Leitsatz (amtlich)
1. Für die einem Elternteil in einem Sorgerechtsverfahren erteilte Auflage, zur Verbesserung der Erziehungsfähigkeit eine Psychotherapie durch- oder fortzuführen, gibt es keine gesetzliche Grundlage; insbesondere erlaubt § 1666 Abs. 1, 3 BGB nicht einen solchen Eingriff. Anders verhält es sich mit der an den Elternteil gerichteten Auflage, ein Kind in ärztliche Behandlung oder in eine Therapie zu geben.
2. Die Ge- und Verbote in § 1666 Abs. 3 Nrn. 1-4 BGB sind zwar grundsätzlich mit den Ordnungs- bzw. Zwangsmitteln der §§ 89 ff. FamFG vollstreckbar. Ob Auflagen, die an einen Elternteil gerichtet werden, aber tatsächlich vollstreckbar geregelt werden sollen, ist im Einzelfall zu prüfen.
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 16.12.2015; Aktenzeichen 6 F 775/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 16. Dezember 2015 abgeändert.
Dem Vater werden für die drei Kinder L..., Z... und S... V... das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht, öffentliche Hilfen für die Kinder zu beantragen, allein übertragen. Im Übrigen bleibt es bei der gemeinsamen Sorge der Eltern.
Die weitergehenden Anträge der Eltern werden zurückgewiesen.
Dem Vater wird aufgegeben,
- bei der Suche nach neuem Wohnraum die Hilfe der Stadt B..., gegebenenfalls auch diejenige des Landkreises ..., in Anspruch zu nehmen, diese Inanspruchnahme dem Jugendamt gegenüber schriftlich spätestens bis zum 16.1.2018 zu dokumentieren und das Jugendamt ferner schriftlich unter Beifügung von Belegen über seine Bemühungen, neuen Wohnraum zu finden, zu informieren,
- weiterhin sozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII in Anspruch zu nehmen,
- die psychologische Behandlung des Kindes Z... bei Frau Dr. Br..., P... B...,
fortzusetzen,
- in Bezug auf das Kind L... dem Jugendamt spätestens bis zum 16.1.2018 über das Ergebnis des Behandlungstermins bei Herrn Dr. E... schriftlich zu berichten,
- die Kinder L... und S... unverzüglich in psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung zu begeben,
- bei dem Kind S... unverzüglich eine ärztliche Diagnostik in Bezug auf die sprachliche Entwicklung, verbunden mit der Fragestellung, ob eine logopädische Begleitung erforderlich ist, vornehmen zu lassen,
- das Kind S... in Bezug auf den bei ihm festgestellten Herzfehler weiterhin regelmäßig, d. h. entsprechend den ärztlichen Empfehlungen, medizinisch betreuen zu lassen,
- die vom Kinder- und Hausarzt L...s verordnete Medikation unverzüglich durch einen Neurologen überprüfen zu lassen,
- dem Jugendamt jeden Monat, jeweils zum fünften Werktag eines jeden Monats, Nachweise über die im Vormonat wahrgenommenen Behandlungstermine unter Benennung der jeweiligen Ärzte und Therapeuten vorzulegen - soweit er sich vergeblich um die Neuaufnahme der psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung bzw. ärztlichen Diagnostik bemüht hat, auch diese Bemühungen schriftlich darzustellen - sowie vierteljährlich, jeweils spätestens zum fünften Werktag eines jeden Quartals, kurze aktuelle ärztliche Berichte über die gegenwärtige psychische und sonstige gesundheitliche Situation jedes Kindes, insbesondere auch zur weiteren Behandlungsbedürftigkeit, einzureichen,
- die für die Eltern in Kita und Schule anfallenden Termine (Elternversammlungen etc.) stets wahrzunehmen, darüber hinaus vierteljährlich einmal um ein persönliches Gespräch mit einer zuständigen Person der jeweiligen Einrichtung nachzusuchen, den insoweit jeweils vereinbarten Termin wahrzunehmen und dem Jugendamt hierüber vierteljährlich, jeweils spätestens zum fünften Werktag eines jeden Quartals, zu berichten,
- schriftliche Anfragen des Jugendamtes bezüglich einzelner Aspekte der Betreuung,
Versorgung und Erziehung eines oder mehrerer der Kinder unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Anfragen, schriftlich zu beantworten.
- eine VBB-Monatskarte im Abonnement zu erwerben, die L... für seine täglichen Fahrten mit dem Bus benötigt; ggf. hat der Vater öffentliche finanzielle Hilfen zum Erwerb dieser Monatskarte in Anspruch zu nehmen.
Das weitergehende Rechtsmittel der Mutter wird zurückgewiesen.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten Eltern je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 8.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Eltern sind noch verheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder L..., geboren am ....4.2009, Z..., geboren am ....11.2010, und S..., geboren am ....3.2013, hervorgegangen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht der Mutter das Recht der elterlichen Sorge bezüglich der drei Kinder entzogen und dem Vater aufgegeben, öffentliche Hilfen, die ihm seitens des zuständigen Jugendamtes angeboten werden, in Anspruch zu nehmen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet ...