Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Entscheidung vom 17.06.2003; Aktenzeichen 2.3 OWi 171/03) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 17. Juni 2003 wird zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Königs Wusterhausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 17. Juni 2003 wegen fahrlässigen unzulässigen Parkens im Bereich einer scharfen Kurve, Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO, eine Geldbuße von 15,00 EUR festgesetzt. Nach den Feststellungen parkte der Betroffene am 15. Juni 2002 seinen Pkw VW, amtliches Kennzeichen ..., in der Zeit von 7:07 Uhr bis 7:11 Uhr verkehrswidrig innerorts "am Beginn einer Wendeschleife auf der rechten Fahrbahnseite".
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der sinngemäß die allgemeine Sachrüge erhebt und geltend macht, dem Rechtsbegriff der "scharfen Kurve" unterfielen keine so genannten Wendeschleifen.
II.
Das zulässige, insbesondere den Vorschriften der §§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344, 345 StPO gerade noch gerecht werdende, Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).
Die Fortbildung des Rechts besteht darin, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen (BGHSt. 24, 15, 21; OLG Düsseldorf VRS 85, 373; OLG Hamm DAR 1973, 139). Nicht nur die rechtsschöpferische Schließung von Lücken, sondern auch die Auslegung von Rechtssätzen kann eine Fortbildung des Rechts sein; da das Recht die Einheit von Gesetz und Rechtsprechung darstellt, ist deren Entwicklung ein Stück der Rechtsfortbildung. Dass die Rechtsfrage bereits im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts einer Klärung zugeführt wurde, steht überdies der Zulassung nicht entgegen (HansOLG MDR 1970, 527), da dadurch ein aufgestellter Leitsatz gefestigt wird (OLG Köln VRS 86, 202, 319).
Die skizzierten Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar definiert die Rechtsprechung eine so genannte Kurve als gekrümmten Straßenverlauf bezogen auf eine einheitliche Fahrbahn (vgl. etwa OLG Düsseldorf JMBl. NW 1983, 106). Der Gesetzesfassung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO lässt sich auch entnehmen, dass das Verbot für beide Fahrbahnseiten (BGH NJW 1971, 474), und je nach Art und Beschaffenheit der Straße bereits angemessen weit vor der Kurve, in ihr und ausreichend weit hinter ihr gilt, bis keine Gefährdung durch verengendes Halten mehr in Betracht kommt (Nachweise bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 12 StVO Rz. 24). Keiner ausdrücklichen Klärung zugeführt worden ist bislang aber die Frage, ob Wendeschleifen dem Rechtsbegriff der Kurve in § 12 Abs. 1 StVO unterfallen.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen nicht den Schuldspruch wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Das Amtsgericht hat den Rechtsbegriff der Kurve im Sinne der genannten Norm verkannt. Auch wenn, wie das Amtsgericht zu Recht anführt, als Kurve "der gekrümmte Straßenverlauf bezogen auf eine einheitliche Fahrbahn" gilt und diese Definition bei unkritischer Betrachtungsweise auch auf Wendeschleifen, das heißt kreisförmige, gegenüber dem normalen Straßenverlauf verbreiterte und am stumpfen Ende eines Straßenstücks zur Ermöglichung eines Wendevorganges eingerichtete Straßenteile, Anwendung finden könnte, würde eine solche Auslegung der Straßenverkehrsordnung weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem landläufigen Verständnis des Begriffs einer Kurve gerecht. Das Verbot des Kurvenparkens dient erkennbar dem Verkehrsfluss im Straßenraum und dem möglichst weit gehenden Ausschluss von Gefährdungen, die im Falle seiner Zulassung durch Brems- und Ausweichmanöver entstehen könnten. Eine Behinderung des fahrenden Verkehrs soll vermieden werden. Das Verbot trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass Kraftfahrzeuge in Kurvenbereichen nicht per se zum Fahren auf Sicht verpflichtet sind und darauf vertrauen dürfen, dort durch stehenden Verkehr unbeeinträchtigt zu bleiben. Diese Grundsätze lassen sich indes nicht ohne weiteres auf Wendeschleifen übertragen. Zwar dienen sie ebenfalls dem Verkehrsfluss, sollen sie doch dem fließenden Verkehr eine Wendemöglichkeit eröffnen, um seine Fahrt in die Gegenrichtung fortzusetzen. Von der Natur ihrer Ausgestaltung her und auf Grund der für Wendeschleifen typischen Sichtverhältnisse ist aber davon auszugehen, dass sich der dort fahrende fließende Verkehr nur tastend voranbewegt; Kraftfahrzeuge können im Bereich von Wendehammern und ähnlichen Verkehrseinrichtungen zudem nicht damit rechnen, ihre Fahrt ohne Rücksicht auf den stehend...