Leitsatz
Zum ersten Mal wendet der BGH das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, sog. "Antidiskriminierungsgesetz") auf einen GmbH-Geschäftsführer an: Wird die Verlängerung eines befristeten Geschäftsführeranstellungsertrages in unzulässiger Weise aufgrund seines Alters - hier: 62 Jahre - verweigert, so steht ihm Ersatz seines Vermögensschadens und Entschädigung für seinen immateriellen Schaden zu.
Sachverhalt
Ziel des seit 2006 geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, bestimmte Formen der Diskriminierung im Rechtsverkehr zu verhindern. Hierunter fällt auch die Benachteiligung aufgrund des Alters. Um eine solche ging es auch in dem hier näher betrachteten Fall. Hintergrund war dabei nicht ein klassisches Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Denn betroffen war der Geschäftsführer einer GmbH. Sein Anstellungsvertrag war auf 5 Jahre befristet. Die Beteiligten sollten aber spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist erklären, ob sie den Vertrag verlängern wollen. Während der Geschäftsführer gern Geschäftsführer geblieben wäre, entschied sich der Aufsichtsrat der GmbH gegen ihn und für einen jüngeren Kandidaten, der 41 Jahre alt war. Gegenüber der lokalen Presse lies der Aufsichtsratsvorsitzende sinngemäß verlauten, dass der Geschäftsführer wegen seines Alters von 62 Jahren nicht wieder verpflichtet worden sei.
Entscheidung
Der BGH erblickt hierin eine unzulässige Diskriminierung des Geschäftsführers aufgrund seines Alters. Dieses Ergebnis beruht vor allem auf einer besonderen Regelung der Beweislast. Denn nach dem AGG musste der klagende Geschäftsführer nur Indizien für seine Diskriminierung vortragen. Insbesondere die Äußerungen des Aufsichtsvorratsvorsitzenden in der lokalen Presse hätten als Indiz genügt. Nun war es an der GmbH, diesen durch die öffentlichen Äußerungen geschaffenen Anschein der Diskriminierung zu wiederlegen - es ist ihr nicht gelungen. Einzelheiten werden nach einer Veröffentlichung des Urteils zu erfahren sein. Bisher liegt nur eine Presseerklärung des BGH vor.
Hinweis
Damit bestätigt der BGH das vorinstanzliche Urteil des OLG Köln, das in der Literatur teilweise stark kritisiert worden ist. Keine Neuigkeit ist dabei, dass das AGG wenigstens teilweise auch für vertretungsberechtigte Organmitglieder (wie eben einen GmbH-Geschäftsführer) gilt. Die gesetzliche Regelung der §§ 6 Abs. 3, 7 Abs. 1 AGG ist insoweit eindeutig. Betroffen sind nicht nur GmbH-Geschäftsführer, sondern auch Vorstände einer Aktiengesellschaft sowie möglicherweise auch Aufsichts- und Beiräte, soweit sie ihren Lebensunterhalt durch ihre Organstellung verdienen.
Es steht außerdem zu erwarten, dass der Schutz des AGG in den noch nicht veröffentlichten Entscheidungsgründen, nicht nur mit Blick auf Geschäftsführeranstellungsverträge, sondern auch für den gesellschaftsrechtlichen Akt der Geschäftsführer-Bestellung greift.
Welche Punkte nun stießen in der Literatur bisher auf Kritik? Insbesondere wurde bemängelt, dass das OLG Köln zu hohe Anforderungen an die Rechtfertigung einer Diskriminierung gestellt habe. Die einschlägigen Regelungen des AGG seien auf GmbH-Geschäftsführer und andere Organmitglieder nach dem Gesetz nur "entsprechend" anzuwenden. Und weil es sich nicht um einen typischen Arbeitnehmer handele - vor allem kann er frei abberufen werden -, seien niedrigere Anforderungen an eine Rechtfertigung von Diskriminierungen zu stellen. Teilweise wurde daher eine Altersgrenze von 58 Jahren, jedenfalls aber von 60 Jahren als akzeptable Höchstgrenze vertreten.
Das OLG habe außerdem verkannt, dass es sich bei Entscheidung gegen den 62jährigen bisherigen Geschäftsführer um eine Gremienentscheidung des Aufsichtsrats gehandelt habe. Die Äußerungen des Vorsitzenden gegenüber der Presse ließen an sich noch keinen Schluss auf die Motivlage der übrigen Mitglieder zu. Diesen Argumenten hat der BGH jetzt offenbar eine Absage erteilt.
Dennoch hat der BGH das Verfahren an das OLG Köln zurückverwiesen. Denn dieses habe Fehler bei der Feststellung zum Schadensumfang begangen. Die näheren Ausführungen in der Urteilsbegründung sind gespannt abzuwarten. Zu vermuten ist, dass es um den in der Literatur schon hervorgehobenen Punkt geht: Wäre der Geschäftsführer denn ohne diskriminierende Behandlung überhaupt weiterbeschäftigt worden? Hierzu fehlten Feststellungen im Urteil des OLG Köln.
Eine Besonderheit des Falles: Praktische Schwierigkeiten bereitet stets der Beweis, dass eine Benachteiligung gerade aus Altersgründen erfolgte. Niemand kann in den Kopf der Entscheidungsträger schauen, um ihre Beweggründe aufzuklären. An dieser Stelle war die Beweislastumkehr entscheidend. Wegen der Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden in der Lokalpresse galt: Solange die GmbH nicht das Gegenteil beweist, ist von einer unzulässigen Diskriminierung auszugehen.
Für die Praxis gilt: Entscheidungen gegen einen Bewerbung um ein Amt als vertretungsberechtigtes Organmitglied sind mit der gebotenen Sensibilität für die Regelungen des AGG zu treffen u...