Entscheidungsstichwort (Thema)
Stadtwerke Karlsruhe. Gaspreisverfahren
Tenor
1. Die von der Betroffenen mit Schreiben an die Beschlussabteilung vom 24. November 2008 angebotenen Verpflichtungszusagen sind bindend.
2. Das Verfahren gegen die Betroffene wird nach Maßgabe des § 32 b Absatz 1 Satz 2 GWB eingestellt.
3. Die Gebühr für das Verfahren einschließlich der Entscheidung beträgt […] EUR.
Tatbestand
I.
1. Die Betroffene ist ein Energieversorgungsunternehmen, das in den Bereichen Strom-, Wärme-, Trinkwasser- und Erdgasversorgung tätig ist. Der Umsatz betrug im Jahr 2007 ca. 0,5 Mrd. Euro. Gesellschafter der Betroffenen sind die Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs- und Hafen GmbH (70%), die EnBW Kommunale Beteiligungen GmbH (20%) und die Thüga AG (10%). Die Betroffene hat im Jahr 2007 ca. 70.000 Standardlastprofilkunden im Versorgungsgebiet der Stadt Karlsruhe beliefert. Die Betroffene ist Grundversorger i.S.d. § 36 Abs. 1 EnWG in diesem Versorgungsgebiet und über ihre 100%ige Tochtergesellschaft, die Stadtwerke Karlsruhe Netz GmbH, Eigentümerin des dortigen Gasverteilernetzes.
2. Die im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung vom 22. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2965) zum Jahresanfang 2008 eingerichtete 10. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes hat Anfang März 2008 ein Verfahren wegen des Verdachts des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch das Fordern überhöhter Gaspreise für die Belieferung von Standardlastprofilkunden mit Erdgas gegen die Betroffene auf der Basis von § 29 GWB sowie § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 2 GWB eingeleitet. Zuvor hatte das Bundeskartellamt bei der Landeskartellbehörde Baden-Württemberg die Abgabe der Sache beantragt. Dem Antrag hat die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg mit Schreiben vom 4. März 2008 stattgegeben.
3. Nach ersten Ermittlungen zu den Erlösen, Tarifen, Netzentgelten und Konzessionsabgaben hat die Beschlussabteilung weitere Ermittlungen zu den Gasbezugskosten, zu den Wettbewerbsbedingungen, zur Tarif- und Kundenstruktur sowie sonstigen Faktoren vorgenommen.
4. Die Beschussabteilung hat die Ermittlungsergebnisse und das unten näher dargestellte Prüfkonzept mit der Betroffenen in mehreren Besprechungen, zuletzt am 11. November 2008 erörtert.
5. Mit Schreiben vom 24. November 2008 hat die Betroffene Verpflichtungszusagen gemäß § 32 b GWB angeboten, die in einer Senkung der Arbeitspreise (über die Senkung aufgrund gesunkener Gasbezugskosten hinaus) ab 1. Januar 2009 bestehen und nicht durch spätere Preisgestaltungen kompensiert werden. Für das Jahr 2008 hat sich der Missbrauchsverdacht nicht erhärtet, da die Betroffene einen beträchtlichen Teil ihrer gestiegenen Gasbezugskosten und zusätzlich auch höhere Kosten aufgrund gestiegener Netznutzungsentgelte nicht an ihre Kunden weitergegeben und insoweit neben der Deckung der Vertriebskosten kaum Rendite erzielt hat.
6. Die Betroffene hat am 20. November 2008 Gelegenheit zur Stellungnahme zum entsprechenden Entscheidungsentwurf erhalten.
Entscheidungsgründe
II.
7. Die Verpflichtungszusagen sind geeignet, die der Betroffenen mitgeteilten vorläufigen Bedenken der Beschlussabteilung auszuräumen. Daher erklärt die Beschlussabteilung im Rahmen ihres Ermessens die Verpflichtungszusagen für bindend und stellt das Verfahren gegen die Betroffene vorbehaltlich ihrer in § 32 b Abs. 2 GWB enthaltenen Möglichkeiten ein. Die Verfahrenseinstellung bedeutet, dass die Beschlussabteilung die in Rede stehende Preisgestaltung der Betroffenen nicht kartellrechtlich angreifen wird.
8. Die vorläufige Auffassung der Beschlussabteilung beruhte auf den nachfolgend dargestellten Überlegungen, denen die Betroffene im Laufe des Verfahrens entgegen getreten ist (insbes. zu. Rn. 16, 18, 25, 29). Insoweit bestehen zwischen Bundeskartellamt und der Betroffenen nach wie vor unterschiedliche Rechtsauffassungen.
9. Das Bundeskartellamt ist für das Verfahren zuständig, weil die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg das Verfahren auf Antrag des Bundeskartellamtes nach § 49 Abs. 3 GWB rechtmäßig an das Bundeskartellamt abgegeben hat. Bei der Abgabeentscheidung handelt es sich um einen verwaltungsinternen Akt ohne Außenwirkung, der nicht isoliert anfechtbar ist.
10. Die Betroffene besitzt nach Auffassung der Beschlussabteilung in ihrem Versorgungsgebiet eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 2 GWB und im Sinne des § 29 GWB (als Anbieter von leitungsgebundenem Gas) bei der Belieferung von Standardlastprofilkunden mit Erdgas.
11. Sachlich relevant ist der Markt der Lieferung von Erdgas an Standardlastprofilkunden im Sinne des § 29 Gasnetzzugangsverordnung (vom 25. Juli 2005, BGBl. I S. 2210), d. h. nicht leistungsgemessenen Endkunden. Die Endkundenstufe umfasst sämtliche Nachfrager von Erdgas, die Erdgas zum eigenen Verbrauch nachfragen. Auf der Endkundenstufe bilden nicht leistungsgemessene Standardlastprofilkunden einerseits und leistungsgemessene...