Leitsatz (amtlich)
a) Verweist das Amtsgericht nach Widerspruch gegen einen Zahlungsbefehl das Verfahren an das Landgericht, so wird das Streitverfahren beim Landgericht anhängig mit der Wirkung, daß es sich im Sinne der §§ 213, 212a Satz 1 BGB dem Mahnverfahren unmittelbar anschließt und demzufolge für die Unterbrechung der Verjährung die Bestimmung des § 211 Abs. 2 BGB anwendbar ist.
b) Ein vor Ablauf der Verjährung gestellter Antrag des Klägers auf Terminbestimmung ist auch als eine den Prozeß weiterbetreibende Handlung im Sinne des § 211 Abs. 2 Satz 2 BGB anzusehen, wenn die gemäß § 111 GKG für eine Terminbestimmung erforderliche Zahlung der weiteren halben Prozeßgebühr erst nach Ablauf der Verjährung erfolgt; erforderlich ist dann aber, daß die Gebühr dem nächst nach Eingang des Antrags auf Terminbestimmung gezahlt wird.
Normenkette
BGB § 211 Abs. 2, §§ 212a, 213; ZPO § 696 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil den 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle von 11. März 1969 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte übertrug der Klägerin im Frühjahr 1959 die Erd-, Maurer-, Beton- und Putzarbeiten für den Neubau eines Mehrfamilienhauses. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B.
Die Arbeiten wurden im Mai 1960 abgenommen. Die Klägerin erteilte dem Beklagten am 15. Januar 1961 eine Schlußrechnung über einen Endbetrag von 42.593,36 DM. Davon hat der Beklagte 39.000 DM bezahlt.
Wegen der Restforderung von 3.593, 36 nebst Zinsen reichte die Klägerin am 31. Dezember 1963 bei dem Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Erlaß eines Zahlungsbefehls ein. Der Zahlungsbefehl wurde am 6. Januar 1964 erlassen und dem Beklagten am 10. Januar 1964 zugestellt. Am selben Tage erhob der Beklagte Widerspruch. Entsprechend dem schon in dem Gesuch der Klägerin auf Erlaß des Zahlungsbefehls enthaltenen Antrag erklärte sich das Amtsgericht für unzuständig und verwies durch Beschluß vom 13. Januar 1964 den Rechtsstreit an das Landgericht Hannover. Mit Verfügung vom 21. Januar 1964 forderte das Landgericht die Parteien auf, sich durch einen dort zugelassenen Anwalt vertreten zu lassen. Mit Schriftsatz vom 29. Januar (bei Gericht eingegangen am 30. Januar) 1964 beantragte der Beklagte durch seinen Anwalt Abweisung der Klage.
Erst am 23. Dezember 1965 meldete sich der Anwalt der Klägerin und beantragte die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung. Die am 28. Dezember 1965 angeforderte weitere halbe Prozeßgebühr bezahlte die Klägerin erst am 22. Dezember 1967; gleichzeitig wiederholte der Anwalt seinen Antrag auf Terminbestimmung.
Der Beklagte macht u.a. die Einrede der Verjährung geltend.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Forderung abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung von 3.593,36 DM weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revisionsangriffe der Klägerin sind zwar zum Teil begründet; im Ergebnis muß der Revision aber dennoch der Erfolg versagt werden.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Werklohnforderung der Klägerin erst im Jahr 1961 fällig geworden ist (§ 16 Nr. 2 Satz 1 VOB/B), die zweijährige Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB) also erst mit Ende des Jahres 1963 ablief (§§ 198, 201 BGB). Durch den am 31. Dezember 1963 eingebrachten Antrag auf Erlaß eines („demnächst” zugestellten) Zahlungsbefehls ist die Verjährung demnach noch rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V. mit § 693 Abs. 2 ZPO.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß mit der Erhebung des Widerspruchs durch den Beklagten das Mahnverfahren nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern beendet worden sei mit der Folge, daß für eine sinngemäße Anwendung des § 211 Abs. 2 BGB kein Raum sei. Die Entscheidung sei deshalb nach den §§ 213, 212a Satz 1 ZPO zu treffen. Ein Streitverfahren habe sich, da kein Termin bestimmt worden sei, an das Mahnverfahren nicht angeschlossen. Der Terminantrag der Klägerin vom 23. Dezember 1965 habe deshalb die Verjährung nicht neu unterbrochen, vielmehr sei die Verjährungsfrist am 10. Januar 1966 abgelaufen.
Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe der Klägerin sind begründet.
Wie der erkennende Senat am 31. März 1969 (also erst nach Erlaß des angefochtenen Urteils) inzwischen entschieden hat, sind in einem solchen Fall die §§ 213, 212a Satz 2, 211 Abs. 2 BGH anzuwenden (BGHZ 52, 47).
Nach § 696 Abs. 2 ZPO gilt eine Streitsache schon mit Zustellung des Zahlungsbefehls als rechtshängig, wenn nach Widerspruch alsbald Termin anberaumt wird. Daraus will das Oberlandesgericht folgern, daß auch hier in dieses Falle ein Streitverfahren sich im Sinne der §§ 213, 212a Satz 1 BGB unmittelbar an das Mahnverfahren anschließt. Das ist jedoch rechtsirrig. Nach § 697 Abs. 2 ZPO ist die Sache beim Landgericht anhängig, sobald das Amtsgericht die Verweisung beschlossen hat und der Beschluß zugestellt worden ist. Das genügt dafür, daß sich ein Streitverfahren an das Mahnverfahren „anschließt”. Der § 696 Abs. 2 dient nur dazu, eine Rückwirkung der prozessualen und sachlichrechtlichen Folgen der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls anzuordnen. Die Frage, ob sich ein Streitverfahren an das Mahnverfahren anschließt, wird durch diese Vorschrift nicht geregelt (vgl. dazu auch den zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß des VI. Zivilsenats vom 8. Dezember 1970 – VI ZA 11/70 –).
Ist das Verfahren aber anhängig, so ist gemäß den §§ 213, 212a Satz 2 die Bestimmung des § 211 Abs. 2 BGB anzuwenden. Gerät also das Verfahren nun in Stillstand, so endet zwar mit der letzten Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts die Unterbrechung der Verjährung, und diese beginnt von neuem zu laufen, Jedoch wird die Verjährung durch jede Handlung einer Partei erneut unterbrochen durch welche der Prozeß weiterbetrieben wird (vgl. auch Staudinger BGB, 11. Aufl., Anm. 3a zu § 213 BGB).
3. Da im vorliegenden Fall die letzte Prozeßhandlung in dem am 30. Januar 1964 eingegangenen Schriftsatz des Beklagten zu sehen ist, wäre die Forderung der Klägerin mit Ablauf des 30. Januar 1966 verjährt, sofern der Prozeß nicht vorher weiterbetrieben worden ist.
Die Entscheidung über die Verjährung hängt deshalb davon ab, ob die Klägerin vor Ablauf des 30. Januar 1966 das Verfahren dadurch weiterbetrieben hat, daß sie am 23. Dezember 1965 den Antrag auf Anberaumung eines Verhandlungstermins gestellt hat.
Das Berufungsgericht hat das in einer Hilfsbegründung (BU S. 12 ff.) verneint. Es führt dazu aus, ein solcher Antrag könne für sich allein noch nicht als ein Weiterbetreiben des Prozesses angesehen werden, wenn nicht in unverjährter Zeit auch die für eine Terminbestimmung gemäß § 111 GKG erforderliche Bezahlung der zweiten halben Prozeßgebühr erfolge.
Dem kann in dieser Allgemeinheit zwar nicht beigetreten werden. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine Prozeßhandlung geeignet ist, das Verfahren wieder in Gang zu setzen, darf kein zu enger Maßstab angelegt werden (BGH a.a.O. S. 51; vgl. auch LM Nr. 9 zu § 209 BGB; ferner RGZ 77, 324, 332, wonach schon das Einreichen eines Armenrechtsgesuchs im Fall des § 211 Abs. 2 BGB als eine Prozeßhandlung anzusehen ist, die geeignet ist, die Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen). Es ist daher entsprechend dem in den §§ 693 Abs. 2, 261 b Abs. 3 und 496 Abs. 3 ZPO ausgesprochenen Rechtsgedanken davon auszugehen, daß nach durchgeführtem Mahnverfahren und Verweisung an das Landgericht ein rechtzeitiger Antrag auf Terminbestimmung auch dann als eine den Prozeß weiterbetreibende Handlung angesehen werden kann, wenn die fällige weitere halbe Prozeßgebühr zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist, aber noch so zeitig bezahlt wird, daß demnächst ein Termin bestimmt werden kann.
Daraus folgt, daß der Auffassung des Berufungsgerichts, der Schriftsatz der Klägerin vom 23. Dezember 1965 sei nicht geeignet gewesen, die Verjährung zu unterbrechen, für den vorliegenden Fall dennoch beizutreten ist. Denn die Klägerin hat die angeforderte Prozeßgebühr von 43,50 DM erst etwa zwei Jahre später entrichtet. Mit Recht schließt das Berufungsgericht daraus, daß der Schriftsatz vom 23. Dezember 1965 für sich allein nicht geeignet war, das Verfahren zu fördern, weil der Prozeß ohne Zahlung der weiteren Gebühr im Stillstand verblieb. Er sollte vielmehr nur dazu dienen, die Verjährung erneut zu unterbrechen. Unter diesen Umständen kann ihm dann aber auch nicht die Wirkung einer den Prozeß weiterbetreibenden Handlung beigemessen werden. Andernfalls wäre es in solchen Fällen den Gläubiger möglich den Ablauf der Verjährungsfrist beliebig hinauszuschieben.
Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Klage wegen Verjährung der eingeklagten Forderung abgewiesen.
4. Die Revision der Klägerin ist somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609618 |
BGHZ 55, 212 |
NJW 1971, 751 |
MDR 1971, 383 |