Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Ehezeit sich nur höchst unzureichend am Familienunterhalt beteiligt und fast keine eigene Altersvorsorge betrieben hat, rechtfertigt die Anwendung des § 27 VersAusglG nicht, wenn aufgrund der unterschiedlichen schulischen und beruflichen Entwicklung schon bei Eingehung der Ehe damit zu rechnen war bzw. die Ehe trotzdem fortgeführt wurde, zumal unterschiedlich hohe Beiträge zum Familienunterhalt in einer Ehe durchaus üblich sind.
2. Eine langjährige ehewidrige Beziehung rechtfertigt für sich betrachtet die Anwendung des § 27 VersAusglG nicht.
3. Haben die gemeinsamen Vorstellungen zur ehelichen Lebensführung zu einem bestimmten Zeitpunkt eine wesentliche Veränderung verfahren und verstößt ein Ehegatte gravierend gegen die insoweit getroffenen Absprachen, kann dies zum Teilausschluss des Versorgungsausgleich ab dieser Zeit führen.
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 28.05.2015; Aktenzeichen 38 F 354/13) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 28.5.2015 - Az. 38 F 354/13 - teilweise abgeändert und insoweit insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Bundesfinanzdirektion Mitte (Personalnummer...) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 55,13 EUR monatlich auf das vorhandene Konto... bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, bezogen auf den 30.4.2003, übertragen.
2. Der Ausgleich des Anrechts des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto...) findet nicht statt.
II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen die Beteiligten je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten über die Regelung des im Scheidungsverfahren nach § 2 VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleichs.
Die Beteiligten haben am 29.4.1998 die Ehe geschlossen, die kinderlos geblieben ist. Die Trennung erfolgte 2001. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist am 8.5.2003 zugestellt worden.
Mit Urteil vom 7.11.2006 - Az. 33 F 40/03 - hat das AG Oranienburg die Ehe der Beteiligten geschieden und mit Beschluss vom selben Tage den Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit weiterem Beschluss vom 11.3.2008 hat das AG Oranienburg entschieden, dass der Versorgungsausgleich gemäß § 1587c Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht stattfindet, weil sich der Antragsgegner in der Ehezeit nicht um ausreichende eigene Versorgungsanwartschaften bemüht und zudem nicht ausreichend zu der Aufklärung seines weit reichend und unter anderem nahezu die gesamte Ehezeit erfassenden offenen Versicherungsverlaufs mitgewirkt habe (Bl. 242 ff der Beiakte mit dem Az. 33 F 40/03). Im Beschwerdeverfahren hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 15.7.2008 - Az. 9 UF 37/08 - das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 VAÜG ausgesetzt (Bl. 313 ff. der Beiakte). Die von der Antragstellerin angeführten Gründe rechtfertigten nicht einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c BGB, der allein die Aussetzung nach § 2 VAÜG hindere. Die - sich mit Blick auf das wechselseitige Vorbringen der Beteiligten - eher aufdrängende Frage eines teil- bzw. zeitweisen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für die Zeit ab Juni 2001, spätestens ab der Trennung im September 2001 sei vorerst nicht zu entscheiden, weil in jedem Falle die Voraussetzungen für eine - deshalb vorzunehmende - Aussetzung nach § 2 VAÜG vorlägen.
Im Mai 2013 hat das AG das Versorgungsausgleichsverfahren von Amts wegen wieder aufgenommen und neue Auskünfte der Versorgungsträger für die gesamte Ehezeit und später gesondert den auf die Zeit vom 1.6.2001 bis zum Ende der Ehezeit am 30.4.2003 entfallenden Ehezeitanteil erfragt. Auf die Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1. vom 9.9.2013 (Bl. 19 ff. GA) und vom 12.11.2014 (Bl. 114 ff. GA) sowie der weiteren Beteiligten zu 2. vom 19.3.2014 (Bl. 30 ff. GA) und vom 18.2.2015 (Bl. 124 ff. GA) wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat unter Wiederholung und Vertiefung der bereits im ursprünglichen Scheidungsverbundverfahren zweitinstanzlich vorgetragenen Gründe den vollständigen, hilfsweise den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs für die Zeit seit dem 1.6.2001 begehrt. Der Antragsgegner ist diesem tatsächlichen Vorbringen erneut teilweise entgegen getreten und hat die uneingeschränkte Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach Maßgabe der §§ 9 ff. VersAusglG erstrebt.
Mit Beschluss vom 28.5.2015 (Bl. 153 ff GA) hat das AG den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass die Anrechte der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 1. im Wege interner Teilung zum Ausgleich gebracht wurden, während das bei der weiteren Beteiligten zu 2. bestehende Anrecht des Antragsgegner...