Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 26.08.2015) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Nauen vom 26.8.2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin und des Jugendamtes gegen die Entscheidung in der Hauptsache wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Teilhabe des Antragstellers an der elterlichen Sorge für ihr gemeinsames Kind.
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des 2014 geborenen Kindes. Sie lebten zusammen, trennten sich aber vor der Geburt des Kindes. Sorgeerklärungen gaben sie nicht ab.
Gegen den Antrag des Antragstellers, das Sorgerecht beiden Eltern zu übertragen, hat die Antragsgegnerin eingewandt, der Antragsteller habe sich von Anfang an an dem Kind wenig interessiert gezeigt. Umgang habe er auf eine fordernde und bedrohliche Art und mit gerichtlicher Hilfe verlangt und nehme ihn nun zumeist bei seinen Eltern wahr. Bei den Umgängen habe er nicht ausreichend Rücksicht auf die Bedürfnisse und Belange des kleinen Kindes genommen. Bei ihr gehe es dem Kind gut, während der Antragsteller in seiner zu kleinen Wohnung keine ausreichende Ausstattung zur Betreuung des Kindes vorhalte. Der Antragsteller wolle an Entscheidungen nicht teilhaben, sondern er wolle die Antragstellerin dominieren, ohne Kompromissbereitschaft zu zeigen. Bei Teilhabe am Sorgerecht werde er noch weniger Einsicht und Entgegenkommen zeigen.
Das AG hat den Antragsteller und die Antragsgegnerin und eine Mitarbeiterin des Jugendamtes persönlich angehört (Protokoll vom 5.8.2015) und dem Antrag mit dem angefochtenen Beschluss stattgegeben. Die Antragsgegnerin habe keine Gründe dargelegt, die bei Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge Nachteile für das Kindeswohl befürchten ließen. Die Eltern müssten ihre Verständigung miteinander verbessern. Aber der Antragsteller habe in der Frage des Umgangs Entgegenkommen gezeigt.
Mit ihrer Beschwerde hält die Antragsgegnerin dem angefochtenen Beschluss entgegen, die seit der Geburt des Kindes bestehenden Streitigkeiten mit dem Antragsteller seien nicht ausreichend beachtet worden. Fehlende Kommunikation, Druck und die fordernde Haltung des Antragstellers führten zu einer Kindeswohlgefährdung, wenn das gemeinsame Sorgerecht begründet würde. Wie bereits im Umgangsverfahren, setze der Antragsteller auch hier eher auf eine gerichtliche Entscheidung statt auf eine Einigung. Indem die angefochtene Entscheidung von den Eltern erwarte, sie sollten ihr Kommunikationsverhalten verbessern, zeige sie, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Sorge derzeit nicht gegeben seien. Der Antragsteller müsse zunächst lernen, seine Interessen zurückzustellen.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss. Während er sich um gemeinsame Gespräche unter Beteiligung einer Erziehungsberatungsstelle bemühe, breche die Antragsgegnerin Gespräche ab, sobald ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Antragsteller und gegenüber dem Umgang und der Umgangsgestaltung angesprochen werde.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze verwiesen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die elterliche Sorge ist dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gemeinsam zu übertragen, weil dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a II BGB).
1. Die Tatbestandsformulierung, eine Sorgeübertragung anzuordnen, wenn dies dem Kindeswohl "nicht widerspricht" (§§ 1626a II 1, 1680 II BGB), ist durch das Gesetz vom 16.4.2013 (BGBl. I S. 795) neu eingeführt worden.
a) Der materiellrechtliche Maßstab der sich aus der Auflösung der doppelten Verneinung ergibt - nicht widerspricht heißt entspricht -, ist der gleiche, wie in den zuvor geltenden Fassungen der §§ 1672 I 2, 1680 II 2 BGB, die verlangten, die Entscheidung solle dem Kindeswohl dienen. Dennoch sind mit der Neufassung grundlegende Rechtsänderungen bewirkt worden. Mit der klassischen Methode der doppelten Verneinung gibt das materielle Recht die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die so genannte negative Kindeswohlprüfung vor: Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es nicht (Staudinger-Coester, BGB, Neubearb. 2015, § 1626a Rdnr. 78; NK-BGB-Kemper, 8. Aufl. 2014, § 1626a Rdnr. 5; Zöller-Lorenz, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 155a FamFG Rdnr. 1; BeckOK-BGB-Veit, Stand: Mai 2015, § 1626a Rdnr. 24). Wenn keine Gegengründe festgestellt werden können, ist die gemeinsame Sorge anzuordnen (§ 1626a II 1 BGB), also die Teilhabe auch des nichtehelichen Vaters an der elterlichen Sorge. Damit ist eine widerlegliche Vermutung eingeführt, also ein gesetzliches Leitbild, das zur Geltung zu bringen ist, wenn Einwände ausbleiben oder nicht überzeugen: Gibt einer der Elternteile durch seinen einseitigen Antrag zu erkennen, dass er die gemeinsame Sorge vorziehe, so spricht die Vermutung für deren Kindeswohldienlichkeit (Erma...