Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 22.10.2019; Aktenzeichen 14 Ns 66/19) |
AG Oranienburg (Entscheidung vom 28.01.2019; Aktenzeichen 14 Cs 47/18) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten werden die Urteile des Amtsgerichts Oranienburg vom 28. Januar 2019 - 14 Cs 47/18 - und des Landgerichts Neuruppin vom 22. Oktober 2019 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Oranienburg hat den Angeklagten nach einem vorangegangenen Strafbefehlsverfahren am 28. Januar 2019 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt.
Mit Urteil vom 22. Oktober 2019 hat das Landgericht Neuruppin die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten verworfen.
Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Die Firma D... GmbH war im Jahr 2016 von der Stadt H... mit einer Wegverbreiterung des Gehweges in der ...straße in H... beauftragt worden. Nachdem die Firma mit den Arbeiten begonnen hatte, erschienen am ... .11.2016 vormittags die durch ihre Dienstleistung als Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes der Stadt H... erkennbare Zeuginnen A... B... und I... F... bei ihrem routinemäßigen Kontrollgang auf der Baustelle. Die Zeuginnen stellten vor Ort eine aus ihrer Sicht unzureichend gesicherte Baustelle fest, u. a. Sandhaufen in Parktaschen und Baumaschinen im öffentlichen Verkehrsraum. Sie forderten die vor Ort befindlichen Mitarbeiter der Firma auf, Abhilfe zu schaffen und erklärten in diesem Zusammenhang, dass widrigenfalls eine Ersatzvornahme auf Kosten der Baufirma und eine Meldung an die Straßenverkehrsbehörde erfolgen könnte und dies auch zu "Punkten in Flensburg" führen könnte. Als die Zeuginnen ca. eine halbe Stunde später die Baustelle nochmals aufsuchten, war diese nach ihren Wünschen abgesichert. Die Bauarbeiten waren allerdings nunmehr eingestellt.
Der Angeklagte als Geschäftsführer der D... GmbH war sehr verärgert über die aus seiner Sicht unrechtmäßigen Forderungen der Zeuginnen B... und F... und zeigte in der Folge gegenüber der Stadt H... eine Baubehinderung an. In diesem Zusammenhang verfasste und unterzeichnete er am 13.12.2016 folgendes Schreiben, das er sodann an die Stadtverwaltung H..., Fachdienst Öffentliche Anlagen, übersandte:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Baubehinderung halten wir aufrecht.
Natürlich hatten wir nach dem Bietergespräch keine Unklarheiten in Bezug auf die Baustellensicherung. Wir geben Ihnen Recht, dass der Auftragnehmer für die Baustellensicherung zuständig ist. Das heißt, er haftet auch allein für eventuell aus mangelhafter Absperrung resultierender Schäden (dafür Haftpflichtversicherung). Dass eine vorlaute Göre vom Ordnungsamt ganz andere Vorstellung hat, konnten wir nicht ahnen. Auch wenn die Mitarbeiter des Sachgebiet Ordnung den Auftrag haben die klammen Kassen zu füllen. Ergo war die Dame uns gegenüber nicht weisungsbefugt und sicher auch nicht im Besitz einer Bescheinigung nach MVAS. Diese anmaßende Drohung der, hahaha, Ordnungshüterin, dem Verantwortlichen Punkte aufzuerlegen zeugt von destruktiver geistiger Fähigkeit, sofern das eine Fähigkeit ist.
Somit wurde die Baustelle durch die Stadt H...Ordnungsamt, bewusst verzögert.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Angeklagte war sich bewusst, dass er zumindest durch die Formulierung "vorlaute Göre" die Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes in ehrverletzender Weise bezeichnete und dass diese bzw. der Dienstherr - die Stadt H... - diese Formulierung auch als Beleidigung auffassen könnte.
Das Schreiben vom 13.12.2016 wurde den Zeuginnen A... B... und I... F... durch ihren Fachbereichsleiter zur Kenntnis gegeben.
Am 10.01.2017 erstattete der Bürgermeister der Stadt H... - weil er den Inhalt des Schreibens vorn 13.12.2016 als grob beleidigend und ehrverletzend gegenüber den beiden Mitarbeiterinnen B... und F... ansah - gegen den Angeklagten Strafanzeige und stellte gleichzeitig ein Strafantrag gegen den Angeklagten gemäß § 194 Abs. 3 StPO."
Das Landgericht hat ausgeführt, dass bei der Äußerung "vorlaute Göre", anders als bei der Erklärung, das Verhalten der Zeuginnen zeuge von "destruktiver geistiger Fähigkeit sofern es eine Fähigkeit ist" und die Äußerung "hahaha, Ordnungshüterin", welche von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, die ehrverletzende Schmähung der Zeuginnen im Vordergrund gestanden habe, denen als erwachsene Frauen das Verhalten unartiger, vorlauter Kinder bescheinigt worden sei.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Revision für offensichtlich unbegründet. Insbesondere sei die Äußerung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt zu seinem Freispruc...