Rn 10
Der Verwalter kann den Antrag nach § 122 erst dann bei dem Arbeitsgericht stellen, wenn ein Interessenausgleich nach § 112 BetrVG nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen zustande gekommen ist.
Rn 11
Der Begriff "Verhandlung" beinhaltet den Austausch von zumindest zwei, meist unterschiedlichen Meinungen. Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 122 Abs. 1 Satz 1 InsO kann daher noch nicht als Verhandlungsbeginn angesehen werden. Durch diese Unterrichtung ist der Betriebsrat erst in der Lage, sich eine Meinung von der geplanten Betriebsänderung zu bilden.
Rn 12
Der Betriebsrat ist jedoch nicht verpflichtet, unmittelbar nach der Unterrichtung durch den Insolvenzverwalter in die Verhandlungen einzutreten. Ihm ist vielmehr eine angemessene Frist zur Vorbereitung auf die Verhandlungen einzuräumen. Die Verhandlungen im Sinne des § 122 Abs. 1 Satz 1 beginnen daher erst dann, wenn Verwalter und Betriebsrat ihre unterschiedlichen Positionen erörtern.
Rn 13
Da die zeitliche Bestimmung des Verhandlungsbeginns in der Praxis regelmäßig Streitpotential beinhaltet, hat der Gesetzgeber die Festlegung des Fristbeginns in § 122 Abs. 1 Satz 1 um das Merkmal der schriftlichen Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen ergänzt. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Insolvenzverwalter von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch machen.
Rn 14
Allerdings kann der Verwalter die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 nicht bereits dadurch erfüllen, dass er nach Verhandlungsbeginn oder Verhandlungsaufforderung den Ablauf der Dreiwochenfrist untätig abwartet, sofern der Betriebsrat verhandlungsbereit ist. Denn § 122 bietet nur einen Ausweg aus "ergebnislosen Verhandlungen" und soll nicht von vornherein die in §§ 111, 112 BetrVG normierten Rechte und Pflichten aushebeln. Der Verwalter muss daher mit dem Betriebsrat tatsächlich ernsthaft verhandelt haben, sofern dieser hierzu bereit war.
Rn 15
Ab Verhandlungsbeginn oder mit Zugang der schriftlichen Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen (§ 130 BGB) beginnt die Dreiwochenfrist zu laufen. Zugangsberechtigter auf Seiten des Betriebsrats ist gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 BetrVG der Betriebsratsvorsitzende oder im Verhinderungsfall sein Stellvertreter. Gemäß § 188 Abs. 2 BGB endet die Dreiwochenfrist mit dem Ablauf desjenigen Tages der dritten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Verhandlungen begonnen haben oder die schriftliche Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen dem Betriebsrat zugegangen ist.
Rn 16
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Dreiwochenfrist nicht notwendigerweise erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des Insolvenzverwalters zu laufen beginnt. Für den Fall, dass Verhandlungsbeginn oder schriftliche Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen bereits drei Wochen zurückliegen, könne der Verwalter – eine umfassende Unterrichtung des Betriebsrats vorausgesetzt – unmittelbar nach Verfahrenseröffnung den Antrag nach § 122 einreichen. Ob sich diese für die Praxis hilfreiche Auffassung allerdings mit § 122 in Einklang bringen lässt, erscheint nicht unproblematisch. Aus den Gesetzesmaterialien geht jedenfalls hervor, dass die Dreiwochenfrist nur für die Verhandlungen Geltung beanspruchen soll, die zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat geführt wurden. Bis sich eine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Problematik entwickelt hat, sollte der Verwalter bei Stellung des Antrags nach § 122 zumindest mit dem Betriebsrat weiter verhandeln. Da bis zur Anberaumung eines Anhörungstermins vor dem Arbeitsgericht regelmäßig drei Wochen vergehen werden, liegen dann spätestens im Termin die Antragsvoraussetzungen vor.