Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4, § 2353; FamFG §§ 26, 352
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 15.07.2013) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des AG Oranienburg vom 15.7.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 16.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit handschriftlichem Testament vom 21.8.2011 setzte der Erblasser die Antragstellerin, seine Schwester, als Alleinerbin ein. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Erblasser nach einer schweren Darmkrebsoperation zur Rehabilitation in der Klinik am W. in B. Dort wurde eine palliative Chemotherapie durchgeführt. Ferner erfolgte eine medikamentöse Schmerztherapie.
Im vorliegenden Verfahren beantragt die Antragstellerin, ihr aufgrund des Testamentes vom 21.8.2011 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.
Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen die Ausstellung des beantragten Erbscheins. Er hegt aufgrund der Behandlung des Erblassers mit Schmerzmitteln Zweifel an dessen Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes vom 21.8.2011.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden keine konkreten Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers, die Anlass zu weiteren Nachforschungen gäben. Dass der Erblasser mit Schmerzmitteln behandelt worden sei, reiche hierfür angesichts der Stellungnahme der Klinik vom 26.6.2013, nach der der Erblasser bis zum 24.8.2011 voll orientiert gewesen sei, nicht aus. Ein Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe deshalb nicht.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seiner Beschwerde.
Er meint, aus der Behandlung mit den Schmerzmitteln Fentanyl und Pethidin, die u.a. zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit und zu einer Bewusstseinstrübung führe, ergebe sich ein hinreichender Anhaltspunkt für die Testierunfähigkeit des Erblassers, so dass die Einholung eines psychiatrischen oder neurologischen Gutachtens erforderlich sei.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. §§ 38, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Erblasser hat die Beteiligte zu 1) durch das handschriftliche Testament vom 21.8.2011 wirksam zur Alleinerbin eingesetzt.
Die genannte letztwillige Verfügung war nicht wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam.
Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgebend ist die Fähigkeit des Testierenden, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Willensentschließung von eigenständigen Erwägungen leiten zu lassen (BayObLG Beschluss vom 18.2.2003, 1 Z BR 136/02; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.6.2012 - I-3 Wx 273/11,3, FamRZ 2013, 159).
Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit eines Erblassers trifft deshalb grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (BayObLG, Beschluss vom 7.9.2004, 1 ZBR 073/04, 1 Z, FamRZ 2005, 555).
Im Erbscheinsverfahren verlangt die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit eines Erblassers gegeben waren, vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu überprüfen. Ergeben sich aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen herzuleitende Zweifel an der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung sind diese regelmäßig durch Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayObLG, FamRZ 2005, 555; BayObLG, Beschluss vom 18.2.2003, 1 Z BR 136/02; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2229 Rz. 11, 12).
Dies zugrunde gelegt lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass der Erblasser am 21.8.2011 testierunfähig gewesen ist.
Die den Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung behandelnden Ärzte der Klinik am W. haben in ihrer Stellungnahme vom 26.6.2013 dargelegt, dass der Erblasser am 21.8.2011 im Rahmen der medikamentösen Schmerztherapie mit Fentanyl-Pflastern, Ibuprofen, Metamizol und Pethidin behandelt worden sei, diese Behandlung aber nicht zu einer Bewusstseinstrübung geführt habe. Der Erblasser habe sich zwar in einem reduzierten Allgemeinzustand und reduziertem Ernährungszustand befun...