Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde in Familiensachen - Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdefrist wegen Mittellosigkeit nur bei rechtzeitigem Eingang eines prüfbaren Verfahrenskostenhilfegesuchs beim Familiengericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung einer Beschwerdefrist aufgrund von Mittellosigkeit kann nur gewährt werden, wenn der Beteiligte bei dem Gericht, das für die Entgegennahme der fristwahrenden Handlung zuständig ist, innerhalb der an sich einzuhaltenden Frist einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe stellt und alles in seinen Kräften Stehende unternimmt, damit hierüber ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 31. Ed. 1.12.2018, ZPO § 233 Rn. 48; BeckOK FamFG/Burschel FamFG § 17 Rn. 16, jew. m.w.N.).

2. Daher muss ein mittelloser Beteiligter sein Verfahrenskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Beschwerde (§§ 58 ff FamFG) gegen eine Entscheidung des Familiengerichts im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrung einer Widereinsetzungsmöglichkeit (§§ 17 ff FamFG) innerhalb der Beschwerdefrist (§ 63 FamFG) und prüfbar (§§ 76 FamFG, 117 ZPO) beim Familiengericht (§ 64 Abs. 1 S 2 FamFG) einreichen.

3. Die seit geraumer Zeit geltende Vorschrift des § 64 Abs. 1 S 2 FamFG ist bei einem im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt als bekannt vorauszusetzen, ebenso wie die übrigen Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung bei Mittellosigkeit (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 64 Rn. 5).

4. Das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigen muss sich ein Beteiligter im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 11 S. 5 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 156/18)

 

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 20.12.2018 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Antragsgegnerin erbittet Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren der einstweiligen Anordnung in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung.

Der Beschluss des Amtsgerichts ist ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 09.01.2019 zugestellt worden (104). Unter dem 21.01.2019 hat dieser einen Schriftsatz gleichen Datums mit einem Verfahrenskostenhilfegesuch ohne Anlagen für eine beabsichtigte Beschwerde an das Oberlandesgericht gerichtet, das diesen unter dem 22.01.2019 an das Amtsgericht Senftenberg verfügt hat (106), wo er am 24.01.2019 eingegangen ist (105).

2. Verfahrenskostenhilfe kann der Antragsgegnerin für ihre beabsichtigte Beschwerde nicht bewilligt werden.

Schon ihre Hilfsbedürftigkeit ist nicht beurteilbar, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1, 119 Abs. 1 S 1 ZPO, da dem Gesuch vom 21.01.2019 die darin in Bezug genommene Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt war.

Überdies besteht für die beabsichtigte Beschwerde keine Erfolgsaussicht. Sie wäre mangels Einhaltung der zweiwöchigen Beschwerdefrist unzulässig, § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.

Auch eine Wiedereinsetzung nach §§ 17 ff FamFG käme nicht in Betracht. Wiedereinsetzung kann nur gewährt werden, wenn der Beteiligte bei dem für die Entgegennahme der Frist wahrenden Handlung zuständigen Gericht innerhalb der an sich einzuhaltenden Frist einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe stellt und alles in seinen Kräften Stehende unternimmt, damit hierüber ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 31. Ed. 1.12.2018, ZPO § 233 Rn. 48; BeckOK FamFG/Burschel FamFG § 17 Rn. 16, jew. m.w.N.). An diesen erforderlichen fristwahrenden Handlungen fehlt es.

Zuständig für die Entgegennahme der Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde ist nach § 64 Abs. 1 S 2 FamFG das Amtsgericht. Dort ging das Gesuch indessen erst nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist ein.

Zudem war die Hilfsbedürftigkeit der Antragstellerin innerhalb dieser Frist aus den oben genannten Gründen nicht beurteilbar.

Die seit geraumer Zeit geltende Vorschrift des § 64 Abs. 1 S 2 FamFG ist bei einem im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt als bekannt vorauszusetzen, ebenso wie die übrigen Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung bei Mittellosigkeit (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 64 Rn. 5). Sein Verschulden muss sich die Antragsgegnerin nach §§ 11 S. 5 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13024316

NJW 2019, 1960

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