Leitsatz (amtlich)
Die in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärte Frage, ob beim Unterhalt für ein sog. privilegiertes volljähriges Kind auf Seiten desjenigen Elternteils, der auch für ein minderjähriges Kind Barunterhalt zu leisten hat, insoweit der sich für dieses minderjährige Kind ergebende Tabellenbetrag vorweg abzuziehen ist, darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der bedürftigen Partei beantwortet werden.
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 10.11.2003; Aktenzeichen 5.3 F 611/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Klägers ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.
Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine nicht vollständig ausgefüllte Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9.9.2003 vor, bei der es insb. an Angaben und Belegen zu der Frage, in welchem Umfang der Kläger selbst auf die geltend gemachten Wohnkosten Zahlungen leistet, wie auch an Belegen zu den tatsächlichen Zahlungen im Hinblick auf die geltend gemachten sonstigen Zahlungsverpflichtungen fehlt. Das AG wird hierzu die nötigen Feststellungen treffen und auf dieser Grundlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.
Der Kläger begehrt Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 21.5.1996 dahin, dass er der Beklagten für die Monate April bis Juni 2003 nur noch monatlichen Unterhalt von 109 EUR und ab Juli 2003 von monatlich 115 EUR zu zahlen hat. Das AG hat dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er für die Zeit bis 30.6.2003 Herabsetzung des titulierten Unterhalts auf 168 EUR und ab Juli 2003 auf 181 EUR monatlich begehrt. Den darüber hinausgehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist aber davon auszugehen, dass hinreichende Aussicht dafür besteht, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren in vollem Umfang durchdringen kann.
Die Beklagte ist am 12.3.2003 volljährig geworden. Ungeachtet des Umstands, dass sie im Hinblick auf den Besuch des Gymnasiums zu den sog. privilegierten Volljährigen i.S.v. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört, sind ihr gegenüber vom Eintritt der Volljährigkeit an beide Elternteile barunterhaltspflichtig (BGH v. 9.1.2002 - XII ZR 34/00, BGHReport 2002, 498 m. Anm. Hauß = MDR 2002, 826 = FamRZ 2002, 815 [817]; OLG Brandenburg v. 23.10.2001 - 10 WF 145/01, MDR 2002, 844 = FamRZ 2003, 48 [49]). In der Klageschrift hat der Kläger die auf ihn und die Mutter des Beklagten entfallenden Haftungsquoten in der Weise berechnet, dass er vom jeweiligen bereinigten Einkommen den notwendigen Selbstbehalt von 775 EUR, von seinem bereinigten Einkommen aber zusätzlich noch den Tabellenunterhalt für sein minderjähriges, der 3. Altersstufe angehörendes Kind A. abgesetzt hat. Das AG ist der Berechnung des Klägers insoweit nicht gefolgt, als es bei der Ermittlung der Haftungsanteile beider Elternteile den Vorwegabzug des Tabellenbetrages für A. als nicht gerechtfertigt angesehen hat. Im Prozesskostenhilfeverfahren aber hätte das AG zugunsten des Klägers dessen Berechnungsweise folgen müssen.
Sind beide Eltern barunterhaltspflichtig, haften sie gem. § 1606 Abs. 3 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Dabei kommt für die Bemessung des Anteils nur das Einkommen in Betracht, das für den Unterhalt zur Verfügung steht. Daher ist vom bereinigten Nettoeinkommen zunächst der jedem Elternteil zustehende Selbstbehalt abzuziehen und der verbleibende Rest ins Verhältnis zu setzen (BGH v. 6.11.1985 - IVb ZR 45/84, MDR 1986, 301 = FamRZ 1986, 151 [152]; v. 6.11.1985 - IVb ZR 69/84, MDR 1986, 300 = FamRZ 1986, 153 [154]; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 121). Ob auf Seiten desjenigen Elternteils, der auch für ein minderjähriges Kind Barunterhalt zu leisten hat, insoweit der sich für dieses minderjährige Kind ergebende Tabellenbetrag vorweg abzusetzen ist, ist streitig. Gegen den Vorwegabzug spricht, worauf das AG hingewiesen hat, dass die Unterhaltsansprüche minderjähriger und privile...