Leitsatz (amtlich)
1. Beantragen beide Elternteile widerstreitend die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes für ihr gemeinsames Kind auf sich, spricht dies in objektiver Hinsicht für fehlende Kommunikationsfähigkeit, weshalb die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge in diesem Punkt regelmäßig geboten ist.
2. Die Preisgabe des persönlichen elektronischen Chat-Verkehrs zwischen den Eltern kann auf mangelnde sorgerechtliche Kompetenzen hindeuten, weil der so vorgehende Elternteil es an der notwendigen Loyalität zu dem anderen Elternteil fehlen lässt.
Tenor
1.1. Der Antrag des Kindesvaters vom 14.06.2021 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde, gerichtet gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin ... wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bleibt bereits deshalb ohne Erfolg, weil der Kindesvater entgegen eigener Ankündigung (zeitnah) in der Beschwerdeschrift bislang keine Erklärung zur Verfahrenskostenhilfe, welche auch für die zweite Instanz gesondert einzureichen ist (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 117, 119 ZPO), eingereicht hat.
Rein vorsorglich sei noch darauf hingewiesen, dass auch die in 1. Instanz eingereichte Erklärung an sich nicht ausreichen würde, um ihm Verfahrenskostenhilfe bewilligen zu können. So ist darin zwar der Hinweis auf seine Tätigkeit als Azubi enthalten. Ob die weiter angegebenen Bruttoeinkünfte dem zuzuordnen sind, erschließt sich bereits deshalb nicht, weil ein Beleg dafür der Verfahrenskostenhilfeakte nicht beigefügt wurde. Belegt hat er allein seiner Halbwaisenrente sowie den Wohnraummietvertrag für die von ihm bewohnte Wohnung.
Weiter vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass ihm jedenfalls auch nicht die Kosten der Mietwohnung vollständig angerechnet werden können, da er dort mit seiner neuen Lebenspartnerin wohnt.
II. Letztendlich können die vorangestellten Erwägungen dahinstehen, da auch in der Sache selbst - jedenfalls nach derzeitigem Stand - keine Erfolgsaussicht besteht, §§ 76 Abs. 2 FamFG, 114, 119 Abs. 1 ZPO.
1. Nach § 1671 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung des Sorgerechts oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Eine das Kindeswohl wahrende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt neben einem Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge insbesondere eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den beiden Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354; BGH FamRZ 2008, 592), die eine Kommunikationsfähigkeit beider Eltern und damit zugleich auch eine objektive und subjektive Kooperationsbereitschaft erfordert (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 09.08.2019 - 9 UF 107/19).
Nach diesen Maßstäben ist es zwingend, dass die gemeinsame elterliche Sorge für den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufzuheben ist. Über die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen dazu ist zu beachten, dass beide Elternteile erstinstanzlich wechselseitig die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich begehrt haben. Damit bedarf es - da es insoweit schon aufgrund dieser Anträge an der Kommunikationsfähigkeit erkennbar in objektiver Hinsicht fehlt - zwingend einer Entscheidung hierüber, d.h. der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge in diesem Punkt.
2. Bei der prognostischen Beurteilung im Rahmen des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, welcher Elternteil für die Ausübung alleiniger elterlicher Sorge besser geeignet ist, sind die Gesichtspunkte der Erziehungseignung und Bindungstoleranz der Eltern, der Bindungen der Kinder, des Kontinuitätsgrundsatzes, des Förderungsprinzips und schließlich auch der Kindeswille von entscheidender Bedeutung, wobei die Gewichtung im konkreten Einzelfall dem Gericht überlassen ist (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits FamRZ 2003, 1953).
Unter Berücksichtigung dieser sorgerechtlichen Kriterien hat dann - wie es das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, weshalb auf die entsprechenden Gründe der angefochtenen Entscheidung vollumfänglich Bezug genommen wird - die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter zu erfolgen.
a. Dafür spricht bereits der Aspekt der räumlichen und sozialen Kontinuität, dem bei der Frage des Aufenthaltes des Kindes regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 12.05.2015 - 9 UF 20/14). Die betroffene Tochter lebt aber bereits seit ihrer Geburt im Umfeld Bernau bei Berlin, mag es hier auch bereits zu mehrfachen Umzügen gekommen sein. Auch der vom Kind bei seiner gerichtlichen Anhörung geäußerte Wille deutet darauf hin, dass das Kind selbst für sich den Lebensmittelpunkt bei der Mutter sieht.
b. Bei der Erziehungsgeeignetheit sind keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Kindeselter...