Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehörsverletzung durch formelhaft begründete Nichtabhilfe
Leitsatz (amtlich)
Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann durch eine Nichtabhilfeentscheidung eklatant verletzt werden, die formelhaft auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verweist. Dieser Verweis ist unzureichend, wenn er vollständig übergeht, dass der Beschwerdeführer mit der Beschwerde den Vortrag nachgereicht hat, dessen Fehlen die angefochtene Entscheidung beanstandet und als tragende, nämlich einzige Begründung genannt hat.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; VerfBbg Art. 52 Abs. 3; ZPO § 572 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 21/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 18. Juli 2018 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe.
I. Im Verfahren zur Überprüfung der dem Antragsteller bewilligten Verfahrenskostenhilfe hat er zwei Aufforderungen, über eine etwaige Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen (Bl. 27 - 29), unbeantwortet gelassen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufgehoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe "keine Erklärung abgegeben, ob sich die für die Bewilligung ... maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zwischenzeitlich geändert haben" (Bl. 32).
Nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 12. April 2018 (Bl. 32) hat der Antragsteller am 16. Juli 2018 ein ausgefülltes Erklärungsformular über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Belege vorgelegt (Bl. 36 ff.).
Das Amtsgericht hat dies als Beschwerde verstanden, und es hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Gründe jenes Beschlusses lauten: "Der Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Auf die weiterhin zutreffende Begründung wird Bezug genommen" (Bl. 50).
II. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Nichtabhilfe und zur Zurückverweisung der Sache, weil das Amtsgericht im Abhilfeverfahren den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
Das Amtsgericht hat das Recht des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG, 52 III VerfBbg) eklatant verletzt, indem es bei der Entscheidung über die Abhilfe formelhaft auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen hat, nachdem der Antragsteller eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.
1. Art. 103 I GG, 52 III VerfBbg verbürgen den Anspruch des Verfahrensbeteiligten, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es zwingt nicht dazu, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen oder es ausdrücklich zu bescheiden oder gar einer von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (st. Rspr., vgl. BVerfGE 86, 133, 145 f.; 87, 1, 33; 87, 363, 392 f.). Geht das Gericht indes auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr., vgl. BVerfGE 86, 133, 146; BVerfGK 10, 41, 46, 15, 116, 118). Art. 103 I GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerfGK 15, 116, 118). Diese Grenzen der Evidenz eines Gehörsverstoßes hat das Amtsgericht überschritten:
Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss darauf gestützt, der Antragsteller habe eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben. Obwohl der Antragsteller sodann ein ausgefülltes Erklärungsformular und Belege eingereicht hat, verweist das Amtsgericht zur Begründung der Nichtabhilfe auf "die weiterhin zutreffende Begründung" (Bl. 50). Dieser Verweis ist unzureichend, da er sich zum einen auf eine eher formelhaften Behauptung beschränkt und vollständig übergeht, dass der Antragsteller nun die Erklärung eingereicht hat, deren Fehlen das Amtsgericht beanstandet und als tragende, nämlich einzige Begründung des angefochtenen Beschlusses genannt hat. Das Amtsgericht hat mit der Nichtabhilfe nicht dargelegt, weshalb es die vorgelegte Erklärung und die Belege für unzureichend halte. Ob die Nachweise ausreichen, um über eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ausreichend Auskunft zu geben, hätte der Erörterung bedurft.
2. Die Entscheidung, der Beschwerde nicht abzuhelfen...