Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsverfahren: Prüfungsmaßstäbe für Erfolgsaussicht in Verfahren zur Konstituierung und zur Abänderung gerichtlicher und außergerichtlicher Umgangsregelungen
Leitsatz (amtlich)
1. § 1696 Abs. 1 BGB ist auf außergerichtliche Umgangsvereinbarungen nicht analog anwendbar
2. Im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren hat die Erfolgsprüfung (§ 114 Abs. 1 ZPO) für die Änderung einer gerichtlichen Umgangsregelung nach § 1696 Abs. 1 BGB das Vorliegen triftiger Gründe zu umfassen, denn diese Bestimmung sichert Sorge- wie Umgangsregelungen, wenn auch mit möglicherweise unterschiedlichen Änderungsschwellen, vor Durchbrechungen ohne Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. Staudinger/Coester (2019) BGB § 1696, Rn. 113 m.w.N.). Dementsprechend müssen für eine Erfolgsaussicht im amtswegig zu führenden Verfahren das Vorbringen des Antragstellers oder die Sachlage bei Entscheidungsreife des Gesuchs (vgl. § 118 Abs. 1 ZPO) in Ansehung triftiger Gründe greifbare Anhaltspunkte für mögliche dahingehende Ermittlungsergebnisse (§ 26 FamFG) bieten, wobei das Gericht auch eine in Grenzen statthafte antizipierte Beweiswürdigung vornehmen kann (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 492 m.w.N.).
3. Demgegenüber kommt es für die Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 ZPO) in amtswegigen Umgangsverfahren jedenfalls bei kindesschutzrechtlichem Einschlag nicht darauf an, ob der Vortrag des Beteiligten genügt, eine von ihm erwünschte Regelung herbeizuführen, sondern ob der Verfahrensgegenstand Anlass zur Überprüfung eines Umgangsregelungsbedürfnisses gibt und zu erwarten ist, dass der Beteiligte zu seinen Gunsten wirkende Umstände geltend machen kann (vgl. Senat Beschluss vom 20. Mai 2020 - 13 WF 88/20 -, juris; Senat FamRZ 2019, 1632, jew. m.w.N.). Dies wird sich bei erheblichem Aufklärungsbedarf und der Notwendigkeit zu einer jedenfalls erstmaligen Anhörung der Beteiligten aufdrängen, wobei in den Fällen der Ersttitulierung für eine auch im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahrens in Grenzen statthafte antizipierte Beweiswürdigung regelmäßig allenfalls geringer Spielraum bleibt.
Verfahrensgang
AG Eisenhüttenstadt (Aktenzeichen 3 F 8/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird dieser unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 23.04.2020 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 29.05.2020 Verfahrenskostenhilfe für das Umgangsverfahren vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt - 3 F 8/20 - bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt ..., Görlitz, zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk Eisenhüttenstadt ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe
1. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren betreffend ihre Tochter.
Im Anschluss an eine 2017 beschlossene kindesschutzrechtliche Sorgerechtsentziehung mit Fremdunterbringung übt die Antragstellerin gemäß einer Absprache zwischen ihr, der Ergänzungspflegerin, des Jugendamtes und eines Umgangsbegleiters mit ihrer Tochter einen begleiteten Umgang aus, dessen Ausweitung sie nunmehr erstrebt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht nach Bejahung der Hilfsbedürftigkeit die Erfolgsaussichten der Antragstellerin verneint, da triftige Gründe für eine Änderung der Umgangsabsprache nach § 1696 Abs. 1 BGB nicht vorgebracht seien, der, so das Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluss, auf tatsächlich praktizierte Umgänge jedenfalls analog anzuwenden sei.
2. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Das Amtsgericht hat seinen Ablehnungsbeschluss unzutreffend mit einer Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB begründet. Es fehlt bereits ein gerichtlich konstituierter Umgangstitel. Der Terminsvermerk des OLG Dresden vom 26.10.2017 in der Sorgerechtssache enthält insoweit lediglich die Erklärung des Jugendamtes, wonach ein begleiteter Umgang vorstellbar wäre (vgl. 11r).
Eine analoge Anwendbarkeit dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht. Zum einen dürfte eine planwidrige Regelungslücke fernliegen, da der Gesetzgeber einen gerichtlich gebilligten Vergleich einer gerichtlichen Erstentscheidung gleichgestellt hat, was den Umkehrschluss nahelegt, dass Umgangsvereinbarungen, die diesen Voraussetzungen nicht genügen, nicht als "Erstentscheidungen" iSv § 1696 Abs. 1 BGB fungieren können (vgl. Staudinger/Coester (2019) BGB § 1696, Rn. 36); zudem hat der Gesetzgeber mit den Regeln zur einstweiligen Anordnung und der Geltung des § 54 FamFG eine deutlich ähnlichere Interessenlage mit erheblich mehr Vergleichsbarkeitspunkten explizit in Sinne einer Unanwendbarkeit des § 1696 BGB geregelt (vgl. BT-Drs.-16/6308 S. 242); weiterhin ließe sich eine rechtlich derart problematische analoge Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB im Bewilligungsverfahren nicht zulasten der Antragstellerin unterstellen.
Überdies und vor allen stehen hier Anordnung und Fortgeltung einer Umgangsbegleitung als Kindesschutzmaßnahme inmitten. Selbst bei einer, nach vorste...