Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil unter Berücksichtigung der sorgerechtlichen Kriterien
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und daher insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern nicht feststellbar, ist die gemeinsame elterliche Sorge ganz oder teilweise aufzuheben.
2. Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells nicht in Betracht.
3. Besteht hinsichtlich der sorgerechtlichen Kriterien nahezu ein Gleichgewicht zwischen den Kindeseltern, können der Kontinuitätsgrundsatz und eine geringfügig stärkere Bindung des Kindes an die Kindesmutter zugunsten eines Verbleibs bei ihr sprechen.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 04.12.2008) |
Tenor
1. Die befristete Beschwerde des Kindesvaters vom 14.1.2009 gegen den Beschluss des AG Oranienburg vom 4.12.2008 wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames Kind:
J. M., geboren am ... Juli 2004.
Die Kindeseltern lebten seit 2002 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, zunächst in getrennten Wohnungen, bevor sie in Juni 2004 zusammen zogen. Für seinen Sohn hat der Kindesvater unter dem 2.8.2004 die Vaterschaft anerkannt. Zeitgleich haben die Kindeseltern die gemeinsame Sorgeerklärung für das betroffene Kind abgegeben.
Die Kindesmutter ist am ... Dezember 1975 geboren. Sie war ca. bis zum 8. Schwangerschaftsmonat bei der N. AG als Vorstandsassistentin tätig (das heißt ca. bis Mai/Juni 2004). Nach der Geburt des gemeinsamen Kindes nahm sie diese Beschäftigung nicht mehr auf und betreute und versorgte das Kind und den gemeinsamen Haushalt. Die Kindesmutter wurde im Dezember 2006 im Strafbefehlsverfahren wegen Diebstahls verurteilt. Darüber hinaus hat sie in der Vergangenheit erhebliche Schulden angehäuft, über deren genaue Höhe die Kindeseltern gestritten haben. Nach den eigenen Angaben der Kindesmutter hat sie zuletzt noch Schulden von etwa 30.000 EUR gehabt, die sie in monatlichen Beträgen von rund 55 EUR tilgt.
Der Kindesvater ist am ... November 1970 geboren worden. Er ist Polizeibeamter. Sein Verdienst beträgt mindestens 2.500 EUR netto im Monat. Von seinem Einkommen lebte die Familie während des Zusammenlebens. Der Kindesvater hat aus einer früheren Beziehung einen Sohn, J. G., geboren am ... Juni 1999. Dieser Sohn lebt bei seiner Mutter; der Kindesvater hat regelmäßigen Umgang mit dem Sohn und zahlt Unterhalt.
Bereits früh kam es zu Konflikten innerhalb der Beziehung der Kindeseltern. Mit Beschluss des AG Pankow-Weißensee vom 28.9.2004 wurden der Kindesmutter auf deren Antrag hin im Wege der einstweiligen Anordnung Teile des Sorgerechts für das betroffene Kind hinsichtlich der Beantragung von Kindergeld und Erziehungsgeld allein übertragen. Der weitergehende Antrag der Kindesmutter auf Übertragung der gesamten Personensorge wurde zurückgewiesen.
In 2007 verzog die Familie nach Z. in ein Eigenheim. Der Kindesvater hatte ein Grundstück von seinen Eltern geschenkt erhalten und darauf mit erheblichen Eigenleistungen ein Haus errichtet. Die Eltern des Kindesvaters sind die Eigentümer des Nachbargrundstücks, das sie zumindest in den Sommermonaten genutzt haben.
Spätestens zu der Zeit des Umzugs nach Z. traten verschärfte Spannungen innerhalb der Beziehung der Kindeseltern auf. Unter anderem stritt man sich darum, welche Kindertagesstätte das Kind besuchen solle. Anfang 2008 verschärften sich die Spannungen weiter. Am 27.2.2008 verließ die Kindesmutter mit dem gemeinsamen Kind ohne vorherige Absprache mit dem Kindesvater das Haus. Sie verzog zum Wohnort ihrer Mutter in P ... Dies teilte sie dem Kindesvater später per SMS mit.
Am 5.4.2008 kehrte die Kindesmutter mit J. in das Familienheim in Z. zurück. Die Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern bestanden aber fort. Am 20.4.2008 packte die Kindesmutter erneut Sachen zusammen mit der Absicht, den Kindesvater endgültig zu verlassen. Dieser kam noch vor ihrem Auszug nach Hause, was in erneute Streitigkeiten mündete. Die Kindesmutter hatte einen Möbelwagen vor dem Haus geparkt; beim Einpacken halfen ihr ihre Mutter und deren Lebensgefährte sowie dessen Sohn. Infolge des Streits wurde J. in den Pkw der Kindesmutter gesetzt. Hiermit war der Kindesvater nicht einverstanden und versuchte, das Kind aus dem Auto zu holen, was die Kindesmutter aber verweigerte. Im Anschluss daran fuhr die Kindesmutter mit dem Kind gegen den Willen des Kindesvaters zunächst ins Frauenhaus und teilte dies dem Kindesvater auch mit, wobei sie aber nicht - wie sie es dem Kindesvater mitgeteilt hatte - in das O'er, sondern das B'er Frauenhaus ging. Dort verblieb sie bis zum 22.4.2008.
Anschließend bezog sie ohne Informierung des Kindesvaters eine Wohn...