Leitsatz (amtlich)
Das Tatbestandsmerkmal der Gefahr (§ 1666 I BGB) erfüllt die im Verhältnis des Kindes und der Eltern zum Staat wesentliche Funktion, den hoheitlichen Zwang so weit wie möglich zugunsten der Abhilfe durch die Eltern zurückzudrängen. Den Eltern steht gegenüber dem Staat ein in ihrem Freiheitsrecht begründeter Gefahrenabwendungsprimat zu. Der Tatbestand des § 1666 I BGB verdeutlicht diesen Nachrang staatlichen Eingreifens, indem der Gefahrbegriff präzisiert wird durch das Erfordernis der mangelnden Elternabhilfe.
Eine Gefahr besteht demnach nicht, wenn eine Schädigung zwar zu erwarten ist, aber durch Maßnahmen der Eltern abgewendet oder behoben werden kann. Hoheitliches Eingreifen ist unzulässig.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Schwedt (Aktenzeichen 4 F 362/13) |
Tenor
I. Der Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin ... beigeordnet.
II. Dem Beteiligten zu 4 wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt ... beigeordnet.
III. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Schwedt/Oder vom 24.1.2014 abgeändert:
Der Erlass einer kindesschutzrechtlichen Maßnahme wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Das Verfahren betrifft die Vermögenssorge für die Beteiligten zu 1 und zu 2, denen eine Erbschaft angefallen ist.
I. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind die minderjährigen Kinder der getrennt voneinander lebenden Beschwerdeführerin und des Beteiligten zu 4. Die Personensorge wurde den Eltern entzogen. Die Vermögenssorge übten sie gemeinsam aus.
Im Juli 2013 verstarb Herr P. S.
Am 23.9.2013 begaben sich die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihre Schwester zu einem AG (Bl. 20). Die Mutter erklärte, sie habe vom Anfall der Erbschaft nach Herrn S. an sie durch eine Mitteilung des Nachlassgerichts erfahren. Sie erklärte die Ausschlagung der Erbschaft aus jedem Berufungsgrunde. Die Beschwerdeführerin und ihre Schwester erklärten, die Erbschaft sei ihnen durch die Ausschlagung ihrer Mutter angefallen. Sie erklärten jeweils die Ausschlagung der Erbschaft aus jedem Berufungsgrunde. Die Beschwerdeführerin erklärte, durch ihre Ausschlagung sei die Erbschaft ihren Kindern angefallen. Sie erklärte für ein weiteres, an diesem Verfahren nicht beteiligtes Kind die Ausschlagung und setzte hinzu, für die Beteiligten zu 1 und zu 2 sei sie nicht Inhaberin der elterlichen Sorge. Vormund sei das Jugendamt.
Das Nachlassgericht wandte sich an das Jugendamt, damit dieses wegen der vermutlichen Überschuldung des Nachlasses die Ausschlagung für die Beteiligten zu 1 und zu 2 erkläre
(Bl. 11).
Das Jugendamt sandte einen Brief an die Beschwerdeführerin ab, um darauf hinzuweisen, die Eltern selbst müssten kraft der ihnen zustehenden Vermögenssorge die Ausschlagung erklären (Bl. 14).
Das Jugendamt hat beantragt, ihm auch die Vermögenssorge für die Beteiligten zu 1 und zu 2 zu übertragen, weil die Beschwerdeführerin die Ausschlagung nicht erklärt habe.
Nach dem Absenden des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes des Jugendamtes an die Beschwerdeführerin und den Beteiligten zu 4 (Bl. 14R) erklärte dieser die Ausschlagung für die Kinder (Bl. 22).
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 23 ff.) der Beschwerdeführerin die Vermögenssorge entzogen. Sie habe ihre Verpflichtung zur Vermögenssorge grob verletzt, indem sie die Erbschaft für die Kinder nicht ausgeschlagen habe, und damit das Vermögen der Kinder gefährdet.
Mit ihrer Beschwerde wendet die Beschwerdeführerin ein, sie halte die Ausschlagung der Erbschaft für richtig. Die Erbschaft sei, wie sie von ihrer Mutter wisse, überschuldet. Sie habe die Ausschlagung für die Beteiligten zu 1 und zu 2 - anders als für ihr weiteres Kind - nur deshalb nicht erklärt, weil sie gemeint habe, ihr sei die gesamte elterliche Sorge entzogen worden. Sie habe nach ihrer eigenen Ausschlagungserklärung das Jugendamt aufgesucht und auf die Notwendigkeit der Ausschlagung hingewiesen. Danach habe sie weder vom Jugendamt noch vom AG Nachrichten erhalten, sondern sei von der Zustellung des angefochtenen Beschlusses überrascht worden.
Der Beteiligte zu 4 und das Jugendamt verteidigen den angefochtenen Beschluss.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Es ist nicht ersichtlich, welche weitere Aufklärung des Sachverhalts durch mündliche Anhörungen erreicht werden könnte.
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Eine kindesschutzrechtliche Maßnahme nach § 1666 BGB ist nicht gerechtfertigt, weil zu erwarten ist, dass die Beschwerdeführerin die Gefährdung des Kindesvermögens selbst abwenden wird.
a) Das Vermögen der Beteiligten zu 1 und zu 2 ist gefährdet.
aa) Ein Vermögensschaden steht bevor, wenn das Entstehen von Verbindlichkeiten zu erwarten ist, die nicht von in Austauschverhältnissen zugleich zufließenden Vermögenswerten ausgegl...