Verfahrensgang

LG Potsdam (Aktenzeichen 11 O 209/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers werden die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Potsdam vom 24.08.2021 - 11 O 209/18 - abgeändert.

Die von dem Kläger an die Beklagten gemäß § 104 ZPO nach dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 11.11.2019 sowie dem Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12.05.2021 zu erstattenden Kosten werden auf 6.381,02 EUR (Sechstausenddreihunderteinundachtzig und 2/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 3.073,06 EUR seit dem 18.11.2019 sowie weiteren Zinsen aus 3.307,96 EUR seit dem 28.05.2021 festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 11 RPflG, §§ 104, Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers, mit der er sich gegen die Festsetzung der Kosten zweier Prozessbevollmächtigter für die als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten wendet, ist begründet. Die Beklagten können von dem Kläger nur die Kosten ersetzt verlangen, die für die Inanspruchnahme eines Prozessbevollmächtigten für alle streitgenössisch in Anspruch genommenen Beklagten entstanden wären.

1) Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei der obsiegenden die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Kosten zu erstatten. Beauftragen mehrere Streitgenossen unterschiedliche Rechtsanwälte, so sind die dadurch entstandenen Mehrkosten vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Bestimmung grundsätzlich vom unterliegenden Gegner zu übernehmen (Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 42. Ed. Stand 01.09.2021, § 91 Rn. 151). Es besteht - auch erstattungsrechtlich - keine allgemeine Verpflichtung für Streitgenossen, von einer Individualvertretung abzusehen (BVerfGE 81, 387). Dieser großzügige Maßstab bedarf jedoch einer Korrektur in den Fällen, in denen ein anzuerkennendes (besonderes) sachliches Bedürfnis für die Einschaltung eines eigenen Prozessbevollmächtigten nicht gegeben ist. Jede Prozesspartei ist nämlich grundsätzlich verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt.

Diese Verpflichtung folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis und beherrscht als Ausfluss von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 02.05.2007 - XII ZB 156/06 Rn. 12f.). Ein Kostenerstattungsanspruch besteht deshalb nicht im Falle des Rechtsmissbrauchs oder dann, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschluss vom 20.01.2004 - I ZB 76/03, juris Rn. 8; Senat, Beschluss vom 29.09.2010 - 6 W 82/10). Bei der Bewertung verbietet sich eine schematische Sichtweise, vielmehr sind die konkreten Fallumstände zu betrachten. Ein Recht auf individuelle anwaltliche Vertretung wird nach den Umständen des Einzelfalls zu verneinen sein, wenn die Partei davon ausgehen kann und muss, dass ein eigener Rechtsanwalt zur Wahrung der persönlichen rechtlichen Interessen im Rahmen der Prozessführung nicht erforderlich sein wird, und die individuelle Beauftragung von Prozessbevollmächtigten durch mehrere Streitgenossen kann den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit begründen, wenn plausible und schutzwürdige Belange für ein solches Vorgehen nicht erkennbar sind. Allein die Möglichkeit einer Ausgleichspflicht zwischen den Streitgenossen stellt keinen sachlichen Grund in diesem Sinne dar. Anders kann es liegen, wenn zwischen den Streitgenossen ein Interessengegensatz bei der Prozessführung besteht (BGH, Beschluss vom 02.05.2007 - XII ZB 156/06, NJW 2007, 2258), bezüglich der Streitgenossen unterschiedliche Sachverhalte zu beurteilen sind oder nach der rechtlichen oder tatsächlichen Ausgestaltung der Streitgenossenschaft ein sachliches Bedürfnis für die Hinzuziehung eines eigenen Rechtsanwalts erkennbar ist, etwa weil eine von der gesetzlichen Regelung des § 426 Abs. 1 BGB abweichende Ausgleichsregelung in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 16.05.2013 - IX ZB 152/11, BeckRS 2013,11373; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.05.2019 - 9 W 12/19, BeckRS 2019, 13301).

Da der unterlegene Gegner, den als Kostenschuldner die Feststellungslast betreffend das Fehlen eines sachlichen Grundes trifft (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.01.2015 - 9 W 171/14, BeckRS 2015, 07142), in aller Regel nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Einschaltung mehrerer Anwälte zu beurteilen, obliegt es den obsiegenden Streitgenossen, ihrerseits im Kostenfestsetzungsverfahren darzulegen, aus welchen plausiblen und schutzwürdigen Belangen sie die Vertretung durch nur einen Anwalt nicht als ausreichend interessenwahrend erachtet haben (Goldbeck in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 91 ZPO Rn. 130).

Einen entsprechenden Vortrag haben die Beklagten allerdings auch auf konkreten Hinweis des Rechtspflegers vom 08.09...

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