Tenor
Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bernau bei Berlin vom 28. April 2020 (6 F 113/20) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Vaters ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG). In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht der Mutter (Antragstellerin) die Entscheidungsbefugnis über die Prozessführung der gemeinsamen Kinder L... und A... K... wegen Feststellung der Pflegebedürftigkeit in Verbindung mit der Pflegegradeinstufung übertragen.
§ 1628 BGB ermöglicht es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Die Vorschrift dient dazu, in einzelnen, von der gemeinsamen Entscheidungsbefugnis umfassten Angelegenheiten eine vom Kindeswohl geforderte Entscheidung auch dann zu ermöglichen, wenn den Eltern entgegen § 1627 BGB eine Einigung nicht gelingt (Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB, Neubearbeitung 2015, § 1628 Rn. 11 ff.). Dazu zählt auch die Geltendmachung von sozialrechtlichen Ansprüchen, wie Pflegegeld (Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl., § 1628 Rn. 7).
Die Voraussetzungen einer Entscheidungsübertragung nach § 1628 BGB liegen vor, da die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern über die bedeutsame Frage der Geltendmachung von Pflegegeld (§ 37 SGB XI) für die betroffenen Kinder uneins sind.
Nach Darstellung der Mutter leiden beide Kinder unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, u.a. in der Alltagskompetenz und Entwicklungsverzögerungen. Der Vater stellt das in Abrede und lehnt die Beantragung eines Pflegegrades ab (siehe E-Mail vom 25. Februar 2020). Er hält die Mutter für psychisch krank. Sie leide an dem sog. Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom und mache die Kinder "krank". Entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift hat die Mutter dem Vater keine Informationen vorenthalten. Der Vater war über die Beantragung eines Pflegegrades für die Kinder informiert (siehe E-Mail vom 25. Februar 2020). Wie dem vorliegenden E-Mail-Verkehr entnommen werden kann, streiten die Eltern heftig über die Pflegebedürftigkeit ihrer Kinder sowie die Notwendigkeit von Hilfeleistungen und Therapien. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Darlegungen der Mutter unrichtig sind, gibt es nicht. Nach Angaben des Jugendamtes benötigen die betroffenen Kinder wie auch der weitere Sohn der Beteiligten V..., der eine Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besucht, einen erhöhten Betreuungsbedarf. Für die Mutter sei der Alltag mit drei verhaltensbesonderen Kindern eine Herausforderung. Laut Schreiben des Bundesweiten Pflegenetzwerkes (BWPN) vom 11. Februar 2020 sind bei den Kindern L... und A... Entwicklungsstörungen der Sprache und Motorik und Verhaltensauffälligkeiten festgestellt worden.
Bei der Geltendmachung von Pflegegeld für ein pflegebedürftiges Kind gemäß § 37 SGB XI handelt es sich um eine Angelegenheit der elterlichen Sorge von erheblicher Bedeutung, hinsichtlich derer ein gemeinsam sorgeberechtigter Elternteil gemäß §1628 BGB die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis verlangen kann. Ebenso wie für den Fall der Beantragung anteiligen Sozialgeldes für die Durchführung von Umgangskontakten mit dem Kind (OLG Hamm, FamRZ 2011, 821) und allgemein für die Vertretung des Kindes im sozialgerichtlichen Verfahren betreffend Ansprüche nach dem SGB II (BSG, FamRZ 2009, 2000) gibt auch hier den Ausschlag, dass es um die Realisierung sozialrechtlicher Ansprüche geht, die für das Kind von tragender Bedeutung sind, soll doch das gemäß §37 SGB XI gewährte Pflegegeld den Pflegebedürftigen in die Lage setzen, seine häusliche Pflege durch Angehörige und andere Pflegepersonen sicherzustellen (BT-Drucks. 12/5262, S. 112), was die Entwicklung des Kindes und seine Möglichkeiten, ein würdiges und möglichst selbstbestimmtes Leben im Kreis der Familie und ggf. anderer vertrauter Personen zu führen, maßgeblich bestimmt (OLG Düsseldorf, FamRZ 2018, 928).
Die Durchführung des sozialgerichtlichen Verfahrens durch die Antragstellerin entspricht auch dem Kindeswohl am besten, was maßgebliches Kriterium für die Entscheidung nach § 1628 BGB ist (Palandt/Götz, a.a.O., § 1628 Rn. 8). Die Kinder L... und A... (wie auch ihr Bruder V...) leben bei der Mutter, die sich im Wesentlichen um ihre Belange kümmert und über die größere Sachnähe verfügt. Der Antragsgegner leugnet die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seiner Kinder bzw. macht die Antragstellerin dafür verantwortlich, obwohl es dafür keine belastbaren Anhaltspunkte gibt. Ihm fehlt es am nötigen Problem- und auch Verantwortungsbewusstsein. Nach Aktenlage ist es die Mutter, die den Vater ständig an seine Elternpflichten erinnern muss, z.B. Zustimmu...