Leitsatz (amtlich)
Zur Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere wegen verschlechterter Karrierechancen auf Grund von Kinderbetreuung.
Normenkette
VersAusglG § 27
Tenor
In der Familiensache F. ./. S. wird der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen.
Gründe
Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung der Beschwerde hinsichtlich der Folgesache über den Versorgungsausgleich nicht bewilligt werden. Die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das AG hat den Versorgungsausgleich zutreffend durchgeführt. Gründe für einen (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs hat die Antragstellerin nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Gemäß § 27 Satz 1 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen, § 27 Satz 2 VersAusglG. Da Voraussetzung für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs eine grobe Unbilligkeit ist, muss eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen. Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (BGH FamRZ 2013, 106 Rz. 19; FamRZ 2013, 690 Rz. 14). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich vorliegend eine grobe Unbilligkeit im Falle der uneingeschränkten Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht feststellen.
1. Eine grobe Unbilligkeit ist nicht etwa im Hinblick auf ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht gegeben.
Die gesetzliche Regelung macht die gleichmäßige Verteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte grundsätzlich nicht davon abhängig, ob der Ausgleichsberechtigte zu seiner sozialen Absicherung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist. Ebenso wenig ist es von entscheidender Bedeutung, ob die auszugleichenden Anrechte im Verhältnis zu dem Vermögen und den Einkommensverhältnissen auch des Berechtigten eine ins Gewicht fallende Größe darstellen. Eine grobe Unbilligkeit kann allerdings dann im Einzelfall in Betracht kommen, wenn nicht nur der Ausgleichsberechtigte über Einkünfte oder Vermögen verfügt, wodurch seine Altersvorsorgung uneingeschränkt abgesichert ist, sondern außerdem der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH FamRZ 2005, 1238, 1239; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 27 VersAusglG Rz. 22). Allerdings reicht das Vorbringen eines Ehegatten, er sei wirtschaftlich auf seine Rente angewiesen, regelmäßig nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn er nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verstärkt auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein sollte. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltsgrenzen bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (BGH FamRZ 2007, 996, 1000 Rz. 28).
Vorliegend hat die Antragstellerin schon nicht hinreichend dargelegt, dass sie auf eine uneingeschränkte Versorgung dringend angewiesen ist. Soweit sie von ihrem voraussichtlichen Ruhegehalt einen Betrag von 434,33 EUR, das ist der Ausgleichswert der von ihr erworbenen Beamtenanrechte, absetzt, berücksichtigt sie nicht, dass durch den angefochtenen Beschluss auch die Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen worden sind, wobei der insoweit auf die Antragstellerin entfallende Ausgleichswert einer Monatsrente von 49,33 EUR entspricht, während es aufseiten des Antragsgegners insgesamt 223,47 EUR (= 125,20 EUR in der allgemeinen Rentenversicherung + 98,27 EUR in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost)) sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass die noch nicht 50 Jahre alte Antragstellerin voraussichtlich noch in der Lage ist, aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit erhebliche weitere Anrechte zu erwerben.
Etwa eingeschränkte Karrierechancen der Antragstellerin wegen Verkürzung der Arbeitszeit infolge der Kinderbetreuung des im Jahr 2005 geborenen jüngsten Kindes, beispielsweise wegen dadurch unterbliebener Beförderungen, begründen eine grobe Unbilligkeit nicht. Hierbei handelt es sich um eine einvernehmliche Entscheidung der Ehegatten bei intakter ehelicher Lebensgemeinschaft. Im Übrigen hat der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen, dass er selbst nach der Geburt der Tochter im Jahr 2001 Erziehungszeit genommen hat. Auch vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich,...