat sie in ihrem Zahlungsbefehlsantrag gleichzeitig beantragt, Termin zu bestimmen und die Sache an das Landgericht zu verweisen. Auf den Widerspruch des Beklagten hat das Amtsgericht die Sache am 19. August 1963 an das Landgericht verwiesen. Dieses forderte am 25. August 1963 von der Klägerin die zweite Hälfte der Prozeßgebühr in Höhe von 24,50 DM an. Erst am 31. Dezember 1965 wurde dieser Betrag von der Klägerin bezahlt. Daraufhin setzte das Landgericht durch Verfügung vom 4. Januar 1966 Termin zur mündlichen Verhandlung an.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht denselben Antrag wie im Zahlungsbefehl gestellt.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. In der Sache selbst hat er dem Anspruch der Klägerin die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung entgegengehalten.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Es hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
1.) Der Anspruch der Klägerin verjährte, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, mit dem Ablauf des 31. Dezember 1965 (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 201 BGB). Die Zustellung des Zahlungsbefehls am 14. August 1963 konnte die Verjährung zwar nicht unterbrechen, da die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu laufen begonnen hatte (§ 201 BGB). Das schließt aber nicht aus, daß mit Beginn des Laufs der Verjährungsfrist die Unterbrechung des Prozesses wirksam wurde. Denn die Wirkung der Unterbrechung durch Zustellung einer Klage oder eines Zahlungsbefehls (§ 209 BGB) erschöpft sich nicht in diesem einmaligen Akt. Es tritt vielmehr ein längerer Zustand der Unterbrechung ein, der bis zur Erledigung des Prozesses oder, wenn der Prozeß in Stillstand gerät, bis zur letzten Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts andauert (§ 211 BGB). Daraus darf gefolgert werden, daß, wenn ein Prozeß bereits zu dem Zeitpunkt anhängig ist, an dem die Verjährung beginnt, mit diesem Beginn zugleich der Zustand der Unterbrechung vorliegt, so daß die Verjährung nicht läuft (§ 217 BGB).
Hier hatte der Zustand, während dessen nach § 211 BGB die Verjährung unterbrochen ist, freilich bereits im August 1963 sein Ende gefunden, bevor am 1. Januar 1964 die Verjährung begann. Doch war die Sache zu diesem Zeitpunkt nach Zustellung des Zahlungsbefehls und eingelegtem Widerspruch bei Gericht anhängig. Die Verjährung begann daher zu laufen. Doch gleicht der Fall dem in § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten. Daraus ist zu folgern, daß zur Unterbrechung jede Handlung genügte, durch die der Prozeß weiterbetrieben wurde. Es wäre auch sinnlos, hier eine neue Klage oder die Einleitung eines neuen Mahnverfahrens zu fordern.
Es kann daher für die Unterbrechung der Verjährungsfrist keinen Unterschied machen, ob die Zustellung des Zahlungsbefehls und die letzte Prozeßhandlung vor dem Stillstand des Verfahrens vor oder nach den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist liegen.
2.) a) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Klägerin dadurch, daß sie mit der Bezahlung der weiteren halben Prozeßgebühr das Verfahren weiterbetrieben habe, auch eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt habe.
Es meint allerdings, daß § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den vorliegenden Fall keine unmittelbare Anwendung finden könne, weil bis zum 31. Dezember 1965 noch kein Termin bestimmt worden sei und deshalb das Verfahren zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht rechtshängig, sondern nur anhängig geworden sei. Im Hinblick auf dieselbe Interessenlage sei hier aber eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auch für das erst anhängige und noch nicht rechtshängige Verfahren geboten.
b) Dem ist entgegen der mit der Revision vertretenen Meinung im Ergebnis zuzustimmen. Die Klägerin und auch das Berufungsgericht verkennen allerdings, daß sich die entsprechende Anwendung des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB im vorliegenden Fall unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nach § 213 BGB gilt nämlich für das Mahnverfahren die für das Güteverfahren erlassene Vorschrift des § 212 a BGB. Wenn auch die Vorschriften über das Güteverfahren in § 495 a ZPO inzwischen aufgehoben worden sind, so hat § 212 a BGB wegen der Verweisung des § 213 BGB seine Bedeutung nicht verloren. Nach § 212 a Satz 2 BGB ist aber bei Stillstand des Güteverfahrens (hier also des Mahnverfahrens) § 211 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden.
3.) Die Entscheidung über die Verjährung hängt also lediglich noch davon ab, ob die Klägerin vor Ablauf des 31. Dezember 1965 das Verfahren dadurch weiterbetrieben hat, daß sie an diesem Tage die noch ausstehende halbe Prozeßgebühr bezahlt hat.
Das Oberlandesgericht hat das bejaht. Es ist der Auffassung, daß damit die einzige noch fehlende Voraussetzung für eine Terminbestimmung und damit für den Fortgang des Verfahrens erfüllt worden und das Landgericht nunmehr verpflichtet gewesen sei, Termin zu bestimmen.
Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß vor dem Landgericht Anwaltszwang bestehe und daher der Antrag, Termin zu bestimmen, von einem Anwalt hätte gestellt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, hätte das Berufungsgericht keinen Termin bestimmen dürfen und die Einzahlung der 24,50 DM sei deshalb auch nicht geeignet gewesen, eine Fortführung des Verfahrens zu bewirken. Diese könne daher nicht als ein „Weiterbetreiben” im Sinne des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB angesehen werden.
Die Rüge ist nicht begründet. Der Antrag auf Terminbestimmung war schon mit dem Antrag auf Erlaß des Zahlungsbefehls gestellt worden. Damit war dem Antragserfordernis des § 696 Abs. 1 ZPO Genüge getan, ohne daß es noch eines anwaltlichen Antrags bedurfte, falls man neben dem von der Klägerin gestellten Antrag auf Verweisung, der ebenfalls nicht dem Anwaltszwang unterliegt, noch einen besonderen Terminantrag verlangen sollte (vgl. Baumbach/Lauterbach ZPO, 27. Aufl., Anm. 2 D a) bb) zu § 216 ZPO; Wieczorek ZPO Anm. A I a 1 zu § 696 ZPO).
Hing demnach die Terminbestimmung durch das Landgericht nur noch von der Zahlung der Gebühr ab, so hat das Berufungsgericht mit Recht in dieser ein Weiterbetreiben des Verfahrens im Sinne des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen; denn unter diese Bestimmung fällt jede Prozeßhandlung, die geeignet ist, den Prozeß wieder in Gang zu setzen, wobei ein nicht zu enger Maßstab anzulegen ist (BGH IM Nr. 9 zu § 209 BGB; vgl. ferner RGZ 77, 324, 332, wonach schon die Einreichung eines Armenrechtsgesuchs als Weiterbetreiben des Prozesses anzusehen ist; RGZ 97, 66). Genügt aber schon ein auf die Befreiung von der Prozeßgebühr zielendes Armenrechtsgesuch, das von der Partei auch ohne Anwalt gestellt werden kann, um eine Unterbrechung der Verjährung durch Weiterbetreiben des Prozesses zu bejahen, dann muß das ebenso für die Zahlung der Prozeßgebühr gelten.
4.) Das Oberlandesgericht hat demnach ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Verjährung des Anspruchs der Klägerin noch rechtzeitig unterbrochen worden ist.
II.
Auch in der Sache selbst kann die Revision des Beklagten keinen Erfolg haben.
Das gegen die Klägerin gerichtete Gewerbeuntersagungsverfahren kann, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, die Gültigkeit des Vertrags nicht berühren (§ 134 BGB), da es noch nicht rechtskräftig und damit auch noch nicht wirksam geworden ist (§ 80). Der Beklagte hat insoweit auch keine Rüge erhoben.
Das Berufungsgericht verneint auch das Vorliegen einer arglistigen Täuschung. Die Klägerin sei dem Beklagten gegenüber nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten über ihre Berufsausbildung und über das gegen sie gerichtete Gewerbeuntersuchungsverfahren zu unterrichten. Auf die fehlende Fachausbildung ihres Ehemanns und dessen Gewerbeverbot komme es nicht an. Maßgebend sei nicht, ob die Klägerin oder ihr Ehemann in der Lage gewesen seien, die geschuldeten Arbeiten zu verrichten; es komme vielmehr nur auf die fachliche Eignung derjenigen Betriebsangehörigen an, die die Arbeiten zu erbringen hätten. Der Beklagte habe nicht dar getan, daß dem Betrieb der Klägerin solche Fachkräfte nicht angehört hätten.
Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Zu Unrecht meint der Beklagte in seiner Revisionsbegründung, die Klägerin habe noch nicht einmal behauptet, daß sie über Fachkräfte verfüge. In ihrem Schriftsatz vom 10. März 1966 S. 5 hat sie dies unter namentlicher Angabe der Facharbeiter vorgetragen. Der Beklagte hat diese Behauptung in der Folgezeit nicht bestritten.
Damit ist, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annimmt, auch einer Anfechtung des Vertrags gemäß § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Boden entzogen.
III.
Die Revision des Beklagten ist daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609646 |
BGHZ 52, 47 |
BGHZ, 47 |
DRiZ 1969, 195 |
MDR 1969, 565 |