Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Unterhaltsberechnung und Verteilung im Mangelfall

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erzielt ein gegenüber minderjährigen Kindern Unterhaltsverpflichteter ein nicht zu beanstandendes Einkommen aus einer vollschichten Arbeit als Elektroinstallateur, fehlt es für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens an einer schuldhaften Erwerbsobliegenheitsverletzung.

2. Dem Unterhaltsschuldner ist der ungekürzte notwendige Selbstbehalt zu belassen, wenn davon auszugehen ist, dass es zu keinen nennenswerten Ersparnissen durch eine gemeinsame Haushaltsführung gekommen ist.

3. Unterhaltsansprüche mehrerer Berechtigter sind grundsätzlich so zu beurteilen wie bei gleichzeitiger Entscheidung über alle Ansprüche.

4. Im Hinblick auf das Erwerbseinkommen der Lebensgefährtin des Unterhaltspflichtigen kann das Zusammenleben der Partner zu Haushaltsersparnissen in Höhe von insgesamt rund 25 % führen, so dass der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners um 12,5 % herabzusetzen ist.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 2, § 1609 Nr. 1 BGB, Nr. 4, §§ 1612a, 1613 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 22.06.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller und des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Frankfurt/O. vom 22.6.2010 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

Der Antragsgegner wird in Abänderung der Urkunde des Jugendamtes der Stadt ... vom 23.1.2007 (Urkunden-Register-Nr. 34/2007) verpflichtet, an den Antragsteller zu 1. zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen und laufenden Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

  • insgesamt 1.373 EUR für die Zeit vom 1.8.2009 bis zum 30.11.2010,
  • 75,8 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind monatlich vom 1.12.2010 bis zum 28.3.2011,
  • 89 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind monatlich vom 29.3.2011 bis zum 30.6.2013 und
  • 89 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind monatlich ab dem 1.7.2013.

Ferner wird der Antragsgegner in Abänderung der Urkunde des Jugendamtes der Stadt ... vom 23.1.2007 (Urkunden-Register-Nr. 35/2007) verpflichtet, an den Antragsteller zu 2. zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen und laufenden Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

  • insgesamt 1.335 EUR für die Zeit vom 1.8.2009 bis zum 30.11.2010,
  • 75,8 des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein drittes Kind monatlich vom 1.12.2010 bis zum 28.3.2011,
  • 89 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein drittes Kind monatlich vom 29.3.2011 bis zum 31.7.2015 und
  • 89 % des Mindestunterhaltes der dritten Altersstufe abzgl. hälftigen Kindergeldes für ein drittes Kind monatlich ab dem 1.8.2015.

Der rückständige Unterhalt ist sofort zahlbar, der zukünftige monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats.

Die weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen den Antragstellern zu 1/3 und dem Antragsgegner zu 2/3 zur Last.

Die sofortige Wirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit ab 1.12.2010 wird angeordnet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird für die Beschwerde des Antragstellers zu 1. auf 2.392,50 EUR und für die Beschwerde des Antragstellers zu 2. auf 2.352,90 EUR festgesetzt. Der Wert der Beschwerde des Antragsgegners betreffend den Antragsteller zu 1. beträgt 1.547,50 EUR und betreffend den Antragsteller zu 2. 1.527,50 EUR, insgesamt 7.820,40 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Abänderung von Jugendamtsurkunden über Mindestunterhalt für die Zeit ab 8/2009.

Aus der im Jahr 2005 geschiedenen Ehe des Antragsgegners und der Mutter der Antragsteller sind die drei Söhne

  • S., geboren am ... 3.1990,
  • M., geboren am ... 7.2001 und
  • F., geboren am ... 8.2003,

hervorgegangen. Die Kinder leben im Haushalt der Mutter. S. wird voraussichtlich in 6/2011 am Oberstufenzentrum in ... das Abitur ablegen.

Durch Jugendamtsurkunden vom 23.1.2007 hat sich der Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts i.H.v.

  • jeweils 67 EUR für M. und F.,
  • 96 EUR für S.

verpflichtet und diese Beträge bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat regelmäßig gezahlt. Mit Anwaltsschreiben vom 19.8.2009 wurde der Antragsgegner zur Auskunftserteilung und Zahlung des vollen Mindestunterhalts für die beiden Antragsteller aufgefordert.

Der im Jahr 1966 geborene Antragsgegner ist von Beruf Elektroinstallateur. Bis zum 9.10.2009 wohnte er in ... und arbeitete in L. Seither lebt der Antragsgegner in K. Zum 12.10.2009 nahm er eine Tätigkeit bei der Firma K. auf. Das Arbeitsverhältnis wurde in 8/2010 durch den Arbeitgeber gekündigt. Für 7 und 8/2010 erhielt der Antragsgegner Insolvenzgeld. Zum 1.9.2010 hat der Antragsgegner eine neue Arbeitstelle bei der Firma E. aufgenommen. Seit s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?