Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
Leitsatz (amtlich)
Der Beurteilungszeitpunkt für die Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung liegt im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Auf einen erfolglosen Versuch der Prozeßvermeidung kann die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nicht gestützt werden, auch wenn die Erfolglosigkeit nicht von vornherein auf der Hand lag, sondern sich erst nach Verfahrensbeginn aus dem Verhalten des Antragsgegners ergibt.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Beschluss vom 12.03.2018; Aktenzeichen 32 F 341/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 12. März 2018 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.
Gründe
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache, damit das Amtsgericht in eigener Verantwortung und unter Wahrung des Instanzenzuges über die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers entscheiden kann. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung (§§ 76 I FamFG, 114 II ZPO) kann dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden.
Es trifft grundsätzlich zu, dass Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann, wenn eine Forderung sogleich in einem Gerichtsverfahren durchgesetzt werden soll, ohne sie dem Schuldner zuvor zur freiwilligen Erfüllung anzutragen. Aber der Beurteilungszeitpunkt für die Erfolgsaussicht eines außergerichtlichen Geltendmachens, das das Gerichtsverfahren vermieden hätte, liegt auch hier - wie bei den anderen Anspruchsvoraussetzungen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe - im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages, also nach der Entgegnung des Antragsgegners (MüKo-ZPO-Wache, 5. Aufl. 2016, § 114 Rdnr. 98; Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 114 Rdnr. 30). Legt diese Entgegnung die Beurteilung nahe, der Antragsgegner hätte die außergerichtlich an ihn herangetragene Forderung zurückgewiesen, so erweist sich das Unterlassen des Antragstellers als nicht ursächlich für die Notwendigkeit, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Auf einen erfolglosen Versuch der Prozeßvermeidung kann die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung und damit die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe nicht gestützt werden, auch wenn die Erfolglosigkeit nicht von vornherein auf der Hand lag, sondern sich erst nach Verfahrensbeginn aus dem Verhalten des Antragsgegners ergibt.
So liegt es hier: Die auf die Teilhabe an der elterlichen Sorge in Anspruch genommene Antragsgegnerin hat nicht etwa entgegnet, sie hätte sogleich an der Abgabe von Sorgeerklärungen mitgewirkt (§ 1626 a I Nr. 1 BGB), wenn der Antragsteller dieses Anliegen an sie herangetragen hätte, und sie hat auch nicht erklärt, der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge stünden Gründe des Kindeswohls nicht entgegen, so dass das Gerichtsverfahren schnell und ohne weitere Anhörungen hätte beendet werden können (§§ 1626 a I Nr. 3, II 2 BGB, 155 a III FamFG). Vielmehr hat die Antragsgegnerin der Übertragung der gemeinsamen Sorge widersprochen und eingewandt, nicht erst der überraschende Antrag habe ihr jedes Vertrauen in den Antragsteller genommen, sondern schon die vorausgegangenen Auseinandersetzungen um den Umgang des Antragstellers mit dem Kind hätten gezeigt, dass es an einer Grundlage für ein Zusammenwirken der Eltern zum Wohle des Kindes fehle (Antragserwiderung, Bl. 10 f. HA). Dass das Amtsgericht daraufhin - völlig zu Recht - einen Verfahrensbeistand bestellt, das Jugendamt angehört und alle Beteiligten zu einer mündlichen Anhörung geladen hat (Bl. 12 ff. HA), hätte die Beurteilung nahelegen müssen, dass der Antragsteller gerichtliche Hilfe nicht mutwillig in Anspruch genommen hat.
Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 II FamFG, 127 IV ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 II FamFG, 574 II, III ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 11657095 |
FamRZ 2018, 1339 |
FuR 2018, 603 |
NJ 2018, 333 |
FF 2018, 259 |