Leitsatz (amtlich)

1. Die mangelnde Bereitschaft eines Sachverständigen, relevante Darlegungen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, kann den Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit begründen.

2. Ein Sachverständiger hat im Rahmen seines Gutachtenauftrages auf diejenigen gerichtlich vorgegebenen Umstände und erhobenen Befundtatsachen einzugehen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der gerichtlich vorgegebenen Frage relevant sind, §§ 30 Abs. 1 FamFG, 404a ZPO. Bei der Beurteilung der Frage der Relevanz von Informationen und Gesichtspunkten kommt es vorbehaltlich der Sachleitungsbefugnis des Gerichts auf die Bewertung durch den Sachverständigen an. Die Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen, besteht für den Sachverständigen nicht.

3. Der Umstand, dass ein gerichtlicher Sachverständiger - auch viele - andere Schlüsse zieht als eine am Verfahren beteiligte Person, vermag Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht ohne weiteres zu begründen.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 96/14)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners vom 5. Februar 2020 gegen die Sachverständige Dr. ... wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antragsgegner lehnt die psychologische Sachverständige ab, nachdem diese seine Stellungnahme zu ihrem Gutachten vom ... 2019 aus seiner Sicht unzureichend behandelt und ihn nicht neutral begutachtet habe.

Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der Sachverständigen wegen Befangenheit liegen nicht vor.

Auf die Erhebung des Sachverständigenbeweises sind gem. § 30 Abs. 1 FamFG die Vorschriften der ZPO entsprechend anwendbar (vgl. OLG München, FGPrax 2012, 9). Gemäß § 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, § 42 Abs. 1 ZPO, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (§§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO) (BGH, BeckRS 2007, 12793). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden aber aus (BayObLGZ 1987, 211 (217)).

1. Nach der Wahrnehmung des Antragsgegners mache es ihm die Sachverständige unmöglich, das Gutachten zu hinterfragen bzw. eine ausreichende sachliche Stellungnahme der Sachverständigen zu erhalten. Diese Wahrnehmung findet im Akteninhalt keine Stütze. Der Antragsgegner hat zu dem Gutachten eine ausführliche Stellungnahme abgegeben. Die Sachverständige, die vom Senat gebeten worden ist, auf die in der Stellungnahme des Antragsgegners aufgeworfenen Fragen einzugehen, und der im Nachgang zur Verfügung vom ... 2019 noch weitere zur Akte gelangte Schriftstücke zur Stellungnahme übersandt worden sind, hat durch Schreiben vom ... 2020 Stellung genommen. Dass sich aus ihrem Verhalten Gründe ergeben könnten, die dem Antragsgegner die Formulierung von Fragen an die Sachverständige erschweren könnten, legt er nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

2. Die Auffassung des Antragsgegners, die Sachverständige gehe in ihrer Stellungnahme auf 99 % der von seinem Verfahrensbevollmächtigten aufgeworfenen Fragen und Einwände gar nicht oder völlig unzureichend ein, begründet nicht den Anschein unsachlicher Voreingenommenheit der Sachverständigen.

Zum einen lässt sich anhand der Stellungnahme nicht feststellen, dass diese Auffassung des Antragsgegners eine tatsächliche Grundlage hätte. Denn die Sachverständige ist auf verschiedene vom Antragsgegner aufgeworfene Fragen in sachlicher Weise eingegangen, teilweise hat sie auf ihre Ausführungen im Gutachten Bezug genommen. Ein Verhalten, das geeignet wäre, objektive Zweifel an ihrer Unparteilichkeit zu wecken, schildert der Antragsgegner insoweit nicht.

Zum anderen lässt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Sachverständige nicht auf jeden einzelnen in der 20seitigen Stellungnahme des Antragsgegners enthaltenen Gesichtspunkte eingegangen ist, der Anschein ihrer Parteilichkeit ableiten.

Die mangelnde Bereitschaft eines Sachverständigen, relevante Darlegungen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen, kann den Anschein mangelnder Unvoreingenommenheit begründen.

Davon kann im hier zu beurteilenden Fall indes keine Rede sein. Ein Sachverständiger hat im Rahmen seines Gutachtenauftrages auf diejenigen gerichtlich vorgegebenen Umstände und erhobenen Befundtatsachen einzugehen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der gerichtlich vorgegebenen Frage relevant sind, §§ 30 Abs. 1 FamFG, 404a ZPO. Bei der Beurteilung der Frage der Relevanz von Informationen und Gesichtspunkten kommt es vorbehaltlich der Sachleitungsbefugnis des Gerichts auf die Bewertung durch den Sachverständigen an (vgl. Arbeitsgruppe Familienrecht, FamRZ 2019, 1765). Die Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen...

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