Rn 47
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) wurde Satz 2 mit Wirkung ab dem 01.01.2021 neu in die Norm aufgenommen.
Die Ergänzung von § 4 InsO eröffnet den Insolvenzgerichten die Möglichkeit, auch in Gläubigerversammlungen und Erörterungs- und Abstimmungsterminen dem Schuldner, den Gläubigern und sonstigen Teilnahmeberechtigten die Teilnahme ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der Bild- und Tonübertragung zu gestatten. Damit wird die bislang umstrittene Frage der Zulässigkeit der Teilnahme an Gläubigerversammlungen über Fernkommunikationsmittel geklärt.
Rn 48
Aus der Neuregelung ergeben sich weder für die Insolvenzgerichte noch für die Teilnahmeberechtigten neue Verpflichtungen, sondern lediglich zusätzliche freiwillige Optionen. Satz 2 verweist auf § 128a ZPO, wonach das Gericht den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten kann, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
Rn 49
Damit steht es bei § 4 Satz 2 ebenso im Ermessen des Gerichts im Einzelfall, ob es die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme überhaupt zulässt. Bei der Ausübung dieses Ermessens wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob dem Insolvenzgericht eine technische Ausstattung zur Verfügung steht, welche hinreichend zuverlässig arbeitet, Datenschutz- und Datensicherheitsbelangen Rechnung trägt, die effektive Leitung der Versammlung zulässt, die zuverlässige Prüfung der Identität und Teilnahmeberechtigung sowie der Stimmrechte vor jeder einzelnen Abstimmung sicherstellt und allen Teilnehmern eine effektive Ausübung ihrer Rechte einschließlich der Einsichtnahme in Unterlagen und Kommunikation mit dem Gericht und allen anderen Teilnehmern ermöglicht.
Rn 50
Wenn das Insolvenzgericht die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme im Einzelfall dem Grunde nach eröffnet, steht es auch in seinem Ermessen, ob es diese Möglichkeit allen Teilnahmeberechtigten eröffnet oder auf einen sachgerecht abgegrenzten Teil von ihnen beschränkt (z.B. bei nachgewiesenen Einschränkungen der Reisefähigkeit oder bei besonders großer Entfernung zum Versammlungsort). Eine Beschränkung auf eine kleine Zahl von virtuellen Teilnehmern kann auch viele der vorgenannten Probleme entschärfen, die bereits bei der Ausübung des Entschließungsermessens eine Rolle spielen.
Rn 51
Alle Teilnahmeberechtigten haben weiterhin das Recht, persönlich im Versammlungssaal teilzunehmen, selbst wenn das Insolvenzgericht ihnen die virtuelle Teilnahme gestattet hat.
Rn 52
Die vorgeschriebenen Hinweise auf die Unzulässigkeit von wissentlichen Bild- und Tonaufnahmen sowie das Erfordernis, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können, dienen dem Schutz der Vertraulichkeit in Terminen, die nicht öffentlich sind. In der Formulierung kommt zum Ausdruck, dass eine unwissentliche Aufzeichnung, die ohne Kenntnis des Anwenders erfolgt, nicht erfasst wird. Zu den geeigneten Maßnahmen, zur Sicherstellung, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können, gehört mindestens eine dem aktuellen Stand der Technik entsprechende Virenschutzsoftware. Die Möglichkeiten für das Insolvenzgericht zur effektiven Überwachung dieser Verbote sind eingeschränkt. Dies ist aber kein tragfähiger Grund, die virtuelle Teilnahme an nicht öffentlichen Versammlungen und sonstigen Terminen gesetzlich auszuschließen, zumal die Anwendung von § 128a ZPO auch in anderen Fällen nicht öffentlicher Termine auch in anderen durchaus sensiblen Bereichen zulässig ist (z.B. § 32 Abs. 3 FamFG). Die Strafbewehrung heimlicher Bild- und Tonaufzeichnungen in nicht öffentlichen Terminen (§ 201 StGB) erscheint insoweit ausreichend.