Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 FamFG für ein Amtsverfahren (hier: Umgangsverfahren) ist der Maßstab für die hinreichende Erfolgsaussicht großzügiger als im Zivilprozess.
2. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht in diesen Verfahren regelmäßig bereits dann, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen.
3. In Verfahren, die darauf abzielen, eine bestehende Umgangsregelung nach § 166 FamFG i.V.m. § 1696 BGB abzuändern, hat die Erfolgsprüfung auch das Vorliegen triftiger Gründe für eine Abänderung zu umfassen (im konkreten Fall bejaht).
Verfahrensgang
AG Ettlingen (Aktenzeichen 2 F 102/20) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Ettlingen vom 29.04.2020, Az. 2 F 102/20, aufgehoben.
Das Verfahren wird zur weiteren Prüfung und Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin an das Amtsgericht - Familiengericht - Ettlingen zurückverwiesen.
2. Eine Gerichtsgebühr wird nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein umgangsrechtliches Abänderungsverfahren (§ 1696 BGB).
Die Beteiligten sind die Eltern der am ... geborenen M. Sie leben seit Juli 2017 getrennt, die Scheidung erfolgte im Februar 2019. M. lebt bei ihrer Mutter.
Im Verfahren 2 F 67/19 des Amtsgerichts - Familiengericht - Ettlingen haben die Beteiligten den Umgang des Kindesvaters mit M. durch eine Umgangsvereinbarung vom 03.09.2019 geregelt, die teilweise auf eine zuvor am 18.04.2019 geschlossene Zwischenvereinbarung Bezug nahm. Die Umgangsregelung wurde gerichtlich gebilligt.
Mit Schriftsatz vom 08.04.2020 hat die Antragstellerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ihr Begehren, den Umgang gemäß der getroffenen Umgangsvereinbarung auszusetzen, beantragt. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, der Umgang sei auszusetzen, da er M. Wohl gefährde. Nach vorliegenden Erkenntnissen habe der Antragsgegner M. am 07.03. oder 08.03.2020 zumindest einmal in ihrer körperlichen Integrität verletzt, indem er sie ohne Grund gegen einen Schrank geschleudert habe, so dass das Kind eine Gehirnerschütterung und diverse Prellungen erlitten habe. Das Kind habe stationär versorgt werden müssen. Dieses Ergebnis zeige sich aufgrund einer vorläufigen psychologischen Exploration durch eine Fachärztin. Darauf angesprochen habe der Vater mit aggressivem Verhalten und Beschimpfungen reagiert derart, dass es am 07.04.2020 durch die Polizei zu einem Platzverweis gekommen sei. Inzwischen sei eine Gewaltschutzanordnung beantragt worden. Aufgrund der Vorfälle sei das Kind stark belastet und völlig verängstigt. M. verweigere sogar den telefonischen Kontakt mit dem Antragsgegner. Nachts wolle M. bei der Mutter schlafen, weil sie sich sonst fürchte. Der Sachverhalt wegen der Verletzung des Kindes müsse aufgeklärt, dem Kind müsse Zeit gegeben werden, sich zu erholen. Auch die Kommunikation zwischen den Eltern müsse wieder auf ein sachbezogenes Maß zurückgeführt werden.
Zum Beleg ihres Antrags hat die Antragstellerin ein Schreiben einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vom 12.02.2020 und einen Entlassbrief der Kinderchirurgischen Klinik K. vom 09.03.2020 vorgelegt.
Der Antragsgegner ist dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entgegengetreten. Dass der Antragsgegner M. körperlich angegriffen und sie verletzt haben soll, werde bestritten. Es stelle sich die Frage, wie ein Bericht vom 12.02.2020 einen Vortrag stützen solle, welcher sich auf ein Ereignis vom 07./08.03.2020 beziehe, zum anderen ergebe sich aus dem stationären Entlassbrief in keiner Weise eine sich mit dem Vortrag deckende Anamnese. Es sei auch nicht richtig, dass der Antragsgegner nicht mit Aufklärung und Kooperation, sondern mit aggressivem Verhalten und Beschimpfungen reagiert habe. Soweit das Kind belastet sei, beruhe dies einzig und allein auf dem Umstand, dass M. von ihrer eigenen Mutter unter Druck gesetzt werde, falsche Aussagen zu tätigen. Ihr werde offensichtlich eingeredet, dass ihr eigener Vater sie geschlagen haben soll und sie dies auch dritten Personen mitteilen soll. M. leide nicht an Gewalt durch den Vater, sondern daran, dass ihre eigene Mutter alles tue, um den Kontakt zwischen Vater und Mutter zu unterbinden.
Mit angefochtenem Beschluss vom 29.04.2020 hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Hierzu hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass mit der Durchführung von unbegleiteten Umgangskontakten zwischen dem Vater und dem Kind eine konkrete gegenwärtige Gefahr für das Wohl des Kindes M. verbunden sei. Aus dem Entlassbrief des Krankenhauses gehe hervor, dass M. ...