Rn 21
Nach Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 können nicht nur Handlungen des Insolvenzverwalters Masseverbindlichkeiten begründen; Masseverbindlichkeiten können auch allein durch die Tatsache der "Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse" entstehen. Der Gesetzeswortlaut bezieht sich also auf Verpflichtungen, die kraft Gesetzes als unmittelbare Folge aus der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zur Insolvenzmasse oder der Verwaltung der Vermögensgegenstände als solcher resultieren.
Rn 22
Solche unmittelbaren Folgen der Verwaltungstätigkeit sind in erster Linie öffentlichrechtliche Verbindlichkeiten und Lasten, die entweder auf der Verwaltung des schuldnerischen Vermögens basieren (bspw. Steuerverbindlichkeiten) oder auf einem Gegenstand ruhen, der zur Insolvenzmasse gehört (bspw. Grundbesitzabgaben, Anliegerbeiträge Schornsteinfegergebühren, Kfz-Steuer). Außer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten beruhen auch Verbindlichkeiten aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag und aus Wohnungseigentum nach WEG auf "Verwaltung, Verwertung und Verteilung" der Insolvenzmasse nach Abs. 1 Nr. 1 Var. 2.
2.2.1 Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis
Rn 23
Aus der Verwaltung des schuldnerischen Vermögens resultiert insbesondere die Steuerpflicht, die vom Insolvenzverwalter für die Veranlagungszeiträume ab Verfahrenseröffnung zu erfüllen ist soweit der Insolvenzbeschlag oder die Erklärungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters reichen. Wenn eine selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners freigegeben wurde nach § 35 Abs. 2, kann der Insolvenzverwalter Umsätze daraus nicht mehr erklären. Kfz-Steuer ist nur soweit Masseverbindlichkeit, wie das Kfz vom Insolvenzbeschlag überhaupt erfasst (z. B. § 36 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) oder aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wurde. Eine den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung betreffende Nachzahlungsforderung des Finanzamtes ist nicht ohne Weiteres Masseverbindlichkeit. Bei umsatzsteuerlicher Organschaft ist der Umsatzsteueranspruch aus der Umsatztätigkeit der Organgesellschaft auch für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeit. Bei Veräußerung eines Massegegenstandes kann eine Einkommensteuerschuld entstehen. Diese Einkommensteuerschuld ist in voller Höhe auch dann Masseverbindlichkeit, wenn der Gegenstand mit Absonderungsrechten belastet war und deshalb aus der Veräußerung tatsächlich kein die Steuerschuld übersteigender Zufluss zur Insolvenzmasse erfolgt ist. Einkommensteuer auf die nach Eröffnung zur Insolvenzmasse gelangten Lohneinkünfte ist keine Masseverbindlichkeit.
Rn 24
Bei Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis ist die Differenzierung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung nicht leicht zu treffen. Soweit der der Steuerforderung zugrundeliegende zivilrechtliche Sachverhalt im Insolvenzeröffnungsverfahren während der vorläufigen Insolvenzverwaltung verwirklicht wurde, ist die Differenzierung selbst unter den verschiedenen Senaten des BFH und dem BGH umstritten. Sofern der der Steuerforderung zugrundeliegende Sachverhalt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde, handelt es sich ohne Weiteres um Masseverbindlichkeiten nach Abs. 1 Nr. 1 Var. 2. Wenn der der Steuerforderung zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung vollständig verwirklicht wurde, handelt es sich bei den Steuerverbindlichkeiten um Insolvenzforderungen nach § 38.
Rn 25
Die Kfz-Steuer ist nur dann Masseverbindlichkeit, wenn das Kfz vom Insolvenzbeschlag erfasst ist.
2.2.2 Verbindlichkeiten aus Ordnungsrecht
Rn 26
Wie die steuerrechtlichen Pflichten hat der Insolvenzverwalter auch die ordnungsrechtlichen Pflichten des schuldnerischen Vermögens zu erfüllen. Die Verwaltungsgerichte legen diese Ordnungspflicht teilweise sehr weit aus – auch über die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hinaus. Bei der ordnungsrechtlichen Störerhaftung ist zu differenzieren zwischen Zustandsstörung und Verhaltensstörung. Die Haftung für Zustandsstörung wie bspw. die Haftung für die Beseitigung von Altlasten resultiert aus der Eigentümerstellung. Solange ein Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört, ist der Insolvenzverwalter – und damit haftungsrechtlich die Insolvenzmasse – verantwortlich für die Beseitigung der Zustandsstörung. Der Insolvenzverwalter kann sich in d...