Leitsatz (amtlich)
1. Zustellungsdatum ist der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat; nicht erforderlich ist eine inhaltliche Kenntnisnahme oder die Rückleitung des Empfangsbekenntnisses.
2. Das Auseinanderfallen von Empfangs- und Versendungsdatum rechtfertigt kein vollständiges Entkräften der Beweiswirkung des unterzeichneten Empfangsdatums.
3. Zur Beweisfälligkeit eines Anwalts im Zusammenhang mit der Abgabe einer anwaltlichen Versicherung.
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Aktenzeichen 40 F 43/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers vom 21. Juli 2021 gegen den am 29. Juni 2021 verkündeten Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Oranienburg (40 F 43/20) wird verworfen.
2. Der Antrag des Antragstellers vom 16. September 2021 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.253 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den angefochtenen Beschluss ist - wie mit Senatsverfügung vom 15. September 2021 angekündigt - nach § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Denn sie ist bis zum Ablauf der hier gemäß § 117 Abs. 1 S. 3 und S. 4 FamFG am 13. September 2021 endenden Beschwerdebegründungsfrist nicht begründet worden.
1. Die Frist zur Begründung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG ist nicht eingehalten worden.
a. Nach § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von zwei Monaten zu begründen, wobei die Frist zur Begründung der Beschwerde (wie auch die Einlegungsfrist selbst) mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 221 ZPO).
Nach § 174 Abs. 1 ZPO kann ein Schriftstück an einen Anwalt gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden, weil bei Anwälten - wie auch der Wortlaut des Gesetzes zeigt - auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (BGH NJW 2012, 2117). Es kommt dabei nur auf den Annahmewillen an; nicht erforderlich ist eine inhaltliche Kenntnisnahme (Dörndorfer in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 42. Edition Stand: 01.09.2021, § 174 Rn. 4) oder eine inhaltliche Prüfung (Siebert in: Saenger, ZPO, 9. Auflage 2021 § 174 Rn. 3), weshalb z.B. trotz einer - hier nicht gegebenen - erschwerten Lesbarkeit des Dokuments der Empfang wirksam bescheinigt werden kann (vgl. BGH NJW 2011, 1598).
Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Entscheidung dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des gezeichneten Empfangsbekenntnisses (Bl. 169; vgl. auch das vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eingereichte Versandprotokoll des Empfangsbekenntnisses Bl. 198) am 13. Juli 2021 zugestellt worden. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte die durch das Gericht dargestellte Zustellung des Empfangsbekenntnisses am 13. Juli 2021 sowie das Datum im Protokoll jeweils unter Bezugnahme auf die Absendung des EB's am 15. Juli 2021 als nicht nachvollziehbar bezeichnet hat (Schriftsatz vom 16. September 2021), steht dies in deutlichem Widerspruch zu den zuvor dargestellten Fakten. Im Übrigen ist ein solches Auseinanderfallen von Empfangs- und Absendungsdatum bei Benutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht ausgeschlossen und zudem in der anwaltlichen Praxis sogar häufig vorkommend, wie dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt ist.
Entscheidend ist das durch den Rechtsanwalt im Empfangsbekenntnis eingetragene und bestätigte Datum es Empfangs, nicht die Absendung der Erklärung.
Damit lief die Frist zur Begründung der Beschwerde am 13. September 2021 (Montag) ab. Die Beschwerdebegründung ist hingegen erst am 14. Oktober 2021 (Bl. 206) beim Oberlandesgericht eingegangen.
b. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sich - jedenfalls zunächst, vgl. den Schriftsatz vom 16. September 2021 - darauf berufen hat, dass er am 15. September 2021 das Empfangsbekenntnis abgesandt habe (vgl. auch das Versandprotokoll Bl. 197), ist dieser (zutreffende) Umstand für die Fristberechnung unerheblich. Der Lauf der gesetzlichen Beschwerdebegründungsfrist beginnt nach § 221 ZPO (§ 113 Abs. 1 FamFG) mit der Zustellung der sie in Lauf setzenden Entscheidung (vgl. nur Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 221 ZPO Rn. 2), d.h. der am 13. September 2021 erfolgten Zustellung des Endbeschlusses...