Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung einer Umgangsregelung während des anhängigen Beschwerdeverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Der Sinn und Zweck der Klausel als Vollstreckungsvoraussetzung erforderte eine darauf bezogene Auslegung des § 86 III FamFG.

Eine Klausel ist erforderlich, wenn das Familiengericht eine von ihm selbst erlassene Entscheidung vollstreckt, ihm die Akten bei Vollstreckungsbeginn aber wegen eines anhängigen Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht vorliegen.

 

Normenkette

FamFG § 86 Abs. 3; ZPO §§ 724, 750 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Aktenzeichen 52 F 175/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 4. Oktober 2018 abgeändert:

Der Antrag wird abgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im übrigen trägt der Gläubiger die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

Der Gläubiger betreibt die Vollstreckung aus einem Beschluß des Amtsgerichts, mit dem der Umgang mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten geregelt worden ist.

Der zu vollstreckende Beschluß ist mit der Beschwerde angefochten worden. Die Verfahrensakten sind dem Beschwerdegericht übersandt worden. Das Beschwerdegericht hat die Umgangsregelung im angefochtenen Beschluß durch einstweilige Anordnung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens in Einzelheiten abgeändert. Das Beschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Das Amtsgericht hat mit dem hier angefochtenen Beschluß Ordnungsmittel festgesetzt. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Beschwerde.

Die Beschwerde ist begründet, der Vollstreckungsantrag unzulässig.

Es fehlt eine allgemeine Voraussetzung der Vollstreckung, nämlich die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§§ 95 I FamFG, 750 I, 724 ZPO). Der Beginn der Vollstreckung ist derzeit davon abhängig, daß der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des zu vollstreckenden Beschlusses vorlegt. § 86 III FamFG stellt von diesem Erfordernis entgegen seinem Wortlaut auf dem derzeitigen Stand des Verfahrens nicht frei.

Der Sinn und Zweck der Klausel als Vollstreckungsvoraussetzung erforderte eine darauf bezogene Auslegung des § 86 III FamFG.

Nach dem Wortlaut des § 86 III FamFG bedürfte es hier einer Klausel nicht, weil das Amtsgericht einen von ihm selbst erlassenen - wenn auch in Einzelheiten abgeänderten - Beschluss vollstreckt. Unabhängig vom Umfang der Abänderung durch das Beschwerdegericht ist das Amtsgericht das zur Vollstreckung der Umgangsregelung ausschließlich zuständige Gericht des ersten Rechtszuges (§§ 95 I FamFG, 887 I, 888 I 1, 890 I 1, 802 ZPO).

Die Klausel schützt den Schuldner, indem vor Beginn der Vollstreckung der Bestand und die verfahrensrechtliche Vollstreckbarkeit des Titels von demjenigen Urkundsbeamten (§§ 95 I FamFG, 795 S. 1, 724 II ZPO) bescheinigt wird, der zu dieser Prüfung in der Lage ist, dem also die Urschrift des Titels und die Akten vorliegen, denen der Stand des Verfahrens zu entnehmen ist. Dadurch wird das Vollstreckungsorgan entlastet, das nichts entscheiden soll, was es ohne die Akten allein anhand der ihm vorgelegten Ausfertigungen nicht prüfen kann (Senat, FamRZ 2016, 1960; Schuschke/Walker, Vollstreckung, 5. Aufl. 2011, vor § 724 Rdnr. 1; Zöller-Stöber, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 724 Rdnr. 1; MüKo-ZPO-Wolfsteiner, 5. Aufl. 2016, § 724 Rdnr. 2).

Diesen Zweck der Klauselvorlegung vor Beginn der Vollstreckung will § 86 III FamFG nicht aufheben oder abändern. Sein Wortlaut erlaubt vielmehr ein zweckgemäßes Verständnis für den Regelfall der Vollstreckung des vom Familiengericht erlassenen Titels durch das Familiengericht selbst. Der Vollstreckungsgläubiger wird dann von der Klauselvorlegung freigestellt, weil er sich mit seinem Antrag an das Gericht der Hauptsache wendet, das den Bestand und die Wirksamkeit des Titels anhand der bei ihm geführten oder verwahrten Akten prüfen kann (Senat, FamRZ 2016, 1960). Der Wortlaut verlangt zweckgemäß eine Klausel, wenn ein anderes Familiengericht für die Vollstreckung örtlich zuständig ist (§ 88 I FamFG). Zweckgemäß reicht die Freistellung aber auch bei unveränderter örtlicher Zuständigkeit einerseits weiter und andererseits weniger weit, als ein zu eng verstandener Wortlaut nahelegt.

Ein vollstreckbare Ausfertigung muß nicht erteilt werden, wenn das Familiengericht als ausschließlich zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges (§§ 95 I FamFG, 887 I, 888 I 1, 890 I 1, 802 ZPO) nach Abschluß des Beschwerdeverfahrens und nach Rücksendung der Akten eine vom Beschwerdegericht erlassene Entscheidung vollstreckt. Obwohl das Familiengericht nicht einen selbst erlassenen, sondern einen Beschluß des Beschwerdegerichts vollstreckt, kann es Bestand und die Wirksamkeit des Titels nur selbst prüfen, weil es die Akten verwahrt.

Eine Klausel ist danach erforderlich, wenn - wie im hier zu beurteilenden Fall - das Familiengericht eine von ihm selbst erlassene Entscheidung vollstreckt, ihm die Akten bei Vollstreckungsbeginn aber nicht vorliegen. Es bedarf der Klauselerteilung durch den Urkundsbeamte...

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