Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter bei annähernd gleicher Eignung der Eltern
Leitsatz (redaktionell)
Ist die Bindungstoleranz beim Kindesvaters erheblich weniger ausgeprägt als bei der Kindesmutter, kann dies bei im Übrigen gleicher Eignung der Kindeseltern den Ausschlag dafür geben, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter zu übertragen.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 18.10.2007; Aktenzeichen 20 F 8/07) |
Tenor
Die befristete Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 18.10.2007 - Az. 20 F 8/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Tochter L. H. Die Kindeseltern sind seit dem 7.9.1996 verheiratet. Sie haben L. am 15.4.2000 adoptiert, nachdem sie bereits seit deren Geburt die Pflege für sie ausgeübt hatten. Die Kindeseltern haben sich am 28.9.2006 getrennt. Die Kindesmutter ist aus dem zuvor bewohnten Familienheim ausgezogen, in dem der Kindesvater weiterhin lebt, gemeinsam mit seinen Großeltern. Auch die Eltern des Kindesvaters leben in der Nähe. Die Schule, in die L. geht, befindet sich in der unmittelbaren Nachbarschaft. L. lebte seit Januar 2007 zunächst im wöchentlichen Wechsel bei den Eltern. Sie äußerte später jedoch den Wunsch, nicht mehr wechseln zu müssen und einen festen Aufenthaltsort zu haben. Die Eltern konnten sich über einen dauerhaften Aufenthalt von L. nicht einigen.
Der Vater ist selbständig tätig. Die Kindesmutter arbeitet bei der Bahn. Sie hat nach der Adoption von L. etwa ein Jahr Erziehungsurlaub genommen und arbeitete danach zunächst im Schichtsystem, inzwischen jedoch nur noch in der Frühschicht (6:00 bis 14:00 Uhr). Der Kindesvater lebt mit einer neuen Partnerin zusammen, die ebenfalls eine Tochter hat. Diese wohnt inzwischen bei ihrem eigenen Vater.
Mit Antrag vom 3.1.2007 beantragte der Kindesvater die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn. Die Kindesmutter stellte den gegenläufigen Antrag.
Bei ihrer Anhörung durch die Amtsrichterin am 26.4.2007 hat L. betont, sie möchte nicht mehr jede Woche woanders leben und dauernd von der Mutter zum Vater ziehen und umgekehrt. Außerdem hat sie angegeben, beim Papa wohnen zu wollen. Dieser habe ihr gesagt, er sei todtraurig, wenn sie sich anders entscheiden würde. Außerdem habe sie dort ein größeres Zimmer, und der Vater habe ihr Haustiere versprochen.
Das AG hat ein psychologisches Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. L. S... vom 27.8.2007 eingeholt. Diese hat festgestellt, der Kindesvater mache für die Trennung und das Auseinandergehen der Familie allein die Kindesmutter verantwortlich. Er sei nur eingeschränkt selbstkritisch. Im Zentrum seines emotionalen Erlebens stünden neben der Tochter verstärkt eigene Befindlichkeiten. Er habe positive Emotionen gegenüber L. und auch grundsätzlich die Fähigkeit, ihre altersspezifischen Bedürfnisse zu erkennen und zu berücksichtigen. Die Reflexion kindlicher Wahrnehmungen und Befindlichkeiten sei jedoch unzureichend tiefgründig und differenziert und nur eingeschränkt hinterfragbar. Vorherrschend wirkten das Bedürfnis des Kindesvaters, die Kontrolle zu behalten, und eine Verschlossenheit im Umgang. Die Kindesmutter sei kooperativ und beständig. Sie habe eine hohe Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit und könne Stimmungen des Kindes aufgreifen. Ihre Reflexion der kindlichen Befindlichkeiten weise viele empathische Elemente auf. Im Mittelpunkt ihres emotionalen Erlebens steht die Tochter L. Sie habe ein hohes Verantwortungsgefühl dem Kind gegenüber. Ihr Erziehungsverhalten sei fürsorglich. Die Erziehungsfähigkeit des Vaters und seine Bedeutung für das Kind stelle die Kindesmutter nicht grundsätzlich in Frage.
Hinsichtlich L. s hat die Sachverständige ausgeführt, das Kind befinde sich in einem erheblichen Loyalitätskonflikt, sei emotional belastet und reagiere nach Angaben der Eltern und der Klassenleiterin mit Ticstörungen. L. sei bemüht, ihre eigenen Wünsche durchzusetzen und spiele die Eltern gegeneinander aus. Hinsichtlich ihres Lebensmittelpunktes habe sie bislang den Wunsch geäußert, beim Vater zu leben.
Aus ihren Untersuchungen hat die Sachverständige den Schluss gezogen, dass L. gewachsene und gefestigte Bindungen zu beiden Elternteilen habe, die als gleichwertig anzusehen seien. Sie versuche allerdings massiv, im Zusammensein mit jedem Elternteil Grenzen auszutesten und Anweisungen in Frage zu stellen. Es sei eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Störungen feststellbar. Mehrfach habe L. den stabilen Wunsch geäußert, nicht mehr von einem Elternteil zum anderen wechseln zu müssen. Die Äußerung ihres Wunsches, beim Vater zu leben, sei nicht unbeeinflusst von Äußerungen des Vaters geblieben. L. habe sich davon leiten lassen, sich an Annehmli...