Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Anspruch auf Kindesherausgabe

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge kann ein Elternteil die Herausgabe des Kindes von dem anderen Elternteil nur dann verlangen, wenn das Kind ihm widerrechtlich vorenthalten wird, d.h., wenn der andere Elternteil das Kind ohne rechtfertigenden Grund in seiner unmittelbaren oder mittelbaren Gewalt hat und die Wiedererlangung durch den Berechtigten verhindert.

 

Normenkette

BGB § 1632 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Beschluss vom 03.11.2006; Aktenzeichen 32 F 308/06)

 

Tenor

Die befristete Beschwerde des Antragstellers vom 16.11.2006 gegen den Beschluss des AG Senftenberg vom 3.11.2006 (32 F 308/06) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Zwischen den Kindeseltern, die am 15.9.1995 die Ehe miteinander eingingen, aus der das betroffene Kind stammt, ist unter dem Aktenzeichen ... beim AG Senftenberg das Ehescheidungsverfahren anhängig. Im Rahmen dieses Verbundverfahrens beantragte die Kindesmutter mit Antragsschrift vom 13.9.2006 den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung eines Umgangsrechts für das seit der Trennung der Kindeseltern im März 2004 beim Kindesvater lebende betroffene Kind, den am 8.3.1996 geborenen S.-J. Über diesen Antrag beschloss das AG Senftenberg am 14.9.2006 nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen und beraumte einen Termin auf den 27.9.2006 an. In diesem Termin wurden das Kind und eine Vertreterin des zuständigen Jugendamtes angehört, wonach die Parteien eine Vereinbarung zum Umgangsrecht der Kindesmutter, sowohl turnusmäßig wie auch hinsichtlich der Herbstferien 2006, schlossen sowie ihr (gemeinsames) Aufenthaltsbestimmungsrecht dahingehend ausübten, dass sie darin übereinstimmten, dass S.-J. weiterhin seinen Aufenthalt beim Vater haben sollte. Diese Vereinbarung wurde familiengerichtlich genehmigt.

Während des in der vorstehend genannten Vereinbarung festgelegten Besuchs des betroffenen Kindes bei der Mutter in den Herbstferien, dem ersten Kontakt zwischen Mutter und Kind seit mehr als zwei Jahren, äußerte S.-J., nicht mehr in den väterlichen Haushalt zurückkehren zu wollen. Die Kindesmutter wandte sich daraufhin zunächst an das für sie örtlich zuständige Jugendamt, um sich Rat bezüglich ihres weiteren Vorgehens einzuholen. Außerdem teilte der Junge seinen Wunsch, im mütterlichen Haushalt zu bleiben, telefonisch dem Vater mit, der daraufhin ankündigte, es, zum verabredeten Übergabetermin am 15.10.2006 ggf. auch gegen seinen Willen abholen zu wollen. Die Kindesmutter entschloss sich daher, S.-J. trotz dessen Widerstandes nach L. zurückzubringen, wobei das betroffene Kind auf der Fahrt mehrfach ankündigte, bei nächster Gelegenheit aus dem väterlichen Haushalt weglaufen und zur Mutter zurückkehren zu wollen. Daraufhin bat die Kindesmutter in der Polizeistation L. um Unterstützung bei der Übergabe; als es den Polizeibeamten ebenfalls nicht gelangt, S.-J. von seiner Meinung abzubringen, und das Kind sich vor der Wohnung des Vaters weigerte, das Auto der Mutter zu verlassen, fuhr diese nach einem Gespräch mit dem Kindesvater zu ihrem Wohnort in Nordrhein-Westfalen zurück, wo S.-J. seither bei ihr lebt und die Schule besucht.

Mit Schriftsatz vom 19.10.2006 stellte der Kindesvater beim AG einen Antrag auf Herausgabe des Kindes, ggf. auch unter Gewaltanwendung, und begründete sein Begehren damit, dass die Kindesmutter ihm den gemeinsamen Sohn unter Verstoß gegen die geschlossene Vereinbarung widerrechtlich vorenthalte. Das AG bestellte zunächst die Verfahrenspflegerin und bestimmte einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 3.11.2006. An diesem Tag hörte die Amtsrichterin das Kind S.-J. an, das sich nachdrücklich dahingehend äußerte, nicht in den väterlichen Haushalt zurückkehren zu wollen; der Vater habe ihn oft angeschrieen und seine Telefonate mit der Mutter mitgehört und sich abfällig über sie geäußert. Außerdem sei am 20.9.2006 von der jetzigen Lebensgefährtin des Vaters eine kleine Schwester geboren worden, um die sich nun alles drehe. Zudem wiederholte er seine Ankündigung, notfalls vom Vater weglaufen zu wollen. In der Anhörung der übrigen Beteiligten befürwortete die Verfahrenspflegerin und die Vertreterin des Jugendamtes einen Verbleib des betroffenen Kindes im mütterlichen Haushalt und beantragten die Zurückweisung des Herausgabeantrages.

Mit am selben Tag verkündetem Beschluss hat das AG Senftenberg den Antrag des Kindesvaters auf Herausgabe des Kindes zurückgewiesen und die Vereinbarung der Kindeseltern vom 27.9.2006 bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes außer Vollzug gesetzt. Zur Begründung hat das AG im Wesentlichen ausgeführt, das Herausgabebegehren des Kindesvaters sei unbegründet. Angesichts des von S.-J. sehr nachdrücklich geäußerten Willens widerspreche es dem Kindeswohl, ihn unter Zwang in den väterlichen Haushalt zurückz...

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